35. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung

Die Perspektiven in der Zahnerhaltung

Kerstin Albrecht
Mit dem Titel „Zahnerhaltung 2030: Unsicherheiten – Chancen – neue Wege“ wagten die Veranstalter der 35. Jahrestagung der Deutsche Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ) einen Blick in die Zukunft. Vom 18. bis zum 20. November 2021 zeigten die Expertinnen und Experten in Göttingen, dass sich der Trend zu immer weniger invasiven Therapien fortsetzt.

Es war nicht die Kulisse großer Bühnen und Auditorien, die die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der diesjährigen Jahrestagung vor Ort empfing. Die Pandemie zwang zu Kompromissen – man tagte hybrid mit begrenzten Teilnehmerzahlen in Präsenz und zusätzlich online. Eingeladen hatten die DGZ, die Deutsche Gesellschaft für Präventivzahnmedizin (DGPZM), die Deutsche Gesellschaft für Restaurative und Regenerative Zahnerhaltung (DGR²Z) gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft für Zahnmedizin für Menschen mit Behinderungen (AG ZMB) und der Deutschen Gesellschaft für Dentalhygieniker/Innen (DGDH).

Bei den Hauptvorträgen der DGZ ging es in diesem Jahr unter anderem um die Behandlung älterer Menschen, um die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten direkter Kompositrestaurationen und um Möglichkeiten der Pulparegeneration in der Endodontie.

Parallelen zwischen Alters- und Kinder-ZHK

„Wir sind eine vergreisende Gesellschaft“, sagte Prof. Sebastian Paris von der Charité – Universitätsmedizin Berlin zu Beginn seines Vortrags über Wurzelkaries. Bekannt ist, dass diese Kariesform gerade in der älteren Bevölkerung häufig vorkommt, denn hier finden sich freiliegende Wurzel-oberflächen aufgrund parodontalen Gewebeabbaus, häufig kombiniert mit einer Hyposalivation. Zudem kommen alte Menschen weniger häufig in die Zahnarztpraxis.

Paris zog hier eine Parallele zu Kindern: Ähnlich wie Kinder nehmen auch ältere Menschen gerne kariogene Kost zu sich und sind zur Mundhygiene nur eingeschränkt fähig. Warum also nicht auch in der Therapie dieser Patientenklientel von der Kinderzahnheilkunde lernen? Wie Behandlungen in der Kinderzahnheilkunde auf die Fähigkeiten der kleinen Patienten angepasst werden, so müsse analog die Behandlung älterer Menschen an deren Gebrechlichkeit angepasst werden. So könnten auch Kompromiss-Therapien wie die ART (Atraumatic-Restaurative-Technique) in Pflegeheimen in Betracht gezogen werden.

Grundsätzlich sollte Paris zufolge immer versucht werden, eine aktive in eine inaktive Wurzelkaries zu überführen – als Optionen kämen hochfluoridhaltige Zahnpasten (5.000 ppm), hochkonzentrierte Fluoridlacke (> 20.000 ppm) oder Silberdiaminfluorid (SDF > 30 Prozent) in Betracht. Beim invasiven Vorgehen empfahl er die Verwendung von kunststoffverstärktem Glasionomerzement, wenn keine adäquate Trockenlegung möglich ist. Bei interdentaler Wurzelkaries sollten Behandler, gegebenenfalls einen horizontalen Zugang wählen – also keinen klassischen Klasse-II-Zugang von okklusal. Das lasse sich gut mit Ultraschallinstrumenten bewerkstelligen, die die Papille schonen.

