Der besondere Fall mit CME

Verschwundenes Implantat im Oberkiefer

Heftarchiv Zahnmedizin
Janna L. Brodersen
,
Peer W. Kämmerer
Gerade maxilläre Zahnimplantate sind nicht immun gegen potenzielle Komplikationen. Der folgende Fall beleuchtet die Dislokation eines dentalen Implantats in den Sinus maxillaris und erörtert die Schritte zur Bergung im Rahmen dieses ungewöhnlichen Vorfalls.

Die Patientin suchte die Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Universitätsmedizin Mainz auf, nachdem sie sich einer ambulanten Implantation in den Bereichen 13, 14 und 16 unterzogen hatte. Während des Freilegungsverfahrens kam es bedauerlicherweise zu einer Dislokation des Implantats in regio 14 in die Kieferhöhle. Ein vier Tage später durchgeführter ambulanter Versuch zur Bergung endete erfolglos und führte zu einer zusätzlichen Lockerung des Zahnes 15.

Um eine präzise Diagnose zu ermöglichen und die genaue Lage des Implantats zu beurteilen, wurde eine Digitale Volumentomografie (DVT) durchgeführt. Die Resultate dieser Untersuchung zeigten das dislozierte Implantat im rechten Sinus maxillaris (Abbildungen 2 und 3).

Aufgrund der bestehenden Infektionsgefahr durch die Kieferhöhlenbeteiligung wurde die Patientin über die Dringlichkeit eines chirurgischen Eingriffs mit nachfolgendem stationären Aufenthalt und intravenöser Antibiotikagabe aufgeklärt – sie stimmte dem Eingriff zu. Die Entfernung des dislozierten Implantats erfolgte unter Intubationsnarkose. Bei der Intervention zeigte sich eine mazerierte und durch die vorherigen Operationen stark geschädigte Gingiva (Abbildung 1).

Der Zahn 15 zeigte eine Lockerung dritten Grades und stand in direktem Kontakt zu einem ausgeprägten Knochendefekt in Bereich 14. Aus diesem Grund war die Extraktion des Zahnes unumgänglich. Es wurde ein crestaler Schnitt in den Bereichen 13 bis 16 mit distaler Entlastung durchgeführt (Abbildung 4).

Durch die Mund-Antrum-Verbindung war keine Bergung des Implantats möglich, weshalb ein osteoklastischer Zugang mit Piezochirurgie in Regio 14 bis 16 erfolgte. Mithilfe einer endoskopischen Darstellung (30° Optik) der Kieferhöhle und einer Spülung konnte das Implantat erfolgreich geborgen werden (Abbildungen 5 bis 7).

Der operative Eingriff wurde abgeschlossen durch eine Periostschlitzung und einen speicheldichten Wundverschluss. Die Patientin wurde weiterhin stationär betreut, unter Einhaltung eines Schneuzverbots, Verabreichung von abschwellenden Nasentropfen und fortlaufender intravenöser Antibiose. Nach zwei Tagen erfolgte die Entlassung in die ambulante Nachsorge.

Diskussion

Maxilläre Zahnimplantate stehen nicht selten vor Herausforderungen, die sich aus anatomischen Gegebenheiten, individuellen Patientenvoraussetzungen, der Auswahl des Implantats und dem Implantationsverfahren ergeben. Im Oberkiefer können eine anatomisch geringe Knochendichte und ein kurzer Oberkieferkamm Risiken generieren. Das Implantieren gegen die Schwerkraft stellt eine zusätzliche Schwierigkeit dar, da ein stabiler Halt erschwert wird. Komplikationen in Bezug auf die Kieferhöhle können außerdem mit unzureichender Implantataufbereitung sowie ungenügender Bohrung oder Insertion in Verbindung stehen [Borgonovo et al., 2010].

Kim et al. berichten in einer Studie von Komplikationen in etwa fünf Prozent der Fälle nach einer maxillären Zahnimplantation. Insbesondere werden die Penetration der Kieferhöhle durch das Implantat und dessen Dislokation als relevante Komplikationen benannt [Kim et al., 2019].Die Dislokation eines Zahnimplantats in den Sinus maxillaris kann mit einer oroantralen Kommunikation und/oder Infektionen einhergehen, die sowohl die Kieferhöhle als auch die Nasennebenhöhlen betreffen können. Um potenzielle Komplikationen zu verhindern, ist eine zügige Entfernung des Fremdkörpers empfehlenswert. Dieser Schritt ist entscheidend, um das Risiko von weiteren Problemen wie Infektionen zu minimieren und eine optimale Heilung sicherzustellen [Manor et al., 2018; Chang et al., 2021].

