Mehr als zwei Drittel der US-Mediziner arbeiten auch im Urlaub

Nur echter Urlaub senkt bei Ärzten das Burn-out-Risiko

Heftarchiv Praxis
mg
Wenn die Praxis brummt, wer denkt da schon an Ferien? Dank Digitalisierung kann man an freien Tagen zu Hause schnell noch die Abrechnung machen oder den bevorstehenden Patientenfall planen. Jetzt zeigt eine US-Studie: Weniger als drei Wochen Urlaub pro Jahr erhöhen das Burn-out-Risiko. Negativ zu Buche schlagen auch die paar berufliche Telefonate und E-Mails im Urlaub.

„Es hat sich gezeigt, dass Urlaub eine wichtige Erholungsaktivität für die allgemeine Bevölkerung darstellt“, schreiben die Wissenschaftler. Trotzdem sei das Urlaubsverhalten von Ärzten und der Zusammenhang mit Burn-out und beruflicher Erfüllung wenig erforscht. In ihrer Querschnittsstudie untersuchten die Forschenden darum die Fragebogen-Rückmeldungen von 3.004 US-amerikanischen Ärzten zum Thema. Die Umfrage wurde zwischen dem 20. November 2020 und dem 23. März 2021 durchgeführt, die Datenanalyse von März bis Juli 2023.

Burn-out wurde mithilfe des Maslach Burn-out-Index gemessen. Außerdem wurde die Anzahl der im vergangenen Jahr genommenen Urlaubstage erfasst sowie die Zeit, die pro typischem Urlaubstag für berufliche Aufgaben aufgewendet wurde.

Mehr als zwei Drittel arbeiten auch im Urlaub

Ergebnisse: Von den 3.004 Befragten aus 23 Fachgebieten nahmen 1.790 (59,6 Prozent) im vergangenen Jahr 15 oder weniger Tage Urlaub, 597 (19,9 Prozent) nahmen fünf oder weniger Tage Urlaub. Die Mehrheit, 2.104 Befragte (70,4 Prozent), verrichtete im Urlaub zudem berufliche Arbeiten, wobei 988 von 2.988 (33,1 Prozent) an einem typischen Urlaubstag 30 Minuten oder mehr arbeiteten. Weniger als die Hälfte der Ärzte (49,1 Prozent) gab an, dass während ihres Urlaubs eine Vertretung ihren Posteingang sichtet.

Die Wahrscheinlichkeit, mehr als drei Wochen Jahresurlaub zu nehmen, war vor allem bei jenen reduziert, die Sorge oder große Sorge hatten, eine kompetente Vertretung zu finden, die klinischen Aufgaben übernimmt: Odds Ratio (OR) 0,48 (Konfidenzintervall 95 Prozent, Spreizung 0,35 bis 0,65) beziehungsweise OR 0,30 (0,21 bis 0,43). Eine deutlichen Effekt auf die Wahrscheinlichkeit hatten auch finanzielle Bedenken, wenn sie als „ziemlich groß“ (OR 0,49 [0,36 bis 0,66] oder „sehr groß“ OR 0,38 (0,27 bis 0,54) beschrieben wurden.

Mindestens 16 Tage Urlaub oder eine echte Vertretung

Gleichzeitig war ein zunehmender Jahresurlaub mit einem geringeren Burn-out-Risiko assoziiert, ab einem Urlaub von 16 bis 20 Tagen pro Jahr hatten allen Probanden einen reduzierten Wert (OR: 0,66; Spreizung 0,45 bis 0,98), der bei mehr als 20 Tagen weiter sank (OR: 0,59; 0,40 bis 0,86). Eine vollständige Urlaubsvertretung inklusive Posteingang hatte einen ähnlichen Effekt (OR: 0,74; 0,63 bis 0,88).

Den gegenteiligen Effekt hatte es, wenn die Befragten im Urlaub telefonisch oder digital arbeiteten. Schon weniger als 30 Minuten pro Tag erhöhten das Risiko (OR: 1.04; 0,84 bis 1.29), das bei 30 bis 60 Minuten noch einmal anstieg (OR: 1.58; 1.22 bis 2.04) und sich bei 60 bis 90 Minuten fast verdoppelte (OR: 1.97; 1.41 bis 2.77) und ein Plateau erreichte (mehr als 90 Minuten OR: 1.92; 1.36 bis 2.73).

Die Aussagekraft zum Risiko einzelner Disziplinen ist beschränkt

Die Forschenden räumen ein, dass ihre Studie Einschränkungen unterliegt. Trotz der Stichprobengröße gebe es Raum für Verzerrungen. Etwa sei nicht bekannt, ob Ärzte, die weniger Urlaubstage nehmen oder mehr Zeit im Urlaub arbeiten, mehr oder weniger wahrscheinlich an einer Umfrage zur Bewertung dieser Dimensionen teilnehmen. Auch sei die Gesamtstichprobengröße für einige Fachrichtungen bescheiden gewesen, „was die Genauigkeit beim Vergleich des Urlaubsverhaltens zwischen den Fachgebieten einschränkt“.

Von den 23 vertretenden Fachrichtungen hatten beispielsweise Pathologen, Pädiater und Orthopäden ein unterdurchschnittliches und Disziplinen wie Psychiater, Radiologen und Unfallchirurgen laut Erhebung ein überdurchschnittliches Burn-out-Risiko. Zahnärzte waren nicht Teil der Stichprobe.

Auszeiten sollten für Ärzte normal sein

Die Schlussfolgerung der Forschenden: Die pro Jahr in Anspruch genommenen Urlaubstage und die Zeit, die während des Urlaubs für Arbeitsaufgaben in der Patientenversorgung aufgewendet wurde, waren mit der Wahrscheinlichkeit für einen Burn-out bei Ärzten verbunden. „Wenn die Erwartung sich durchsetzt, dass Ärzte sich eine Auszeit nehmen und sich während ihrer Abwesenheit vollständig von der klinischen Arbeit trennen, kann das sowohl auf organisatorischer als auch auf beruflicher Ebene von Vorteil sein“, schreiben sie. „Solche Bemühungen können entscheidende und greifbare systembasierte Ansätze sein, um die hohe Rate an berufsbedingtem Burn-out unter Ärzten einzudämmen.“

Sinsky CA, Trockel MT, Dyrbye LN, et al. Vacation Days Taken, Work During Vacation, and Burn-out Among US Physicians. JAMA Netw Open. 2024;7(1):e2351635. doi:10.1001/jamanetworkopen.2023.51635

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