Plädoyer für Reparaturen 

Wann werden in der Seitenzahnversorgung noch indirekte Konzepte benötigt? Prof. Dr. Anne-Katrin Lührs von der Medizinischen Hochschule Hannover verwies in ihrem Vortrag auf die S1-Handlungsempfehlungen „Komposit im Seitenzahnbereich“. Auch wenn die Entscheidung – vereinfacht betrachtet – bei kleineren Defekten sicherlich zugunsten von Kompositfüllungen ausfalle und bei sehr großen Defekten zugunsten indirekter Restaurationen, gebe es doch eine „Grauzone“. Anhand vieler Patientenfälle veranschaulichte sie, dass direkte Restaurationen sehr oft möglich sind. Bei 15 Prozent aller Klasse-II-Kavitäten erreichten diese eine Tiefe von acht Millimetern. Matrizen müssten hier modifiziert werden, und Keile können oftmals ersetzt werden durch ein zwischen Matrize und Gingiva kompaktiertes Teflonband. So erreichten Behandler trockene Verhältnisse im tiefen Approximalbereich und auf einen ohnehin schwierig zu legenden Kofferdam kann verzichtet werden. Lührs plädierte für die Reparatur von indirekten Restaurationen, wann immer das möglich ist. Sie empfahl die Kombination von direkten mit indirekten Verfahren, zum Beispiel mit der Proximal Box Elevation (PBE, Kastenelevation). Manchmal sei es nur so machbar, zuvor tief liegende approximale Kästen suffizient abzuformen.

6. DGZ-Tag der Wissenschaft

Einblicke in die aktuelle Hochschulforschung

Vor dem Hauptkongress gaben die Universitätsstandorte einen Überblick über ihre aktuelle Forschungsarbeit. Unter anderem standen neue klinische Untersuchungsmethoden, Erosionsschutz und die Entfernung von Wurzelstiften auf der Agenda.

Eine neue Methode für klinische Untersuchungen von Zahnoberflächen, die 3-D-Oberflächentexturanalyse (3DST), stellte Dr. rer. nat. Ellen Schulz-Kornas, Leiterin des Forschungslabors der Zahnerhaltung der Uniklinik Leipzig, vor. Sie hat dafür Dentin- und Schmelzoberflächen dreidimensional vermessen, darunter Klasse-V-Kavitäten auf Wurzeloberflächen. Mit zunehmender Ausprägung einer kariösen Läsion (gesund, kariös-hart, kariös-ledrig oder kavitiert) zeigte sich die Oberfläche immer vertiefter, poröser und verrundeter. Die in der Zahnmedizin neue Methode ist geeignet, im Rahmen der Kariesdiagnostik Zahnoberflächen zu beurteilen und Veränderungen von Läsionen zu überwachen (Monitoring).

Initiale bakterielle Kontamination und Candida-Anhaftung

Dr. Jasmin Flemming von der Universitätszahnklinik Dresden untersuchte den Einfluss von Zinnfluorid, Zinnchlorid und Polyphenol-Spüllösungen auf die antiadhärenten und erosionsprotektiven Eigenschaften der Pellikel. Die Zinnfluorid-Spülung und eine Kombination aus Zinnfluorid und Tanninsäure reduzierten die initiale bakterielle Kontamination am effektivsten und wirkten erosionsprotektiv.PD Dr. Johanna Dudek vom Universitätsklinikum des Saarlandes erläuterte in ihrem Vortrag, wie über die Pellikel die initiale Anhaftung von Candida albicans an Zahnschmelz verstärkt wird. Der Erreger nutzt offenbar Pellikel-Makromoleküle, um am Zahn anhaften zu können.

Kompromissbehaftet: Die Entfernung von Wurzelstiften

In einer In-vitro-Studie verglich eine Arbeitsgruppe der Zahnerhaltung an der Universitätsmedizin Göttingen die Effektivität von verschiedenen Techniken zur Entfernung von Glasfaserstiften (Sonicflex™ Endo, KaVo, Biberach; Langschaft-Rosenbohrer, Komet, Lemgo; DT Post Removal Kit, VDW, München). Dr. Franziska Haupt stellte die Ergebnisse vor. Alle Methoden hatten ihre Defizite: Sie führten zu Mikrorissen (am meisten bei Verwendung des Removal Kits) und zusätzlichem Dentinabtrag (am meisten die diamantierten Schallspitzen). Der Dentinabtrag korrelierte nicht mit der Entstehung von Mikrorissen. Als bester Kompromiss stellte sich die Verwendung des Langschaft-Rosenbohrers heraus.