Eine sorgfältige Patientenanamnese spielt eine entscheidende Rolle für den Erfolg einer dentalen Implantation. Dabei sollten Informationen zu Verletzungen oder Operationen der Nase, nasalen Obstruktionen sowie rezidivierenden oder chronischen Erkrankungen der Nasennebenhöhlen erfasst werden. Systemerkrankungen wie Diabetes mellitus und Immunerkrankungen können ebenfalls Einfluss auf den Implantationserfolg haben.

Jeder weitere Befund, der die Integration des Implantats beeinträchtigen könnte, sollte im Rahmen der präoperativen Untersuchung berücksichtigt werden. Dazu zählen lokale Erkrankungen, Parodontopathien sowie frühere Bestrahlungen im Bereich des Oberkiefers [Kim et al., 2019]. Generell kommen frühe Implantatverluste (bis sechs Monate nach der Insertion) signifikant häufiger vor als späte Verluste. Hier sind die Hauptrisikofaktoren eine Implantatlokalisation im posterioren Unterkiefer und ein jüngeres Patientenalter.

Eine befundadaptierte radiologische Bildgebung und in spezifischen Fällen eine Nasenendoskopie vor der Operation können die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit postoperativer Komplikationen erleichtern und den Erfolg maßgeblich beeinflussen. Die detaillierte Untersuchung ermöglicht eine präzisere Planung, indem potenzielle anatomische Besonderheiten oder vorbestehende Pathologien erkannt werden. Dies trägt dazu bei, die chirurgischen Risiken zu minimieren und den Implantationserfolg zu optimieren [Kim et al., 2019].

Unzureichende Stabilität während der Implantation oder mangelnde Osseointegration nach dem Eingriff können zur Dislokation eines Zahnimplantats in die Kieferhöhle führen. Ein bewährtes Verfahren in Fällen von unzureichender Knochenhöhe ist der Sinuslift, wie von Chang et al. beschrieben [Chang et al., 2021]. Diese Kieferhöhlenaugmentation beinhaltet das Anheben der Schneiderschen Membran der Kieferhöhle und kann – je nach Bedarf – mit oder ohne Knochentransplantation beziehungsweise durch die Inserierung von Knochenersatzmaterial durchgeführt werden. Studien wie die von Kim et al. zeigen, dass dieses Verfahren den Erfolg der Implantation erhöhen kann. Es stellt somit eine wichtige Option dar, um die nötige Stabilität und Osseointegration für eine erfolgreiche Implantation zu gewährleisten.

Um sicherzustellen, dass der (zweizeitige) Sinuslift erfolgreich war und das Augmentat eingeheilt ist, sollte vor der anschließenden Implantation eine röntgenologische Kontrolle erfolgen. Besonders wichtig ist, eine Infektion von Nachbarstrukturen auszuschließen. Trotz größter Vorsicht kann es aber zu Infektionen nach der Implantation kommen, was mit einem Implantatverlust einhergehen kann. Größere Destruktionen des augmentierten Knochens oder eine geringe Stabilität des Knochens können ebenfalls zur Dislokation des Implantats in die Kieferhöhle führen.

Bei einem Verlust des Implantats in die Kieferhöhle sollte schnellstmöglich eine Entfernung eingeleitet werden, da die Schwellung der Kieferhöhlenschleimhaut das Auffinden stark erschweren kann und das Risiko einer Infektion erhöht wird [Kauffmann und Kämmerer, 2023].

In der Literatur werden verschiedene Ansätze zur Entfernung eines Fremdkörpers aus der Kieferhöhle beschrieben. Bei allen wird eine prä- und eine postoperative Behandlung mit Antibiotika, Mukolytika und Kortikosteroiden empfohlen, um Sinuspathologien wie Veränderungen der mukoziliären Funktion und als direkte Komplikation eine akute oder rezidivierende Sinusitis zu verhindern [Procacci et al., 2016; Cascio et al., 2020]. Ein in die Kieferhöhle verlagertes Implantat kann mit intraoralen und intranasalen Methoden entfernt werden: Extraktion durch die intraorale Fistel, direkter Zugang durch Öffnung eines seitlichen Fensters in die Kieferhöhle oder ein transnasaler oder transoraler endoskopischer Eingriff [Laureti et al., 2017; Chang et al., 2021].

