Agenda für ein starkes Selbstbewusstsein
Anfang 2014 begann die Arbeit unter der Federführung von Bundeszahnärztekammer und Kassenzahnärztlicher Bundesvereinigung. Man traf sich in unterschiedlichen Zusammensetzungen. Insgesamt bestand die Arbeitsgruppe aus 29 Mitgliedern, wie auf der letzten Seite der Agenda zu lesen ist. Die gemeinsame Überzeugung der Beteiligten war: Wir haben viel vorzuweisen.
Die Zahnärzteschaft kümmert sich seit Langem um die Qualitätsförderung der zahnmedizinischen Versorgung. Sie tut das mit großem Erfolg. Ständig kommen neue Konzepte und Aktivitäten hinzu. Es wird immer mehr. Während die letzte Agenda aus dem Jahr 2004 noch von einem defensiven Grundton bestimmt wurde, besteht heute die allgemeine Überzeugung, dass Qualitätsförderung in der Kompetenz der Zahnärzte liegt und von ihr auch sehr effizient betrieben wird.
Die Handlungsempfehlungen, die jetzt erstmals in die Agenda aufgenommen wurden, richten sich daher auch an die Zahnärzteschaft selbst. Sie verweisen auf den Weg, der schon erfolgreich gegangen wurde, und auf den, der vor uns liegt. Der Politik und den Vertragspartnern in der gesetzlich geregelten Versorgung fallen allerdings auch viele Aufgaben zu, die möglichst bald gelöst werden sollten.
Zufriedenheit als Ausgangspunkt
Die zahnärztliche Praxis hat zufriedene Patienten. Das spiegelt sich in wissenschaftlichen Erhebungen wider, die das Erleben der zahnärztlichen Betreuung zum Teil sehr detailliert beschreiben. In der Befragung von Klingenberg [2008] sollte der Patient Auskunft über seine Zustimmung zu dem Satz „Ich habe keinen Grund, einen Wechsel zu einem anderen Zahnarzt in Betracht zu ziehen“ geben. Von den befragten Patienten entschieden sich 83,2 Prozent für die Angabe „Stimme voll und ganz zu“, was die erste Option auf einer fünfstufigen Antwortskala war. Die Autorin der Studie kam angesichts dieses Ergebnisses zu dem Fazit: „Die Gesamtzufriedenheit mit der zahnärztlichen Versorgung war hoch.“
Sie traf diese Schlussfolgerung vor dem Hintergrund, dass bei entsprechenden Befragungen in anderen medizinischen Fachgebieten die Zufriedenheit durchaus etwas geringer ausfällt. Die günstige Bewertung, die Patienten ihrer zahnärztlichen Praxis angedeihen lassen, fordert die Zahnärzteschaft insgesamt heraus. Was immer für die Qualität getan wird, die Zufriedenheit der Patienten muss erhalten und gesichert werden.
Viele Initiativen des Gesetzgebers gehen davon aus, dass ein klinischer Betrieb über große personelle Ressourcen verfügt. Per Gesetz verfügte Handlungs- und Berichterstattungsroutinen zum Zweck der Qualitätssicherung richten sich an Einheiten mit erheblichen personellen Ressourcen. Entsprechende Ressourcen mag es in Kliniken geben, in der zahnmedizinischen Versorgung bestehen sie nicht. Die guten Ergebnisse hinsichtlich der Patientenzufriedenheit werden von Praxen erreicht, die in ihrer überwiegenden Mehrheit immer noch Einzelpraxen sind.
