126. Deutscher Ärztetag in Bremen

Bei der Pandemiebekämpfung das Wohl der Kinder in den Blick nehmen

pr
Der Deutsche Ärztetag fordert dazu auf, bei der Pandemiebekämpfung das Wohl von Kindern und Jugendlichen mehr zu berücksichtigen. Weiteren Themen waren die Approbationsordnung und Nachwuchsförderung.

Bereits vorhandene Problemlagen von Kindern und Jugendlichen wurden im Verlauf der Corona-Pandemie verstärkt und medizinische Versorgungslücken deutlicher sichtbar, führten die Abgeordneten des 126. Deutschen Ärztetages bei ihren diesjährigen Beratungen in Bremen an. Vor allem würden die psychosozialen Folgen der Pandemie für Kinder und Jugendliche auch noch in den nächsten Jahren Spuren hinterlassen.

Monatelang fehlender Präsenzunterricht, Homeschooling, die Reduzierung beziehungsweise das Verbot von Sport- und Freizeitangeboten und hieraus resultierender übermäßiger Medienkonsum, Änderungen im Ernährungs- und Bewegungsverhalten, die Auseinandersetzung mit Tod und Krankheit von Angehörigen, aber auch Arbeitsplatzverlust und existenzielle Ängste der Eltern hätten und haben einen starken, negativen Einfluss auf die Entwicklung von Heranwachsenden, hieß es.

Die Warnung: Ängste und depressive Symptome nehmen zu

Studien belegten den Ärztevertretern zufolge bereits eine deutliche Zunahme psychischer Auffälligkeiten und Erkrankungen in dieser Altersgruppe (vgl. COPSY-Studie). Dazu zählten Ängste, depressive Symptome bis hin zu Essstörungen, Suchtproblemen, diverse Entwicklungsdefizite und Suizidalität. Die Belastungen für Kinder und Jugendliche seien zusätzlich in Abhängigkeit des sozioökonomischen Status mehr oder weniger stark ausgeprägt und können soziale Ungleichheiten weiter verstärken.

Dringend forderten die Abgeordneten die Politik dazu auf, bei allen künftigen Maßnahmen der Pandemiebekämpfung das Wohl von Kindern und Jugendlichen ganzheitlich in den Blick zu nehmen und zu berücksichtigen. Flächendeckende Schließungen von Kindertageseinrichtungen und Schulen müssten künftig vermieden und dürften überhaupt nur in extremen Krisensituationen in Erwägung gezogen werden. Die komplexen Folgen müssten auch durch ein entsprechend komplexes Maßnahmenpaket auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene unter Einbezug medizinischer Expertise aufgefangen und vom Staat vollumfänglich und nachhaltig finanziert werden.

Das Ärzteparlament fasste bei seinen Beratungen außerdem eine Vielzahl von Beschlüssen. Hier eine Auswahl der Schwerpunktthemen:

  • Approbationsordnung rasch novellieren:Die Ärzte forderten das Bundesministerium für Gesundheit zur Wiederaufnahme der Novellierung der Approbationsordnung auf. Nur so könnten Ärztinnen und Ärzte nach dem aktuellen Kenntnisstand ausgebildet werden. Ein Kernelement bilde dabei die Stärkung der Lehre. Diese müsse aber auch ausreichend finanziert werden – ebenso wie weitere Strukturveränderungen. Die Abgeordneten kritisierten, dass auch fünf Jahre nach der Verabschiedung des Masterplans Medizinstudium 2020 noch kein entsprechender Gesetzesentwurf vorliege. Da auch der Bundesrat über die neue Approbationsordnung entscheide und die Universitäten die neuen Strukturen einführen müssten, sei ihr geplantes Inkrafttreten im Jahr 2025 gefährdet.

  • Mehr Studienplätze:Die Ärzte appellierten an die Bundesländer, die Zahl der Medizinstudienplätze um mindestens 6.000 zu erhöhen. Dies sei notwendig, um den steigenden Versorgungsbedarf in einer Gesellschaft des langen Lebens zu decken. Zudem stehe die Ärzteschaft in Deutschland vor einer enormen Ruhestandswelle. Rund 20 Prozent der Ärztinnen und Ärzte würden in den kommenden Jahren altersbedingt ausscheiden. Unter den Kinder- und Jugendärzten würden zwischen 2020 und 2025 sogar ein Viertel in den Ruhestand gehen.

  • Konsequente Nachwuchsförderung und Neugestaltung der Rahmenbedingungen für ärztliche Arbeit:Dies sei Voraussetzung dafür, um möglichst viele Ärztinnen und Ärzte in der Patientenversorgung zu halten. Dafür sei es erforderlich, die Zusammenarbeit von Praxen, Kliniken und anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens neu zu gestalten und enger zu vernetzen

  • Mehr Wertschätzung für Medizinische Fachangestellte (MFA):Mit mehreren Beschlüssen und Beiträgen zum Thema verdeutlichten die Abgeordneten gegenüber Politik und Öffentlichkeit die wichtige Rolle der MFA für die Gesellschaft und für die Patienten in den Arztpraxen. Sie forderten unter anderem, den Coronabonus endlich auch auf die MFA auszuweiten. Das Bundesgesundheitsministerium wurde zu einer bundesweiten Imagekampagne zur Bewerbung des Berufsbildes MFA aufgefordert.

  • Streichung der Homöopathie aus der (Muster-)Weiterbildungsordnung:Die Abgeordneten beschlossen, die Zusatzbezeichnung Homöopathie aus der (Muster-)Weiterbildungsordnung (MWBO) zu streichen. Wissenschaftliche Studien, die einen evidenzbasierten Einsatz der Homöopathie belegen, fehlten, hieß es zur Begründung. Damit fehlten auch die Grundsätze, nach denen in einem kollegialen Gespräch der Wissenserwerb in der Weiterbildung überprüft werden könne. Aktuell hätten sich bereits 13 von 17 Landesärztekammern entschieden, die Zusatzbezeichnung nicht in das Landesrecht zu übernehmen

  • Strukturen des Gesundheitswesens „am Menschen ausrichten”:In seinem Leitantrag fasste das Ärzteparlament sein zentrales Anliegen an die Politik zusammen. Bei den anstehenden Reformen im Gesundheitswesen müsse immer der Mensch der Maßstab des politischen Handelns sein. Die Ausgestaltung der ambulanten und stationären Versorgungsstrukturen, die Versorgungsplanung, die Vergütung sowie die digitale und personelle Vernetzung der Versorgungsbereiche müssten sich an dem tatsächlichen Bedarf der Patienten orientieren und nicht ausschließlich an ökonomischen Parametern oder an einem überkommenen Sektorendenken ausrichten.

Der 126. Deutsche Ärztetag tagt vom 24. bis 27. Mai 2022 in Bremen.

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