Auswertungen wie die jährliche Gallup-Studie bringen aber es an den Tag: Bis zu 80 Prozent der Mitarbeiter fühlen sich nicht wertgeschätzt. Seit 2001 hat sich die Zufriedenheit der Angestellten nicht verbessert. Die Folge: hohe Krankenstände, innere Kündigung und niedrige Motivation. Sie führen zu großen wirtschaftlichen Verlusten. Folgerichtig wird Mitarbeitermotivation als eine der wesentlichen Führungsqualitäten definiert.
Sind Führungskräfte in Deutschland unbelehrbar, können oder wollen sie etwa gar nicht motivieren? Sind Chefs unfähig, gut zu führen? Oder könnte es auch sein, dass die Ansprüche an Führungskräfte überproportional hoch sind? Ist es gar komfortabel, Motivation nur einzufordern statt selbst dafür Verantwortung zu übernehmen und daran zu arbeiten?
Mehr als nur ein gutes Gefühl
Richtig ist: Als Chef oder Führungskraft ist es wichtig, die Leistung der Mitarbeiter wahrzunehmen und besonderen Einsatz, außergewöhnliche Leistungen oder auch Loyalität zu würdigen. Lob motiviert, gibt Bestätigung, ein gutes Gefühl.
Richtig ist ebenso: Das Lob muss verstanden und als solches wahrgenommen werden. Wenn Mitarbeiter Anerkennung erwarten für selbstverständliche Tätigkeiten, entsteht eine Diskrepanz. Ebenso, wenn die Einstellung besteht, es gehöre eben zum Job des Chefs, zu loben. Anerkennung funktioniert nur, wenn der eine lobt und der andere für das Lob empfänglich ist, es auch annimmt. Motivation funktioniert nur, wenn einer Motivation gibt, und der andere sich motivieren lassen will.
Es gibt durchaus auch Situationen, in denen Menschen die Lob-Annahme regelrecht verweigern, sei es um dadurch im besonderen Maße Aufmerksamkeit zu bekommen, oder weil es sich in der „Opferrolle“ bequemer leben lässt. Denn einmal für eine besondere Leistung gelobt, bedeutet im Umkehrschluss, dass ich mich für das nächste Lob eventuell wieder anstrengen und einsetzen muss. Und das kann mühsam sein.
Von oben nach unten
Das Verstehen und Akzeptieren eines Lobes ist uns über die Hierarchie von oben nach unten am geläufigsten: Chef lobt Mitarbeiter, Praxismanagerin lobt Auszubildende. Doch wie sieht es umgekehrt aus? Je höher die Hierarchieebene oder die Machtposition, umso weniger Personen gibt es, die auf Augenhöhe loben können. Wenn ein Patient zum Arzt sagt: „Danke, das haben Sie super gemacht, ich fühle mich mit der Prothese richtig wohl!“, ist das natürlich toll. Nur: Kann der Patient in vollem Umfang nachvollziehen, wie aufwendig, kompliziert und schweißtreibend die Präparation, die Abdrucknahmen, die Blutungsstillungen waren? In der Regel nicht.
Und lobt eine Mitarbeiterin: „Chef, das haben Sie gut gemacht“, steht zwar Fachkompetenz dahinter. Aber die Beziehungsebene ist nicht dieselbe. Wer zollt dem Chef Anerkennung? Experten sehen gerade darin ein großes Manko: Praxisinhaber oder Führungskräfte der Praxis vermissen oft eine motivierende Anerkennung der Mitarbeiter, der Patienten, der Lieferanten. Sie sehen und erleben sich nur in der Bringschuld. Was bleibt, ist Selbstmotivation.
Hol- und Bringschuld
Ein Ansatz aus diesem Dilemma könnte sein, dass Zahnärzte eine Idee entwickeln, wie aus ihrer Sicht eine Lobkultur aussehen könnte, was besonders an Anerkennung benötigt wird und woher sie bezogen wird. Das könnte eventuell auch durch den Familien-, Freundes - oder Kollegenkreis geschehen.
Anders herum könnten sich Mitarbeiter auch einmal bewusst in die Rolle des Vorgesetzten setzen und überlegen, was sie selbst als wohltuend empfinden würden. Chefs sollen Mitarbeiter loben und motivieren - ja. Und Mitarbeiter sollten die Bemühungen des Vorgesetzten wahrnehmen und würdigen. Diese Perspektive künftig in der Teamkommunikation stärker herauszuheben, könnte ein wichtiger Ansatz sein, um eine Kultur der gegenseitigen Achtung zu fördern.
Stephanie Weitz
ZMV, QM-Auditor (TÜV), Systemische Beratung (SG)
Schulstraße 3, 68642 Bürstadt
Keine Kommentare