Regenerative Konzepte in der Endodontie

PD Dr. Matthias Widbiller aus Regensburg erklärte die Regenerationsmöglichkeiten der Pulpa am jugendlichen Zahn mit Pulpanekrose. Zu den weithin geläufigen Therapien eines Zahnes mit offenem Apex gehören die Apexifikation oder eine apikale Barriere mit einem MTA Plug. Beide Verfahren lassen jedoch einen avitalen Zahn zurück, der sein Wurzelwachstum nicht mehr abschließen wird und bei dem entsprechend dünne, frakturgefährdete Dentinwände verbleiben.

Wenn es allerdings gelänge, eine Zahnpulpa mit ihren biologischen Funktionen wiederherzustellen, könne ein unreifer Zahn in einen reifen mit abgeschlossenem Wurzelwachstum überführt werden, so Widbiller. Er erläuterte das praktische Vorgehen, bei dem mittels apikaler Überinstrumentierung eine Blutung in den Wurzelkanal induziert wird. Auf das Koagulum kommt ein Kollagenschwamm, der mit einem Kalziumsilikatzement abgedeckt wird. Im Laufe von mehreren Monaten kann sich Widbiller zufolge die Pulpa regenerieren oder zumindest ein Reparaturgewebe ausbilden. Weitere Konzepte der Pulparegeneration sind Tissue-Engineering-Verfahren mit Trägermaterialien, Stammzellen oder Signalmolekülen. 

Risse an endodontisch behandelten Zähnen

Prof. Tina Rödig aus Göttingen gab in ihrem Vortrag einen Überblick über die Rissbildungen an endodontisch behandelten Zähnen. Studien zufolge haben wurzelbehandelte Zähne mit Rissen immerhin eine Überlebenswahrscheinlichkeit von gut 84 Prozent nach fünf Jahren [etwa: Leong et al., 2020]. Gerade der innere Dentinbereich könne Kräfte besonders gut abfangen, so Rödig, weshalb dieser Bereich bei einer Wurzelbehandlung möglichst geschont und Wurzelkanäle nicht zu sehr erweitert werden sollten.

Eine erhöhte Sondierungstiefe mit Fistelgang an ansonsten unauffälligen, endodontisch behandelten Zähnen weist auf eine Wurzellängsfraktur hin. Dass solche Frakturen häufig in bukko-lingualer Richtung verlaufen, könnte am sogenannten Butterfly-Effekt liegen. Damit sind Bereiche sklerosierten Dentins in mesio-distaler Ausbreitung gemeint, die eine höhere Mikrohärte aufweisen. Sie stellen sich im Querschnittspräparat einer Zahnwurzel schmetterlingsförmig dar. Aufgrund ihrer höheren Mikrohärte seien diese Bereiche vermutlich resistenter gegenüber Rissen als das Wurzeldentin in bukko-lingualer Richtung, erklärte Rödig.

Bioaktive Materialien und Lichtpolymerisation

Die DGR2Z stellte in ihrem Vortragsblock bioaktive Restaurationsmaterialien vor, zu denen PD Dr. Tobias Tauböck aus Zürich vortrug. Bioaktivität bedeute im Zusammenhang mit Restaurationsmaterialien eine spezifische biologische Reaktion an der Grenzfläche zwischen Material und Gewebe, so Tauböck. Zu den kommerziellen bioaktiven Kompositen zählen die Produktklassen der Alkasite und der Giomere (= Glasionomer + Polymer). Die Giomere bestehen aus in eine Polymermatrix eingebetteten Glasionomer-Derivaten. Aus diesen Glaspartikeln werden Fluorid- und Siliziumionen herausgelöst, die für eine Remineralisation zur Verfügung stehen. Produkte aus der Klasse der Alkasite enthalten als Füllkörper ein patentiertes alkalisches Ca-F-Silikatglas. Dieses könne auf pH-Wert-Änderungen reagieren und beim Säureangriff vor allem Hydroxid freisetzen, aber auch Fluorid und Kalzium. Neben diesen Vorteilen der kommerziellen bioaktiven Komposite seien deren mechanische Eigenschaften noch nicht so gut wie die klassischer Komposite. Zudem wies Tauböck auf die teilweise überzogenen Herstellerversprechen und eine noch unzureichende Datenlage hin.

