Enttäuschung über GVSG-Entwurf

Wieder keine Regulierung von iMVZ

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Politik
Anders als wiederholt angekündigt, findet sich auch im jüngsten Entwurf für ein Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) keine Passage zur strengeren Regulierung investorenbetriebener Medizinischer Versorgungszentren (iMVZ). Seinem Namen werde das Gesetz damit nicht gerecht, kritisiert die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV).

Dass Fremdinvestoren sich immer stärker in der vertragszahnärztlichen Versorgung ausbreiten, zeigt eine Analyse, die die KZBV im April 2024 veröffentlicht hat. Demnach befand sich fast jedes dritte zahnmedizinische MVZ zum Stichtag am 31. Dezember 2023 in Investorenhand. Mit der Ausbreitung von iMVZ gehen aus Sicht der KZBV erhebliche Gefahren für die Patientenversorgung einher. Insbesondere zeige die aktuelle Versorgungsstatistik, dass iMVZ immer noch keinen nennenswerten Beitrag zur Versorgung in strukturschwachen, ländlichen Gebieten leisteten.

Denn: 79 Prozent der iMVZ siedeln sich laut Statistik in den Städten an. Diese Fehlentwicklung werde mit dem neuen GVSG-Entwurf nicht wirkungsvoll eingedämmt. „Hierfür wäre eine räumliche und vor allem fachliche Gründungsbeschränkung von iMVZ absolut unerlässlich“, merkt die KZBV in ihrer Stellungnahme zu dem Referentenentwurf an. Sinnvoll wären zudem MVZ-Register auf Bundes- und Landesebene, die Transparenz über die Inhaber- und Beteiligungsstrukturen, insbesondere von iMVZ, schaffen. Auch auf dem Praxisschild sollte die Inhaberstruktur deutlich zu erkennen sein.

Die angekündigte Regelung wurde mehrfach aufgeschoben

Besonders groß ist das Unverständnis der Berufsvertretung für das Fehlen entsprechender Maßnahmen, weil Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in der Vergangenheit wiederholt angekündigt hatte, iMVZ stärker zu regulieren zu wollen. So hatte der Minister der „Bild am Sonntag“ bereits im Dezember 2022 gesagt: „Ich schiebe einen Riegel davor, dass Investoren mit absoluter Profitgier Arztpraxen aufkaufen.“ Entsprechende gesetzliche Regelungen sollten im Laufe des Jahres 2023 im Zuge der zwei großen GVSG-Sammelgesetze – auch als Versorgungsgesetze bezeichnet – folgen. Diese wurden jedoch immer wieder geschoben. Im Juni 2023 wurde schließlich ein nicht-offizieller Referentenentwurf für das Versorgungsgesetz I bekannt, in dem Vorschläge zur Regulierung von iMVZ fehlten. Das war auch in zwei weiteren inoffiziellen Entwürfen, die im Januar und im März 2024 an die Öffentlichkeit gelangten, der Fall und blieb im nun offiziellen Referentenentwurf unverändert.

Auch das kritisiert die KZBV am aktuellen Entwurf: Nach wie vor seien keine Maßnahmen vorgesehen, um der Versorgung die finanziellen Mittel für dringend erforderliche zahnmedizinische Präventionsleistungen bereitzustellen. „Die Volkskrankheit Parodontitis, an der rund 30 Millionen Menschen leiden, nachhaltig zu bekämpfen, wird somit erheblich erschwert. Die mit einer unbehandelten Parodontitis einhergehenden, immens hohen Folgekosten für das Gesundheitssystem wirken zudem einer Stabilisierung der GKV-Ausgaben entgegen“, moniert die KZBV in ihrem Statement. Stattdessen blieben dringende versorgungspolitische Probleme weiterhin ungelöst.

Warum iMVZ die Patientenversorgung gefährden

  • Kaum iMVZ im ländlichen und strukturschwachen Raum: iMVZ siedeln sich vor allem in Großstädten und Ballungsräumen mit überdurchschnittlichen Einkommen an, die häufig einen hohen zahnärztlichen Versorgungsgrad aufweisen. Zur Versorgung in strukturschwachen, zumeist ländlichen Gebieten leisten sie dagegen keinen nennenswerten Beitrag.

  • Tendenz zur Über- und Fehlversorgung: Die Abrechnungsdaten belegen eine Tendenz zu Über- und Fehlversorgungen in iMVZ gegenüber den bewährten Praxisformen.

  • Geringer Beitrag zur Versorgung vulnerabler Patientengruppen: An der Versorgung von Pflegebedürftigen, von Menschen mit Behinderung im Rahmen der aufsuchenden Versorgung und von Kindern und Jugendlichen mit präventiven Leistungen der Individualprophylaxe nehmen iMVZ kaum teil.

  • Gefahr von iMVZ-Großstrukturen: Durch größere Kettenbildungen steigt die Gefahr von regionalen Versorgungslücken im Fall von Insolvenzen mit gravierenden Folgen für Patientinnen und Patienten. Da die zahnmedizinische Versorgung fast ausschließlich ambulant erbracht wird und damit gänzlich anders gelagert ist als die Versorgung im ärztlichen Bereich, gibt es auch keine flächendeckenden stationären Versorgungsstrukturen, die den Ausfall ambulanter Strukturen zumindest partiell auffangen könnten.

  • Keine ausreichende Transparenz über Inhaberstrukturen: Die hinter iMVZ stehenden Eigentümer- und Beteiligungsstrukturen sind häufig sehr verschachtelt und können durch die bestehenden Register nicht ausreichend nachvollzogen werden.

Wie soll das entkernte Gesetz die Versorgung verbessern?

Überraschend: Bisher zentrale Elemente des Versorgungsgesetzes I wurden gestrichen. Dazu gehören neben den sogenannten Gesundheitsregionen und Primärversorgungszentren auch die Gesundheitskioske. Insbesondere letztere sah der Koalitionspartner FDP kritisch, da dadurch kostspielige und unnötige Doppelstrukturen drohten. Diese Bedenken teilten viele ärztliche und zahnärztliche Verbände.

Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen, hob eine weitere Veränderung zu den vorangegangenen Versionen des GVSG hervor: „Es ist gut, dass in dem nun offiziellen Referentenentwurf des GVSG auf die Finanzierung zusätzlicher Medizinstudienplätze durch die Krankenkassen verzichtet wird.“ Auch der Verzicht auf die Gesundheitskioske sei die richtige Entscheidung. „Aufgaben der allgemeinen Daseinsfürsorge, für die der Staat aufzukommen hat, dürfen nicht den Versicherten und Arbeitgebern in der gesetzlichen Krankenversicherung aufgebürdet werden“, so Elsner. Dem stimmte Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, zu. Gleichzeitig merkte sie an, dass leider auch alle vielversprechenden neuen Versorgungsansätze aus dem Gesetzesentwurf gestrichen worden seien. Aus Sicht des AOK-Bundesverbands sollten die Gesundheitsregionen und Primärversorgungszentren „als sinnvolle und zukunftsweisende Ansätze auf jeden Fall Bestandteil des Gesetzes bleiben. Andernfalls bliebe von den ursprünglichen Plänen im Wesentlichen eine hausärztliche Honorarreform übrig, die keine wirkliche Verbesserung der Versorgung bringen wird“.

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