Dieser Praxisfall wurde für den beteiligten Praxisverantwortlichen zu einer Art Weckruf, da er, wie offenbar viele seiner Kollegen, von einer mehr oder weniger bewältigten Finanz- und Bankenkrise ausging.
Siegmar A. lässt auf seine Hausbank, eine größere Kreditgenossenschaft, nichts kommen. Er hält der Volksbank seit seiner dortigen Kontoeröffnung vor mehr als fünfzehn Jahren die Treue, da sie ihm in der damaligen Eröffnungsphase seiner Praxis komplikationslos Darlehen zur Verfügung stellte, von denen andere Banken nichts wissen wollten.
Mittlerweile hat sich die Praxis von A. weit überdurchschnittlich entwickelt: Aus ehemals zwei Mitarbeiterinnen wurden fünf Fachkräfte, die vor allem aufgrund ihrer "Patientenorientierung und zuverlässigen Arbeit“ - wie A. gern für sein Team wirbt - dafür sorgten, dass während der vergangenen Jahre sowohl beim Umsatz als auch beim Ertrag erheblich zugelegt werden konnte.
Keine kritische Bestandsaufnahme
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass A. längst zu den bevorzugten Kunden seines Bankgeschäftspartners gehört. Dies hat unter anderem zur Folge, dass er regelmäßig eingeladen wird, wenn das Kreditinstitut Veranstaltungen ausrichtet, die sich meist um Wirtschaftsthemen drehen und die A. als eigentlich stets angenehme Abende empfand.
Umso überraschter war er, als er während der letzten Veranstaltung vor einigen Wochen vergeblich, so wie eigentlich angekündigt, auf eine bankseitig verbale Aufarbeitung der nach wie vor bestehenden Finanzkrise wartete. Seine Verwunderung war umso größer, da die Veranstaltung unter das Motto "Die Finanzkrise als Chance für Mittelstand und Freie Berufe“ gestellt wurde.
Während des Vortrags des Vorstandsvorsitzenden der Volksbank als Hauptredner des Abends sprach dieser nicht ein einziges Mal über die Auslöser der Krise, sondern vor allem über allgemeine Prognosen zur Zinsentwicklung sowie zu Erwartungen in angebliche Zukunftsmärkte. Auch in den Einzelgesprächen im Anschluss an diesen Vortrag wurde die Verantwortung für die derzeitige Situation immer nur dann thematisiert, wenn A. hartnäckig nachfragte.
Skeptischer Steuerberater
Während der Nacharbeit zu dieser Veranstaltung erinnerte sich A. an ein kürzlich geführtes, ausführliches Gespräch mit seinem Steuerberater, der ihm zur Finanzkrise auch seine Sicht der Dinge darstellte. Er sprach nicht nur von einem "hohen Maß an Mitverantwortung der Bankinstitute“ für diese Krise, sondern auf der anderen Seite auch von "negativen Auswirkungen bezüglich des Kundenvertrauens, die jene Bankinstitute betreffen, die ihr Kreditgeschäft bisher verantwortungsbewusst betrieben haben und nach wie vor betreiben“.
Darüber hinaus, das teilte er A. außerdem mit, berät er einige Mandanten, die während der vergangenen Jahre mehrere Zinserhöhungen bei Geschäftskrediten mit dem lapidaren Hinweis hinnehmen mussten, die jeweilige Bank folge damit lediglich den "individuellen Risikoeinschätzungen des jeweiligen Kunden“.
Ebenfalls erhielt der Steuerberater Hinweise auf bankseitig strengere Auflagen an seine Mandanten bei der Bewilligung neuer Kredite. Auch hier wurde wie bei der beschriebenen Kundenveranstaltung die Finanzkrise mit keinem Satz als eventueller Grund dieser Maßnahmen erwähnt.
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