Der intraorale Zugang erleichtert die Fremdkörperentfernung und verschließt die oroantrale Fistel. Er bietet jedoch keine wirksame Behandlung des eventuell obstruierten Sinusostiums und der begleitenden Sinusitis. Die endoskopische Kieferhöhlenchirurgie gilt als effektive und minimalinvasive Methode zur Implantatentfernung. Sie ermöglicht eine klare Visualisierung des Operationsfeldes bei minimaler Morbidität und schnellerer Genesung des Patienten [Griffa, et al., 2010]. Implantate, die sich in den vorderen und unteren Teilen der Kieferhöhle befinden, können aber zu erheblichen Schwierigkeiten bei der endoskopischen Bergung führen, dort ist die breite Eröffnung der Kieferhöhlenvorderwand eine sinnvolle Alternative, bei der auch der oroantrale Fistelverschluss behoben werden kann [Chang et al., 2021].

Nogami et al. empfehlen zur Entfernung eines dislozierten Implantats aus der Kieferhöhle – und zur Behandlung damit verbundener infektiöser Komplikationen – die Kombination aus endoskopisch unterstützten und Knochen-repositionierenden Techniken: ein intraoraler Zugang mit Schaffung eines Fensters in der anterior-lateralen Wand der Kieferhöhle und ein transnasaler Zugang für die funktionelle endoskopische Kieferhöhlenchirurgie. Die minimal-invasive endoskopische Chirurgie kann Komplikationen wie Nervenschädigungen und sichtbare Narben nach breiten Hautschnitten minimieren. Bei der subperiostalen Dissektion können Äste des Nervus infraorbitalis verletzt werden, was zu einer Anästhesie der Gingiva-Bukkal-Schleimhaut und der Zähne führen kann. Bei der Behandlung odontogener Läsionen oder der Entfernung von Zähnen, Implantaten oder Fremdkörpern stößt die endoskopische Chirurgie an ihre Grenzen, kann aber unterstützend zum Erfolg der Bergung eines dislozierten Implantats beitragen [Nogami et al., 2016].

Im vorliegenden Fall führte die Kombination aus präoperativer röntgenologischer Diagnostik zur Implantatlokalisation und anschließender operativer Intervention, bestehend aus Knochenfensterung und endoskopisch unterstützter Lokalisation des Implantats, zur erfolgreichen Bergung.

Zusammenfassung

Die Implantatinsertion im Oberkiefer birgt aufgrund spezifischer anatomischer Gegebenheiten besondere Herausforderungen, die sich von Unterkieferimplantaten unterscheiden. Faktoren wie geringere Knochendichte, Alveolarkammhöhe und das Implantieren entgegen der Schwerkraft müssen sorgfältig berücksichtigt werden. Maxilläre Zahnimplantate sind häufig mit verschiedenen Komplikationen verbunden, darunter akute oder chronische Sinusitis, Penetration der Kieferhöhle durch das Implantat, oroantrale Fistelbildung oder Infektionen.

Die Dislokation eines Implantats in die Kieferhöhle ist eine seltene, aber ernste Komplikation. Um Komplikationen bei geplanten Zahnimplantationen zu vermeiden, ist eine gründliche Planung unerlässlich. Besonders bei maxillären Implantationen ist eine detaillierte Anamnese mit genauer Beurteilung der Anatomie des Oberkiefers und der Kieferhöhle von großer Bedeutung. Eine optimale radiologische Bildgebung trägt ebenfalls maßgeblich zur sicheren Durchführung bei.

Fazit für die Praxis

  • Die maxilläre Zahnimplantation geht mit besonderen Herausforderungen einher: geringere Knochendichte, Alveolarkammhöhe und das Implantieren entgegen der Schwerkraft müssen sorgfältig berücksichtigt werden.

  • Die Dislokation eines Zahnimplantats in die Kieferhöhle ist eine seltene, aber ernste Komplikation, welcher durch gründliche Planung vorgebeugt werden kann.

  • Komplikationen der Dislokation wie die akute oder chronische Sinusitis, oroantrale Kommunikation und/oder Infektionen können durch schnelle Bergung vermieden werden.

  • Die endoskopische Chirurgie ist eine zuverlässige und minimalinvasive Methode zur Entfernung von Fremdkörpern aus den Nasennebenhöhlen: Sie bietet eine klare Visualisierung des Operationsfeldes bei minimaler Morbidität und schnellerer Genesung des Patienten.