Die korrekte Lichtpolymerisation sollte heutzutage kein Thema auf Fortbildungsveranstaltungen mehr sein, denn „eigentlich muss man nur die richtige Lampe richtig auf den Zahn halten“, so Prof. Roland Frankenberger aus Marburg. Doch Fallstricke gibt es einige, wie sein Vortrag zeigte. Eine eingeschränkte Polymerisation von Komposit entstehe häufig durch die fehlerhafte Anwendung. Ein Verschwenken, also ein falscher Winkel (Angulation) des Lichtleiters zum Zahn könne schon zu Polymerisationseinbußen insbesondere in tiefen approximalen Kästen führen. Zudem sollten Behandler auf ein gutes Beam Profile achten, also eine hohe Lichtintensität bei großem Abstand und bei maximal großem aktivem Durchmesser der Lichtaustrittsöffnung. Ein weiterer Tipp: Eine Schutzfolie über dem Lichtleiter verhindere, dass Kompositpartikel vorn an der Lichtleiteraustrittsöffnung kleben bleiben, diese so mit der Zeit verunreinigen und die Lichtleistung schwächen.

Behandlungskonzepte für Hochbetagte

Im Vortragsblock der DGPZM sprach Prof. Cornelia Frese aus Heidelberg über präventive Strategien für den demografischen Wandel. Sie stellte die Forschung am Patientengut der 100-Jährigen vor, deren besondere Bedürfnisse generell auf ältere Patienten übertragen werden könnten, obwohl die Gruppe der Senioren natürlich sehr heterogen sei. Sie zeigte Therapiestrategien im Sinn der Low-Tech-Dentistry, also wenig aufwendige Behandlungen mit geringem technischem Einsatz. Das könne zum Beispiel das einfache Abdecken eines symptomlosen Wurzelrests mit Komposit sein anstelle der Extraktion. Bei pflegebedürftigen älteren Menschen stehe nach Frese im Vordergrund, die oralen Funktionen zu erhalten. Dies könne mit Kompromiss- oder „palliativen“ Restaurationen oft besser erreicht werden als mit Standard-Behandlungen, wie sie bei jüngeren, fitten Erwachsenen durchgeführt werden.

Aus der Arbeitsgemeinschaft wird die Deutsche Gesellschaft ZMB

Zahnärztin Anke van Bentheim, Nordhorn, nutzt erfolgreich Bildkarten in der Kommunikation mit behinderten Patienten. Die Bildkartensammlung METACOM wurde von der Grafikerin Annette Kitzinger für ihre Tochter entwickelt und enthält auch Symbole mit zahnmedizinischen Inhalten. | DGZ / Annette Kitzinger

 

Die Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für Zahnmedizin für Menschen mit Behinderungen und besonderem medizinischem Unterstützungsbedarf (AG ZMB) fand in diesem Jahr in Kooperation mit der DGZ anläßlich der 35. DGZ-Jahrestagung statt. Die Mitgliederversammlung des Vereins beschloss zwei Satzungsänderungen. Die AG ZMB wird in DGZMB (Deutsche Gesellschaft Zahnmedizin für Menschen mit Behinderung oder besonderem medizinischem Unterstützungsbedarf) umbenannt. Das Aufgabengebiet der DGZMB wird erweitert und schließt künftig auch Menschen mit seltenen Erkrankungen ein.

