Vier Bewegungsmuster unterscheidet der Wissenschaftler der Goethe-Universität: In der Eingangsphase nimmt das Kind vorsichtig Kontakt mit dem weichen Material auf: Der Zeigefinger taucht in den Brei ein. „An der Fingerkuppe befinden sich viele sensible Rezeptoren, die unter anderem taktile und thermische Reize, die das Material auslöst, aufnehmen“, sagt Peez. Und dieser ersten Phase entspricht beim Umgang mit dem Touchscreen das Auftippen mit der Kuppe des Zeigefingers auf ein Icon oder auf einen Link.
Eine kurze Bewegungsspur
Es folgt die zweite Stufe: Das Kind zieht mit dem Zeigefinger eine kurze Bewegungsspur in Richtung des eigenen Körpers; der Nutzer eines Touchscreens macht eine ähnliche lineare Bewegung nach unten, um sich in einer längeren Liste zu orientieren.
Beim dritten Bewegungsmuster dominiert ein Hin- und Her. „Diese leicht schwingenden Bewegungen können zunächst auf engem Raum nur mit einem oder wenigen Fingern erfolgen; hierbei erfassen die Finger das Schmiermaterial und verteilen es wischend seitlich“, fasst Peez seine Beobachtungen aus zahlreichen Fallstudien mit Kleinkindern zusammen. Dieses seitliche Wischen mit den Fingern korrespondiert mit dem „Slide to unlock“, dem Entsperren, auf dem Start-Bildschirm des Smartphones.
Der Pinzettengriff
Das vierte und letzte Bewegungsmuster: Jeder Tablet- und Smartphone-Nutzer kennt den Pinzettengriff, um Bilder und Texte zu vergrößern und zu verkleinern. Ein typische Bewegung auch von Kleinkindern: Wenn sie den Brei als Nahrungsmittel erkennen, nehmen sie ihn zwischen Zeigefinger und Daumen und führen ihn in den Mund.
„Die Bedienung des Touchscreens knüpft offensichtlich an diese frühesten motorisch-kognitiven Vorgänge an“, fasst Peez zusammen. „Der sensomotorisch unmittelbare Zugang der Handhabung macht den großen Erfolg dieser Eingabeform plausibel.“ Sich Wissensaspekte über das Tippen mit dem Zeigefinger zu erschließen, diese aber auch durch seitliches Wegwischen wieder zu verwerfen oder durch das Zoomen mittels Pinzettengriff näher zu betrachten, schließt „an die frühesten Erfahrungen von ‚Selbstwirksamkeit‘ und die elementarsten Formen der Koppelung des Gehirns mit dem motorischen System“.
Seine Befunde will Peez nun mit Ergebnissen der Neurowissenschaft und Weiterentwicklungen des Screendesigns in Bezug setzen. Seiner Auffassung haben sich die Web-Entwickler zwar nicht wissentlich am Verhalten von Kleinkindern orientiert, doch seien diese Ähnlichkeiten auch nicht rein zufällig.
Keine Kommentare