„Bitcoin accepted here“, heißt es auf der Website der Gemeinschaftspraxis „Vegas Budget Dental“ in Las Vegas. Und auch an der Tür macht ein kleiner, gelber Sticker auf die neue Bezahlweise aufmerksam. Die Idee, Bitcoin auszuprobieren, hatte Dr. Norm Cutter im Frühjahr 2013. Damals hörte er im Rahmen der Berichterstattung über die Bankenkrise in Zypern zum ersten Mal von der seit 2009 existierenden virtuellen Währung.
Cutter sah Potenzial in dem System, vor allem weil der Transfer von Bitcoins kostenlos ist. „Hauptsächlich versprach ich mir davon, dass wir die Gebühren für die Kreditkartenzahlungen in unserer Praxis reduzieren können. Das sind in manchen Monaten mehrere tausend Dollar“, erklärt er. Also trat er einem lokalen Bitcoin-Club bei, installierte die notwendige Software auf seinem Computer, schulte sein Praxisteam und wartete ab. Doch es passierte nicht viel. „Bisher haben nur sehr wenige Patienten mit Bitcoin bezahlt. Es waren vielleicht drei“, berichtet der Zahnarzt.
Der Enthusiasmus ist verflogen
„Budget Dental Vegas“ wird seinen Patienten trotzdem auch in Zukunft die Möglichkeit bieten, Bitcoin zu nutzen. Für die Praxis fallen dadurch keine zusätzlichen Kosten an. „Wir werden aber nicht mehr aktiv dafür werben“, sagt Norm Cutter und fügt hinzu: „Auch, weil mein Enthusiasmus ziemlich verflogen ist.“ Der Hauptgrund dafür sei, dass seiner Ansicht nach Geschäftsleute, die Bitcoin akzeptieren, in Zukunft hart von Staat und Steuerbehörden angegangen werden.
Tatsächlich hat die New Yorker Behörde für Finanzdienstleistungen vor einigen Monaten entsprechende Firmen zur Herausgabe ihrer geschäftlichen Daten verpflichtet. Unter anderem, so berichtet das Wall Street Journal, um zu überprüfen, wie sie der Geldwäsche vorbeugen - ein Verdacht, der häufig im Zusammenhang mit Bitcoin aufkommt, wie Norm Cutter bestätigt: „Vor kurzem hat der Staat Kalifornien gewarnt, dass die Nutzung von Bitcoin zu einer Anklage wegen beispielsweise Geldwäsche führen kann.“
Für illegale Aktionen wie Geldwäsche oder Drogengeschäfte ist das Bitcoin-Netzwerk in der Tat attraktiv, da Bezahlungen anonym funktionieren. Bitcoins sind eine sogenannte Kryptowährung, bei der jede Transaktion verschlüsselt abläuft und die Teilnehmer nicht identifizierbar sind.
Bitcoins werden nicht von einer staatlichen Autorität oder einer Zentralbank ausgegeben und kontrolliert, sondern über Algorithmen in Computerprogrammen generiert. Dieser Prozess wird als „Mining“ bezeichnet. Das „Graben“ nach neuen Münzen läuft über eine spezielle Software, die jeder Nutzer auf seinem Computer installieren kann. Damit wird er Teil in einem dezentralen Peer-to-Peer-Netzwerk, das gemeinsam Bitcoins herstellt und verwaltet.
Praktisch läuft das so ab: Alle zehn Minuten wird ein neuer Block mit 50 Bitcoins ins Netz gestellt. Um die Münzen zu bekommen, müssen die User in der Bitcoin-Community einen Code knacken. Derjenige, dem das am schnellsten gelingt, erhält die Münzen. Prinzipiell kann also jeder Mensch Bitcoins herstellen. Die Rechenaufgaben sind jedoch so anspruchsvoll und werden außerdem mit der Zeit immer komplizierter, dass Nutzer mit leistungsstarken Rechnern im Vorteil sind.
