Offene Immobilienfonds

Dinosaurier mit Renditerisiko

Offene Immobilienfonds sind und waren in der Börsenbaisse der Anlagerenner. Denn hier gab es kaum oder gar keine Kursverluste. Doch es droht ein böses Erwachen, wenn die Gesellschaften zur Steuerkasse gebeten werden.

Ohne viel Aufhebens zählen die Offenen Immobilienfonds zu den Dinosauriern der Geldanlage. Vor allem, wenn an den Aktienbörsen Baisse herrscht, schaufeln die Geldanleger Milliarden von Euro in das Verdauungssystem dieser Investitionsgiganten. Und das ohne große Werbeanimation. Denn Offene Immobilienfonds sind für Anlagestrategen, die von der Offensive in die Defensive wechseln, eine sichere Burg: Das Geld wandert in Fonds, die es überwiegend in renditeträchtigen Gewerbeimmobilien zur Arbeit schicken. Hier ist es weitgehend vor Wertverfall, Inflation und vor stark schwankenden Kursen geschützt.

Im Börsenbaissejahr 2001 flossen 7,3 Milliarden Euro in die Offenen Immobilienfonds, im Börsenstressjahr 2002 sogar 14,9 Milliarden Euro – während auf dem Haussehöhepunkt im Jahr 2000 knapp drei Milliarden Euro abgezogen und weitgehend in Aktien umgetauscht wurden. Im November 2002 warteten bei den deutschen Immobilienfonds rund 17 Milliarden Euro auf Anlage. Die deutschen Fonds zählen mittlerweile zu den größten Immobilien-Investoren im europäischen Ausland, vor allem in Großbritannien und in Frankreich.

Zwischen einem Offenen und einem Geschlossenen Immobilienfonds besteht ein gravierender Unterschied: Ein offener Fonds nimmt unbegrenzt Kapital an und wandelt es in Fondsanteile um. Ein geschlossener Fonds nimmt von den interessierten Investoren nur so viel Kapital auf, wie er für die Errichtung eines konkreten Gebäudes benötigt. Die Anteile an Offenen Immobilienfonds sind frei handelbar. Die Anteile an geschlossenen Immobilienfonds sind, wenn überhaupt, zumeist nur unter der Hand zu Schätzpreisen verkäuflich.

Wertschätzung

Die Anteilspreise der knapp 20 in Deutschland angebotenen Offenen Immobilienfonds werden börsentäglich oder periodisch im Wirtschaftsteil der großen Tageszeitungen wie auch in den einschlägigen Wirtschafts- und Börsenmagazinen veröffentlicht. Anders als bei Aktienfonds wird der Anteilspreis nicht auf der Grundlage der aktuellen Aktienkurse des Fondsvermögens berechnet. Die Preisangabe basiert vielmehr überwiegend auf Wertgutachten. Diese berücksichtigen im Wesentlichen die Mietrendite, den Standort, die Qualität der Mieter mit ihren Mietverträgen und den Bauzustand. In die Wertschätzung geht selbstverständlich viel Goodwill ein. Selbst wenn am Markt für Großimmobilien die Kauf- und Verkaufspreise stark schwanken, nach oben wie nach unten, schlägt dies – anders als bei Aktienfonds – auf die Fondskurse kaum durch.

Aber nicht nur aus diesem Grund stellt sich die Frage: Wie realistisch, wie glaubwürdig sind die Anteilspreise der Offenen Immobilienfonds? Denn fast alle deutschen Fondsgesellschaften, auch die alteingesessenen, die sich auf die Immobilienanlage spezialisiert haben, sind mit einem Gutteil, viele sogar mit einem Großteil ihres Fondsvermögens, ins Ausland abgewandert. Seit Sommer 2002 erlaubt das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz den Fondsmanagern, nicht nur europaweit Anlagechancen zu suchen. Jetzt dürfen deutsche Fonds auch weltweit Immobilienobjekte erwerben und ihr Publikum auf breitester Ebene am Renditeerfolg beteiligen.

Die Ausweitung der Aktivitäten ins Ausland war lebensnotwendig für die deutschen Fondsbetreiber. Denn hier zu Lande gab und gibt es kaum noch Standorte allererster Güte und erst recht nicht zu Grundstückspreisen, die Gewerbeimmobilien für die Geldgeber noch renditeträchtig machen. Da auch in Zukunft in Deutschland nicht mit nennenswertem Wirtschaftswachstum zu rechnen ist, lenken die deutschen Immobilienfonds das Anlegergeld lieber dorthin, wo die Wirtschaft nicht lahmt: nach London, nach Paris, in die irische Hauptstadt Dublin, nach Madrid, Helsinki oder Brüssel, wo die wuchernde EU-Bürokratie immerfort Verwaltungsgebäude sucht.