Prof. Dr. Andreas Schulte von der Universität Witten/Herdecke stellte als Vorsitzender der DGZMB den erst kürzlich als Gesamtdokument fertig gestellten „Expertenstandard zur Förderung der Mundgesundheit in der Pflege“ vor. Herausgeber des 188 Seiten starken Sonderdrucks ist das Deutsche Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) mit Sitz an der Hochschule Osnabrück. An dem nun vorliegenden Dokument hat ein Expertengremium bestehend aus Zahnmedizinern der Behinderten- und Alterszahnmedizin und der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) mitgewirkt.

Von den neuen Standards erhoffen sich die Experten mittel- bis langfristig Verbesserungen der Mundhygiene in der Pflegearbeit. Investiert werden soll vor allem in die Bildung: Für die Pflegekräfte sind Fortbildungsangebote geplant. Und in der Ausbildung soll künftig dem Thema Mundpflege pflegebedürftiger Menschen mehr Zeit eingeräumt werden – bislang stehen während der dreijährigen Ausbildung zur Pflegefachkraft nur sechs Unterrichtseinheiten auf dem Plan. Im Pflegealltag soll sich das Zeitbudget für die Mundpflege in den Einrichtungen erhöhen. Dazu kommt eine bessere Bezahlung für die Mundpflege – so zumindest der Plan. Die Einrichtungen sind nun verpflichtet, Personal fortzubilden, entsprechende Materialien und Räumlichkeiten vorzuhalten und gegebenenfalls weitere Expertise hinzuzuziehen.

Die Kommunikation mit gehandicapten Patienten, Eltern und Betreuungspersonen war das Thema von Zahnärztin Anke van Bentheim, niedergelassen in Nordhorn. Sie stellte in ihrem Vortrag Kommunikationsbeispiele aus ihrer täglichen Arbeit vor. Erster praktischer Tipp der erfahrenen Kollegin: „Lassen Sie sich den Anamnesebogen schon im Vorfeld schicken. So wissen Sie, welche Behinderungen vorliegen und welche Bedingungen der gehandicapte Patient benötigen wird.“

Man kann nicht „nicht kommunizieren“

Bei der Kommunikation selbst setzt van Bentheim mehr auf Teilnahme als auf Inhalte. Mit ihren jugendlichen behinderten Patienten kommuniziert van Bentheim nicht über sie hinweg mit den Betreuungspersonen, sondern möglichst direkt in einfacher Sprache. Sie setzt häufig Bildkarten aus der sogenannten Metacom-Reihe ein (www.metacom-symbole.de). Die Sammlung umfasst mittlerweile mehr als 10.000 klare, einfach erkennbare Symbole, darunter auch einige mit zahnmedizinischen Inhalten. Mithilfe der Symbole können Zahnärzte behinderten Menschen beispielsweise die Behandlungsschritte erklären.

In Bezug auf die Eltern rät van Bentheim, diese dort abzuholen, wo sie stehen, denn sie sind rund um die Uhr im Betreuungseinsatz und manchmal einfach nicht mehr in der Lage, das an Mundpflegemaßnahmen umzusetzen, was aus zahnmedizinischer Sicht wünschenswert wäre

Expertenstandard „Förderung der Mundgesundheit in der Pflege“ – Sonderdruck einschließlich Kommentierung und Literaturstudie, DNQP: 2021, ISBN: 978–3–00–070047–7, 188 Seiten, 36,00 Euro. Bestellung: www.dnqp.de/bestellformular