###more### ###title### Die zahnärztliche Praxis - eine kleine Einheit ###title### ###more###
Die zahnärztliche Praxis - eine kleine Einheit
Das wird sich so schnell auch nicht ändern. In den IDZ-Informationen über die zahnärztlichen Existenzgründungen [Klingenberger, 2014] wird dargestellt, welcher Anteil der Neugründungen aus Einzelpraxen besteht. Dieser Anteil liegt zwischen 62 und 70 Prozent. In den Jahren 2011 bis 2013 stieg er sogar wieder. Es wird also in der zahnmedizinischen Versorgung auf absehbare Zeit bei kleinen Einheiten bleiben. Im statistischen Jahrbuch der Bundeszahnärztekammer wird angegeben, wie viele Beschäftigte es je tätigem Zahnarzt gibt. Der Wert liegt bei 4,4.
Alle geplanten Maßnahmen zur Qualitätsförderung in der zahnmedizinischen Versorgung sollten berücksichtigen, dass hier leistungsfähige kleine Einheiten bestehen, die gegenwärtig bei den Patienten auf hohe Zustimmung stoßen. Wenn die Praxis durch realitätsferne Anforderungen überfordert wird, steht viel auf dem Spiel - für die Praxis wie für die Patienten.
Die in der Gesundheitspolitik und ihren Organen vertretene Vorstellung einer Qualitätsstrategie für die medizinische Versorgung geht von drei tragenden Säulen aus: der einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung, dem einrichtungsinternen Qualitätsmanagement und Maßnahmen zur Qualitätstransparenz. Die Institutionen der zahnärztlichen Profession müssen sich der Aufgabe stellen, die abstrakten Anforderungen aus Gesetzen und Richtlinien in der Praxis mit Leben zu erfüllen. Die staatlichen Institutionen sowie die Versorgungsträger haben jedoch auch Pflichten.
Die professionsinternen Institutionen haben in letzter Zeit zahlreiche Qualitätsinitiativen ergriffen. Neue Instrumente der Qualitätsförderung wurden konzipiert und in die Versorgung eingeführt. In Zukunft wird es darauf ankommen, diese Instrumente weiterzuentwickeln und noch besser in die Versorgung zu integrieren.
###more### ###title### Unterschiede in den Sektoren ###title### ###more###
Unterschiede in den Sektoren
Die neue Agenda Qualitätsförderung fußt auf einer sorgfältigen Bestandsaufnahme hinsichtlich der erreichten Versorgungsqualität. Dabei wurden die Unterschiede zwischen der zahnärztlichen und der allgemeinmedizinischen Versorgung herausgearbeitet. Von besonderer Bedeutung ist die Rolle, die der Patient im Hinblick auf seine eigene zahnmedizinische Versorgung hat. Für eine gegebene Befundsituation liegen im Regelfall mehrere wissenschaftlich abgesicherte Therapiealternativen vor. Der Patient hat eine Schlüsselrolle bei der Entscheidung über die adäquate Therapie in seinem Fall.
Die Vorstellung, diesen Vorgang der Entscheidungsfindung durch abstrakte respektive „globale“ Richtlinien zu regeln, würde die Individualität des Patienten leugnen. Diese Besonderheit der zahnmedizinischen Versorgung ist, wie zahlreiche Publikationen belegen, von vielen Akteuren im Gesundheitswesen in der Vergangenheit noch immer nicht verstanden worden. Qualitätsförderung durch die Institutionen der Profession hat sich in den vergangenen Jahren zu einer Selbstverständlichkeit entwickelt.
So ist es gelungen, in den zahnärztlichen Praxen ein strukturiertes und effizientes Qualitätsmanagement (QM) zu implementieren. Voraussetzung für diesen erfolgreichen Schritt waren zahlreiche Initiativen der Berufsorganisationen, ihren Mitgliedern eine eigenständig konzipierte Qualitätsförderung zu ermöglichen, bei der auch die gesetzlichen Bestimmungen umgesetzt werden.
###more### ###title### Kompetenz aus dem Berufsstand ###title### ###more###
Kompetenz aus dem Berufsstand
Auf der Ebene der zahnärztlichen Berufsorganisationen gibt es eine sehr beachtenswerte Weiterentwicklung von Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgungsqualität. So weisen zahnärztliche Qualitätszirkel schon seit 20 Jahren neue Wege auf, fachliche und organisatorische Probleme zu lösen. Das zahnärztliche Gutachterwesen wird durch neue Strukturen in Aus- und Fortbildung immer besser auf die ständig steigenden Anforderungen vorbereitet.