Die Anzahl der digitalen Münzen ist gedeckelt. Maximal können 21 Millionen Stück „gegraben“ werden. Momentan sind knapp zwölf Millionen im Umlauf, ihr aktueller Kurs liegt bei etwa 590 Euro für eine Bitcoin. Der Wert des Netzgeldes beruht darauf, dass die Community sie als Zahlungsmittel akzeptiert und sich bereit erklärt, Güter oder Leistungen für Bitcoins auszutauschen. Mittlerweile entstehen auch außerhalb des Internets zunehmend Möglichkeiten, mit Bitcoin zu zahlen. Vor allen Dingen in Großstädten akzeptieren immer mehr Ladenbesitzer das digitale Geld. Abgerechnet wird über das Smartphone und spezielle Apps.
Die Bitcoin-Pioniere wollten ein freies Geldsystem erschaffen. In den Anfängen stellten Befürworter Rechenkapazität ihrer Computer zur Verfügung, um Bitcoins zu erstellen und um dieses Ziel zu erreichen. Durch die Bankenkrise bekam die Idee Auftrieb. Viele Menschen verloren das Vertrauen in die internationale Finanzwirtschaft und wollten ein neues, unabhängiges System. Ein weiteres Ziel war, eine Alternative zu gebührenpflichtigen Online-Bezahlsystemen wie Paypal zu schaffen.
Überzeugt von der Bitcoin-Idee ist auch der Mediziner C. Terence Lee aus Orange County in Kalifornien. Der Spezialist auf dem Gebiet gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin las 2012 im Internet einen an Geschäftsleute gerichteten Aufruf, Bitcoin zu akzeptieren, um die Währung zu etablieren. Bald darauf entschloss er sich, das Netzgeld in seiner Praxis anzunehmen.
Spaß am Experiment
„Ich habe mich dafür entschieden, weil mir das Experiment Spaß macht und weil ich Bitcoin zu mehr Bekanntheit verhelfen wollte. Meine Patienten sollten positive Erfahrungen damit sammeln und vielleicht ihren Freunden davon erzählen“, fasst er seine Motivation im Rahmen eines Vortrags auf der „Bitcoin 2013 Conference“ in San Jose, Kalifornien, zusammen.
Der Gesundheitsbereich unterliege vielen Regulierungen durch Versicherungen und staatliche Behörden, hält der Arzt zu Beginn fest. Es gäbe aber medizinische Felder, in denen der Spielraum größer sei. Dazu gehöre auch sein Spezialgebiet. Patienten zu begeistern, war nach Aussage des Arztes nicht einfach. Auf Anzeigen hätten sich kaum Interessenten gemeldet.
Lee ging deshalb dazu über, Patienten gezielt anzusprechen und für die Bezahlung mit Bitcoin zu begeistern - ein Preisnachlass sollte als Anreiz dienen. „Dabei machte ich aber schnell die Erfahrung, dass viele Menschen sehr misstrauisch reagierten - vor allem diejenigen, die mich noch nicht kannten. Sie schauten mich teilweise an, als wäre ich ein Gebrauchtwagenverkäufer, der ihnen ein unseriöses Geschäft vorschlägt“, erzählt der Mediziner.
Das erste Bitcoin-Baby der Welt
Um das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient nicht zu gefährden, sprach Lee schließlich nur noch Langzeitpatienten an. Bei einem Paar, das bereits drei Kinder mit seiner Hilfe bekommen hatte und nun ein viertes wollte, hatte er Erfolg. „Sie fanden die Idee zwar ein bisschen verrückt, ließen sich mir zuliebe aber darauf ein. Ihre Tochter wurde Ende 2012 geboren. Meines Wissens ist sie das erste Bitcoin-Baby der Welt“, berichtet er.
Lee konnte seitdem fünf weitere Patienten überzeugen und will auch in Zukunft an Bitcoin festhalten. Sein Fazit fällt jedoch durchwachsen aus: „Bitcoin hat sich stellenweise als eher unpraktisch erwiesen. Zum Beispiel kann die Umwandlung von Bargeld in Bitcoin lange dauern und es gibt ein Limit auf Einzahlungen. Meine Patienten konnten deshalb immer nur Teilbeträge der Rechnung in Bitcoin überweisen.“ Die praktischste Art, für seine Leistungen bezahlt zu werden, seien zurzeit nach wie vor die herkömmlichen Wege: Kreditkarte oder Scheck.
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