Innovationen bei der KI und Laseranwendungen

Prof. Falk Schwendicke aus Berlin sprach über die Bedeutung der KI im Bereich Zahnerhaltung. Er prognostizierte, dass eine bessere Nutzung vorhandener Daten zu einer besseren Diagnostik, Therapieplanung und -durchführung in der Zahnerhaltung führen werde. Erste Systeme, die bereits auf dem Markt sind, arbeiteten aktuell zwar nicht besser als gute Zahnmediziner, aber sie böten Unterstützung und Zeitersparnis bei der Dokumentation. Die bisher divers verteilten Daten in Form von Papier- und digitalen Patientenakten, Fotos (digital oder ausgedruckt) zusammenzuführen, werde rückwirkend vermutlich nicht gelingen, sondern nur für die Zukunft mit neuen Daten erreichbar sein, um diese dann gebündelt KI-Anwendungen zugänglich zu machen. Eine Schnittstelle zwischen zwischen KI- und Patientenverwaltungssystemen gebe es übrigens noch nicht. Eine Übertragung von Befunden beispielsweise funktioniere derzeit nur manuell über copy and paste.

Prof. Marcella Esteves Oliveira aus Bern informierte über den Lasereinsatz in der minimalinvasiven Kariestherapie. Die Qualität der Evidenz für den Laser sei in dieser Indikation zwar noch niedrig, doch drei von vier Metaanalysen bestätigen dem Laser signifikant weniger Schmerzen während der Behandlung mit einem reduzierten Gebrauch von Lokalanästhetika bei einer allgemein angenehmeren Behandlung – verglichen mit dem herkömmlichen Einsatz von rotierenden Instrumenten. Bezüglich der Randqualität und der Überlebensrate von Restaurationen sowie dem Erhalt der Pulpavitalität schnitten die rotierenden Instrumente allerdings genauso gut ab wie der Laser.

Fazit

Der Blick in die Zukunft der Zahnerhaltung auf der 35. DGZ-Jahrestagung zeigte, dass sich die Entwicklung hin zu immer weniger invasiven Therapieoptionen fortsetzen wird. So rückt beispielsweise das Reparieren von Restaurationen immer stärker in den Fokus – das schont in vielen Fällen die natürliche Zahnsubstanz des Patienten. Auf der anderen Seite werden die Möglichkeiten der Zahnerhaltung immer weiter ausgedehnt. Auch scheinbar aussichtslose Fälle wie kariös tief zerstörte oder frakturierte Zähne können heute erfolgreich behandelt werden, wie die Referentinnen und Referenten an Patientenbeispielen zeigen konnten.

In der Alterszahnmedizin rücken die Patientenbedürfnisse noch stärker ins Blickfeld. Große prothetische Lösungen müssen vom Patienten gewollt, finanzierbar, therapeutisch umsetzbar und am Ende auch hygienefähig im Kontext der Möglichkeiten des Patienten sein. In vielen Fällen kommen diese Voraussetzungen nicht zusammen, wie in den Vorträgen deutlich wurde. Deshalb öffnet man sich für praktische Lösungen, die die Versorgung an die Möglichkeiten des Patienten anpassen und Lebensqualität stiften: Therapien im Sinne einer „Low-Tech-Dentistry“ werden nicht mehr als ausschließlich preisgünstig, sondern vielmehr umfassend vom Nutzen und der Lebensqualität des Patienten her gedacht. 

Literatur: Leong DJX, de Souza NN, Sultana R, Yap AU:: Outcomes of endodontically treated cracked teeth: a systematic review and meta-analysis. Clin Oral Investig. 2020 Jan;24(1):465–473. doi: 10.1007/s00784–019–03139-w.

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Dr. Kerstin Albrecht

Medizin-/ Dentaljournalistin

1995 – 2001: Studium der Zahnheilkunde (Hannover/Gießen)
2001 – 2008: Assistenz- und angestellte Zahnärztin in Zahnarztpraxen, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Abteilung für Zahnerhaltung, Präventive Zahnheilkunde und Parodontologie, Georg-August-Universität Göttingen
2006: Promotion
2008 – 2010: Zusatzstudium Journalismus, Freie Journalistenschule Berlin
2009 – 2018: PR-Beraterin in Healthcare-Agenturen, PR-Referentin bei der Initiative proDente e.V., freie Autorin von medizinischen und zahnmedizinischen Artikel
seit 2019: freiberufliche Medizin- und Dentaljournalistin

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