Denn Übergewicht verursacht schwerwiegende Folgeerkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes und andere Stoffwechselstörungen. Doch anders als bisher angenommen, machen sich diese nicht erst im Erwachsenenalter bemerkbar. In einer neuen Studie belegen Ernährungswissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena und der Universität Hohenheim, dass bereits drei Viertel der übergewichtigen Kinder im Alter zwischen fünf und acht Jahren Symptome von gewichtsbedingten Stoffwechselstörungen aufweisen.
Forscher um Prof. Dr. Ina Bergheim von der Friedrich-Schiller-Universität Jena haben100 übergewichtige und 51 normalgewichtige Grundschulkinder ohne bekannte Vorerkrankungen umfassend untersucht: Neben Größe und Gewicht erfassten sie verschiedene Laborparameter der Kinder erfasst, darunter Blutzuckerwerte sowie den Cholesterol- und Triglycerid-Spiegel. Das Ergebnis: Insgesamt 73 Prozent der übergewichtigen Kinder zeigen mindestens in einem Stoffwechselparameter Auffälligkeiten, manche sogar in bis zu fünf.
Versteckte Störungen
"Das sind alarmierende Werte", sagt Bergheim. Vor allem, da die Kinder - abgesehen von zu hohem Gewicht - als gesund gelten. "Das bedeutet, dass diese versteckten Störungen auch nicht behandelt werden." Ihre Studie zeige, dass es das "gesunde dicke Kind" praktisch nicht gibt, so die Wissenschaftlerin weiter. Vor allem Mädchen seien gefährdet: Bei ihnen fangen die Probleme bereits früher an. Während für Jungen das Risiko für Stoffwechselstörungen erst mit starkem Übergewicht deutlich ansteigt, beginnt es für gleichaltrige Mädchen bereits im Grenzbereich von Normal- und Übergewicht.
Diese Erkenntnisse machen Bergheim zufolge deutlich, dass es in Deutschland - aber vermutlich auch in zahlreichen anderen Ländern - zu wenig Vorsorge gibt. Jeder, der Kinder hat, kenne zwar die empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen für Säuglinge und Kleinkinder beim Kinderarzt. "Dabei geht es aber hauptsächlich um die körperliche und geistige Entwicklung der Kinder." Nach Hinweisen auf Stoffwechselerkrankungen werde in der Regel nicht gesucht.
Die Gefahr des Sitzens
Vor allem für die Gesundheit von Kindern im Grundschulalter werde in Deutschland zu wenig getan, ist Bergheim überzeugt: "Mit dem Schuleintritt verändert sich für die meisten Kinder das Lebensumfeld sehr stark. Plötzlich sitzen sie sehr lange; sie bewegen sich weniger und das birgt Gefahren für die Gesundheit." Was allerdings nicht nur für Kinder mit Übergewicht gilt: Auch etwa jedes siebte normalgewichtige Kind weist unerkannte Auffälligkeiten im Stoffwechsel auf, aus denen sich spätere Erkrankungen entwickeln könnten.
Maier IB et al.: Differences in the prevalence of metabolic disorders between prepubertal boys and girls from 5 to 8 years of age, Acta Paediatrica (2014), DOI: 10.1111/apa.12546
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