Wie das Beratungsunternehmen Gallup in seinem "Engagement Index 2013“ herausfand, fühlt sich nur ein kleiner Teil der deutschen Arbeitnehmer emotional an seinen Arbeitgeber gebunden. Lediglich 16 Prozent der Beschäftigten setzen sich demnach freiwillig für die Ziele ihrer Firma ein. Über Zweidrittel machten, genau: Dienst nach Vorschrift. Und ganze 17 Prozent haben der Studie zufolge innerlich bereits gekündigt.
Eine Schutzimpfung gegen die Fluktuation
Wer aber nicht emotional an seinen Arbeitgeber gebunden ist, neigt den Experten zufolge viel eher dazu, den Job zu wechseln. Das leuchtet ein. Diese Erkenntnis entfaltet aber gerade heute eine ungeheure Kraft: Umgekehrt wirkt nämlich in Zeiten des Fachkräftemangels die emotionale Mitarbeiterbindung wie eine "Schutzimpfung gegen ungewollte Fluktuation", bilanziert Gallup.
Die Qualität der Führung entscheidet
Immerhinschrumpfte der Anteil der inneren Kündigungen im Vergleich zum Vorjahr von 24 Prozent auf 17 Prozent. „Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und des demografischen Wandels scheint sich in vielen Unternehmen die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass die Qualität der Führung und die Unternehmenskultur entscheidend sind, um die Mitarbeiter zu binden“, erläutert Marco Nink, Senior Practice Consultant bei Gallup.
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Die Ursachen für die geringe emotionale Mitarbeiterbindung lassen sich ihm zufolge in der Regel auf Defizite in der Personalführung zurückführen: „Viele Arbeitnehmer steigen hochmotiviert in ein Unternehmen ein, werden dann aber zunehmend desillusioniert, verabschieden sich irgendwann ganz aus dem Unternehmen und kündigen innerlich.“
Der Chef ist schuld
Die Hauptrolle in diesem Prozess spiele fast immer der direkte Vorgesetzte, also der Chef. „Unsere aktuellen Daten deuten darauf hin, dass sich das Führungsverhalten und damit auch die Qualität des Arbeitsumfeldes verbessert haben. Die Arbeitnehmer fühlen sich mehr als Teil eines größeren Ganzen“, erklärt Nink. Dadurch könnten sie ihre Talente besser einsetzen und wüssten viel eher, was von ihnen erwartet wird. Gute Führungskräfte binden sie laut Nink auch häufiger in Entscheidungen ein und geben ihnen das Gefühl, einen wichtigen Beitrag zum Unternehmenserfolg zu leisten.
Trotz dieser positiven Tendenzen sind aber nach wie vor acht von zehn Mitarbeiter nicht mit Herz, Hand und Verstand bei der Arbeit - im Unternehmersprech: Sie sind nicht hoch emotional an ihren Arbeitgeber gebunden. Nink: "Es läuft am Arbeitsplatz vieles besser, aber längst noch nicht alles perfekt. Mitarbeiter werden zwar weniger demotiviert, aber durch Führungsverhalten noch lange nicht zu Höchstleistung angespornt."
Nicht bei der Sache
Die emotionale Bindung habe direkte Auswirkungen auf die Verweildauer in einem Unternehmen. Insgesamt 93 Prozent der emotional hoch gebundenen Mitarbeiter, aber nur 45 Prozent derjenigen ohne emotionale Bindung, planten in einem Jahr der Firma noch die Stange zu halten. Mit Blick auf die nächsten drei Jahre wollen 80 Prozent der emotional Hochgebundenen ihrem aktuellen Arbeitgeber treu bleiben, bei den inneren Kündigern nur noch 34 Prozent. Generell wollen von den emotional ungebundenen Mitarbeitern nur 21 Prozent bei ihrem derzeitigen Arbeitgeber Karriere machen. Bei denjenigen mit hoher emotionaler Bindung sind es 65 Prozent.
Die Folgen dieser ungewollten Fluktuation bringen laut Studie erhebliche finanzielle Kosten mit sich, und zwar vom Aufwand für Neuausschreibung, Auswahlverfahren und Einarbeitung bis hin zum Know how-Verlust und Kundenabwanderung durch häufige Wechsel der Ansprechpartner.
Reduziert beispielsweise ein Unternehmen mit 2.000 Mitarbeitern den Anteil seiner Beschäftigten ohne emotionale Bindung um fünf Prozentpunkte und erhöht gleichzeitig die Anzahl seiner Mitarbeiter mit hoher emotionaler Bindung um den gleichen Anteil, würden sich seine Kosten durch die geringere Fluktuation um rund 420.000 Euro minimieren.
Gerade für Unternehmen, deren Geschäft auf Beratung, Service und Dienstleistungen basiert, sind emotional gebundene Mitarbeiter demnach immens wichtig. Immerhin 70 Prozent aller Beschäftigten haben laut Gallup einen Job mit direktem Kundenkontakt, davon 90 Prozent mehrmals pro Woche.
Ausgebrannt
„Defizite im Arbeitsumfeld durch schlechte Führung wirken sich aber nicht nur negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen aus, sondern auch auf die Mitarbeiter selbst“, erklärt Nink. Die Frage „Hatten Sie in den letzten 30 Tagen das Gefühl, auf Grund von Arbeitsstress innerlich ausgebrannt zu sein?“ bejahten 58 Prozent der emotional ungebundenen Mitarbeiter, aber nur 29 Prozent derjenigen mit hoher emotionaler Bindung.
Schlechte Führung stresst
Die überwiegend negativen Gefühle wirkten sich auch auf das soziale Umfeld aus: 42 Prozent der emotional ungebundenen Mitarbeiter, aber nur 13 Prozent der emotional Hochgebundenen, hätten in den vergangenen 30 Tagen drei oder mehr Tage gehabt, an denen sie sich auf Grund von Arbeitsstress schlecht gegenüber ihrer Familie oder ihren Freunden verhalten hatten.
"Die Zahlen sind erschreckend, denn Unternehmen sollten ein großes Interesse daran haben, dass ihre Mitarbeiter langfristig gesund und damit leistungsfähig sind", resümiert Marco Nink. "Positiv stimmt, dass ein Viertel der Arbeitnehmer voll und ganz der Meinung ist, dass ihr Arbeitgeber sich für ihr allgemeines Wohlergehen interessiert."
Der Boss muss Vorbild sein
Mehr als die Hälfte aller Unternehmen bietet zum Beispiel Programme zur Gesundheitsförderung an, aber lediglich 40 Prozent der Beschäftigten nutzen diese Angebote. "Wir sehen hierbei die Führungskräfte in einer Vorbildfunktion", sagt Nink. "Denn erst wenn die Führungskräfte die angebotenen Programme selbst nutzen oder zumindest aktiv fördern, regt dies auch die übrigen Mitarbeitern zur Teilnahme an."
Seit dem Jahr 2001 erstellt Gallup jährlich anhand von zwölf Fragen zum Arbeitsplatz die Studie. Ziel ist, zu ermitteln, wie hoch der Grad der emotionalen Bindung und damit das Engagement und die Motivation der Mitarbeiter bei der Arbeit ist. Für die jüngste Untersuchung wurden insgesamt 1.368 zufällig ausgewählte Arbeitnehmer ab 18 Jahren telefonisch interviewt. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die Arbeitnehmerschaft in Deutschland.
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