Vitales Ausland

Im Ausland ist der Markt für Gewerbeimmobilien in aller Regel viel vitaler und lebhafter als in Deutschland. Die Orientierung ins Ausland bringt nicht nur bessere Renditechancen bei einer breiteren Streuung des Risikos. Die Objekte selbst, vor allem die erstklassigen, kommen jenseits der deutschen Grenzen viel häufiger auf den Markt. Daraus ergeben sich für die Fondsgesellschaften schnell zu realisierende Anschaffungen, durch die das Geld der Investoren relativ rasch dem intendierten Anlageziel zugeführt wird. In der Vergangenheit nämlich wussten viele Offene Immobilienfonds mangels Gelegenheiten nicht, wohin mit dem vielen Anlagegeld. Sie parkten einen Großteil der zufließenden Mittel auf niedrig verzinste Festgeldkonten oder in Kurzläufer am Rentenmarkt. Zuweilen ähnelten beliebte Fonds mehr einem Rentenfonds als einem Offenen Immobilienfonds.

Umgekehrt ergibt sich aus schnell realisierbaren Objektverkäufen die Möglichkeit, Verkaufsgewinne zu realisieren. Denn nicht die Mieteinnahmen, von denen noch die Kosten für die Verwaltung und Erhaltung der Objekte wie auch für das Fondsmanagement abgezogen werden, füttern die Renditen werbeträchtig über den Durchschnitt hinaus. Es sind die spekulativ erwirtschafteten Verkaufsgewinne, die den doch recht mageren Fondsrenditen von im Schnitt vier Prozent den gewünschten Schub nach oben geben – und zwar über fünf Prozent hinaus in Richtung sieben Prozent. Mit einem Wertzuwachs von 7,3 Prozent im Jahr 2002 ist der noch recht junge, aber zu 100 Prozent im Ausland (davon zu 66 Prozent in den USA) engagierte Grundinvest Fonds der logische Renditespitzenreiter.

Doch anders als in Deutschland, wo für Privatanleger die Spekulationsgewinne aus Immobilienverkäufen steuerfrei sind (waren), müssen in den meisten europäischen Staaten und auch in den USA solche Gewinne mehr oder minder hoch versteuert werden, und zwar direkt von den juristischen Eigentümern der Objekte. Das aber sind die Fondsgesellschaften. Diese müssten eigentlich Rückstellungen für ihre Verkaufsgewinne im Ausland bilden, um daraus die allfälligen Steuern zu bezahlen. Diese Rückstellungen werden vom Fondsvermögen abgezogen. Sie sind somit aus der Vermögensmasse und deren Wertzuwachs ausgeklammert, was den Fondspreis und damit auch die Jahresrendite nicht unbeträchtlich reduziert. Wenn ein Fonds erstmals die Rückstellungen voll bedient, würde nach einer Einschätzung des unabhängigen und erfahrenen Fondsanalysten Stefan Loipfinger eine Jahresrendite mit einem Schlag um mehr als zwei Prozentpunkte gekappt.

Eine simple Beispielrechnung, bezogen auf ein einziges konkretes Objekt: Ein Fonds kaufte 1994 in den USA ein Gewerbeobjekt für zehn Millionen US-Dollar. Er verkaufte es im Jahr 2002 für 15 Millionen US-Dollar, also mit fünf Millionen Dollar oder 50 Prozent Gewinn. Zu versteuern ist in den USA, wie allgemein üblich, der Veräußerungsgewinn abzüglich Restbuchwert des Kaufpreises. Der Restbuchwert berücksichtigt die jährlichen Abschreibungen in Höhe von 2,5 Prozent vom Kaufpreis. Bei einer Haltedauer von acht Jahren beträgt der Restbuchwert bei einem Kaufpreis von zehn Millionen Dollar 8,2 Millionen Dollar. Zu versteuern wären 6,8 Millionen Dollar, und das mit 42 Prozent. An Steuern wären somit 2,8 Millionen Dollar fällig.

Steuerverhältnisse

Bei einer Million gezeichneten Fondsanteilen schlägt beispielsweise der gewinnträchtige Verkauf ohne Steuerrückstellung mit einem Fondspreis von 15 Dollar zu Buche; unter Berücksichtigung der Steuern beträgt der Fondspreis allerdings nur 12,20 Dollar. Daraus ergibt sich eine Differenz von 23 Prozent. Mit anderen Worten: Um diesen Prozentsatz weicht ein im Ausland engagierter Immobilienfonds von der Realität ab, wenn er stur die deutschen Steuerverhältnisse der Vergangenheit fortschreibt; das heißt, keine Steuerzahlungen auf Verkaufsgewinne berücksichtigt.

