zm-online: Frau Beckers-Lingener, was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Faktoren, um ein Zahnarzttrauma bei Kindern zu verhindern?
Barbara Beckers-Lingener: Meiner Ansicht nach ist es unabdingbar, immer ruhig, klar, berechenbar und ehrlich mit den Kindern umzugehen. Das ist die Basis für ein solides Vertrauensverhältnis. Hilfreich ist auch, wenn die Eltern - vor allem die Begleitpersonen - den Zahnarzt unterstützen, indem sie mit Ruhe und Gelassenheit dem Kind signalisieren, dass sie einverstanden sind und dem Zahnarzt vertrauen.
Das zeigt sich dadurch, dass die Begleitperson sich aus der Behandlung heraushält, dem Zahnarzt die Führung des Kindes überlässt und nur dann auf den Plan tritt, wenn der Zahnarzt sie um Unterstützung bittet. Sie kann nach Anleitung dem Kind zusätzlich Mut und Kraft geben.
Bei einem guten Vertrauensverhältnis können Kinder unangenehme Situationen oder gar Schmerzen durchaus akzeptieren. Kinder lösen dies oft, indem sie sich ihrer natürlichen Fähigkeit bedienen, diese Situationen mit Trance und Trancezuständen zu lösen.
"Diese zu erkennen und zu lenken setzt eine Ausbildung voraus - optimalerweise in hypnotischer Kommunikation - die ein Kinderzahnarzt heute meiner Meinung nach unbedingt haben sollte und zum Beispiel in meinem Konzept der "Ritualisierten Verhaltensführung" umgesetzt ist." Falls das Kind dennoch irritiert war oder es gar weh getan hat, ist es extrem wichtig, das Kind mit Hilfe kleiner und einfacher nonverbaler Techniken zu beruhigen und es wach und in einem guten Zustand zu entlassen.
Warum kann es förderlich sein, wenn Kinder während der Behandlung schreien?
Grundsätzlich ist zu klären, warum das Kind schreit. Sind es Zorn, Angst oder Schmerz wäre das absolut kontraproduktiv. Hat der Zahnarzt zum Kind einen guten Kontakt und ein solides Vertrauensverhältnis, kann er dem Kind unter Einsatz von Zeichen, die Trancezustände anzeigen, helfen und auch Geräusche fördern, die das Kind macht.
Schreien ist eine Hilfe zur Selbsthilfe, um den ersten Schmerz oder Schock zu überdecken. Das wissen Kinder aus ihrem Alltag. Anders verhält es sich mit dem Brüllen: Das ist etwas anderes als Weinen oder Schreien. Es enthält die Komponente Wut. Auf die Situation, auf den Zahn, auf die Schmerzen, gezielt nicht aber auf den Zahnarzt.
Bei Extraktionen zum Beispiel kann lautes und gezieltes Brüllen alle anderen Sinneseindrücke wie Sehen, Hören, Schmecken, Riechen und eben auch Fühlen überdecken. Der Zahnarzt sollte dabei seine Arbeit unter Anfeuern, Ermuntern, noch lauter zu sein, und Loben, schnell und sicher durchführen. Danach die Situation wieder herrunterfahren, das Kind aus der Trance heraus begleiten. Und sehr oft fragt mich dann das Kind: „Und wann ziehst du jetzt den Zahn?“.
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