Eine besondere Erfolgsgeschichte ist der Aufbau eines neutralen Beratungsangebots für Patienten durch Zahnärztekammern und KZVen. Durch eine effiziente Struktur und großes ehrenamtliches Engagement ist es den zahnärztlichen Berufsorganisationen gelungen, den Patienten einen bequemen Zugang zu einer „zweiten Meinung“ zu sichern.
Zusammen mit den wissenschaftlichen Fachgesellschaften sind zahlreiche Leitlinienprojekte abgeschlossen respektive auf den Weg gebracht worden. Auch dadurch dokumentiert die Zahnärzteschaft ihre qualitätsfördernde Kompetenz. Eine weitere Erkenntnis ist die, dass die zahnmedizinische Therapie nur sehr wenige Schnittstellen zur allgemeinmedizinischen Versorgung hat. Daher macht es keinen Sinn, die Zahnmedizin den Anforderungen einer sektorenübergreifenden Qualitätssicherung auszusetzen. Entsprechende Maßnahmen sind nicht geeignet, die Qualität in der Praxis zu fördern.
Für den Bereich Qualitätssicherung werden in der „Agenda Qualitätsförderung“ sowohl allgemeine Strategien benannt als auch konkrete Handlungsempfehlungen auf drei Ebenen gegeben: auf der Struktur-, der Prozess- und der Ergebnisebene. Viele dieser Empfehlungen liegen im Verantwortungsbereich der Berufsorganisationen und der Praxis selbst. Als Beispiel sei die Konzeption und Inanspruchnahme neuer Fortbildungsformate genannt.
Mehr und mehr werden Formate angeboten, die über die kognitive Vermittlung von Wissen hinausgehen. Sie unterstützen vielmehr die Teilnehmer dabei, die bestehenden Praxisabläufe zu überprüfen, gegebenenfalls anzupassen oder neue Handlungsoptionen in den Praxisalltag zu integrieren. Besonders effektiv sind diese Formate, wenn das ganze Team der zahnärztlichen Praxis beteiligt ist.
###more### ###title### Nach der Agenda ist vor der Agenda ###title### ###more###
Nach der Agenda ist vor der Agenda
Sehr wahrscheinlich wird der jetzt erschienenen dritten „Agenda Qualitätsförderung“ eine weitere folgen. Der Weg der Zahnärzteschaft, den gesellschaftlichen Anforderungen an die Qualität der medizinischen Versorgung gerecht zu werden, ist von Agenda zu Agenda immer konkreter geworden. In Zukunft wird es darauf ankommen, dass die Qualitätsförderungsinitiativen der Berufsorganisationen auch vom einzelnen Zahnarzt als das verstanden werden, was sie eigentlich sind: eine Unterstützung der eigenen Praxis bei der Qualitätssicherung der zahnmedizinischen Versorgung vor Ort, wobei die Zahnmedizin als Ganzes Berücksichtigung findet.
Dabei muss die Zahnmedizin gegen Tendenzen verteidigt werden, die ganze Medizin hinsichtlich der qualitätssichernden Methodik „über einen Kamm zu scheren“. Nur so können Wege gefunden werden, die Qualität der zahn-medizinischen Versorgung im Einklang mit allen, die dafür Verantwortung tragen, erfolgreich weiterzuentwickeln. Wenn dies gelingt, werden auch die nächste Arbeitsgruppen für die Bereiche Qualitätsförderung und -sicherung, die vermutlich in zehn Jahren ihre Arbeit aufnehmen werden, mit Freude bei der Arbeit sein.
Prof. Dr. Winfried WaltherDirektor der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung76135 Karlsruhe