Gewiss: Die USA bieten bei der Besteuerung von Immobiliengewinnen ein Extrembeispiel. Doch in den maßgeblichen Ländern Europas weichen die Abschreibungs- und Steuersätze gar nicht weit von den amerikanischen ab.

Frankreich:vier Prozent jährliche Abschreibung und 34 Prozent Steuern auf den Verkaufsgewinn

Spanien:zwei Prozent respektive 35 Prozent

Belgien:drei Prozent respektive 33,99 Prozent

Schweden:zwei Prozent respektive 28 Prozent

• InGroßbritannienfallen für Ausländer keine Steuern auf Verkaufsgewinne aus Immobilien an.

• In denNiederlandenwird die Besteuerung gerade geändert.

Bislang noch fehlen verbindliche Vorschriften, ob und wie Offene Immobilienfonds Rückstellungen für die Versteuerung von Verkaufsgewinnen beim Fondsvermögen zu berücksichtigen haben. Der Gesetzgeber, ohnehin nicht besonders sachkundig in Sachen Geldanlage, hat bei der Formulierung des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes, mit dem er den deutschen Fondsgesellschaften den Weg ins Ausland ebnete, eine gesetzliche Regelung im Hinblick auf Steuerrückstellungen offenbar vergessen. Kein Wunder daher, dass bei der freihändigen Regelung der Rückstellungsfrage unter den Fondsgesellschaften ein wahres Durcheinander herrscht. Realistische Renditevergleiche sind nicht mehr möglich.

Fonds, die gezielt nur im Ausland anlegen, weisen die Rücklagen für Steuerzahlungen gemäß den erzielten Wertsteigerungen in voller Höhe aus und sind damit realistisch bewertet. Hier stimmen die Renditeangaben. Das Gleiche gilt für den Grundbesitz Invest der Deutschen Bank mit einem Auslandsanteil von derzeit 24 Prozent. Auch der Difa Fonds Nummer 1 (Auslandsanteil: 28 Prozent) und der Difa Grund (Auslandsanteil: knapp 49 Prozent) rechnen fair ab. Bei den Offenen Immobilienfonds der Sparkassen (Deka) findet eine Steuerrückstellung in voller Höhe statt, aber abgezinst über zehn Jahre.

Mit Rückstellungen in Höhe von 58 Prozent der zu erwartenden Steuerlast, abgezinst über zehn Jahre, operieren der CS Euroreal (Auslandsanteil: 49 Prozent) und der CS-WV Immofonds (Auslandsanteil: 49 Prozent). Hier besteht die Gefahr, dass die Rückstellungen nicht ausreichen. Der Interselect von Westinvest stellt 25 Prozent der Steuern auf Verkaufsgewinne zurück, was bei einem Auslandsanteil von 66 Prozent womöglich ebenfalls viel zu wenig ist. Der Grundwertfonds der Degi (Dresdner Bank und Allianz Versicherung) bildet bei einem Auslandsanteil von derzeit 13,5 Prozent keinerlei Rückstellungen für Steuerzahlungen im Ausland. Der große Hausinvest (Inventarwert: rund zehn Milliarden Euro; Mutterbank: Commerzbank) hat immerhin schon rund 74 Prozent seines Anlagekapitals ins Ausland verlagert. Dieser Publikumsliebling (Rendite 2002: 5,5 Prozent) verweigert aber jegliche Angaben zu den renditerelevanten Steuerrückstellungen.

Ein Renditewunder ist auch bei zunehmender Auslandsorientierung von den Offenen deutschen Immobilienfonds nicht zu erwarten. Ein Steuersparvehikel waren diese Fonds nur in begrenztem Maße. Die Nettomieterträge mussten bislang voll versteuert werden. Nur die Verkaufsgewinne aus rein deutschen Objekten waren von Steuern befreit. Da aber in Deutschland die Umschlaggeschwindigkeit von gewerblichen Großimmobilien relativ gering ist, fiel im Schnitt der steuerfreie Renditeanteil nicht sonderlich hoch aus. Wie die Besteuerung nach Verabschiedung der in Planung befindlichen neuen Steuergesetze ausfallen wird, ist aufgrund der neuen politischen Lage vorerst völlig ungewiss.

Wie Aktienfonds sind auch Offene Immobilienfonds ein langfristiges Anlageinstrument. Bei Aktienfonds gebietet die Volatilität des Kursverlaufs eine lange Haltedauer, ehe sich über alle Kurskurven hinweg ein deutlicher Durchschnittstrend nach oben zeigt. Bei Offenen Immobilienfonds sind es primär die Kosten, die den Anleger fesseln. Bei einem Ausgabeaufschlag von zumeist fünf Prozent muss in etwa eine Jahresrendite gleich beim Einstieg geopfert werden. Bis dieser „Verlust“ halbwegs wieder wettgemacht ist, gehen viele Jahre ins Land.

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