  • Die Kombination aus endoskopisch unterstützten und Knochen-repositionierenden Techniken führt bei der Bergung von dislozierten Implantaten zu hohen Erfolgsraten.

Im Fall eines dislozierten Implantats in die Kieferhöhle ist eine schnelle Bergung entscheidend, um Komplikationen wie Sinusitis, oroantrale Kommunikation und/oder Infektionen zu verhindern. Die Entfernung und Bergung können endoskopisch gestützt über einen minimalinvasiven Zugang von enoral, transnasal oder aus beiden Richtungen erfolgen, wie von Chiapasco et al. und Manor et al. [Chiapasco et al., 2009; Manor et al., 2018] beschrieben. Die Kenntnis und Anwendung dieser Verfahren können dazu beitragen, die Risiken zu minimieren und den Erfolg der Implantation zu gewährleisten.

Literaturliste

  • Borgonovo, A. et al. (2010) ‘Displacement of a dental implant into the maxillary sinus: case series’, Minerva Stomatologica, 59(1–2), pp. 45–54.

  • Cascio, F. et al. (2020) ‘A dental implant dislocated in the ethmoidal sinus: A case report’, Heliyon, 6(5), p. e03977. Available at: doi.org/10.1016/j.heliyon.2020.e03977.

  • Chang, P.-H. et al. (2021) ‘Removal of Displaced Dental Implants in the Maxillary Sinus Using Endoscopic Approaches’, Ear, Nose & Throat Journal, 100(10_suppl), pp. 995S-998S. Available at: doi.org/10.1177/0145561320931304.

  • Deutsche Gesellschaft für Implantologie (2018) Zahnimplantate zunehmend erste Wahl: 1,3 Millionen werden in Deutschland pro Jahr eingepflanzt. Available at: idw-online.de/de/news707107 (Accessed: 3 December 2023).

  • Griffa, A., Viterbo, S. and Boffano, P. (2010) ‘Endoscopic-assisted removal of an intraorbital dislocated dental implant’, Clinical Oral Implants Research, 21(7), pp. 778–780. Available at: doi.org/10.1111/j.1600-0501.2009.01894.x.

  • Kauffmann, F. und Kämmerer, P.W. (2023) ‘EXTERNER SINUSLIFT IN DER PRAXIS, Komplikationen – 3. Teil der Sinuslift-Reihe’, (4/2023). Available at: doi.org/10.53180/ZZI.2023.0232-235.

  • Kim, Sung Won et al. (2019) ‘Points to consider before the insertion of maxillary implants: the otolaryngologist’s perspective’, Journal of Periodontal & Implant Science, 49(6), pp. 346–354. Available at: doi.org/10.5051/jpis.2019.49.6.346.

  • Laureti, M. et al. (2017) ‘Unusual Case of Osseointegrated Dental Implant Migration into Maxillary Sinus Removed 12 Years after Insertion’, Case Reports in Dentistry, 2017, p. e9634672. Available at: doi.org/10.1155/2017/9634672.

  • Manor, Y. et al. (2018) ‘Complications and Management of Implants Migrated into the Maxillary Sinus’, The International Journal of Periodontics & Restorative Dentistry, 38(6), pp. e112–e118. Available at: doi.org/10.11607/prd.3328.

  • Moraschini, V. et al. (2015) ‘Evaluation of survival and success rates of dental implants reported in longitudinal studies with a follow-up period of at least 10 years: a systematic review’, International Journal of Oral and Maxillofacial Surgery, 44(3), pp. 377–388. Available at: doi.org/10.1016/j.ijom.2014.10.023.

  • Nogami, S. et al. (2016) ‘Removal of dental implant displaced into maxillary sinus by combination of endoscopically assisted and bone repositioning techniques: a case report’, Journal of Medical Case Reports, 10(1), p. 1. Available at: doi.org/10.1186/s13256-015-0787-1.

  • Procacci, P. et al. (2016) ‘Extraordinary sneeze: Spontaneous transmaxillary-transnasal discharge of a migrated dental implant’, World Journal of Clinical Cases, 4(8), pp. 229–232. Available at: doi.org/10.12998/wjcc.v4.i8.229.

  • Sartoretto, S.C. et al. (2023) ‘Comparing the Long-Term Success Rates of Tooth Preservation and Dental Implants: A Critical Review’, Journal of Functional Biomaterials, 14(3), p. 142. Available at: doi.org/10.3390/jfb14030142.

Janna L. Brodersen

Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer-
und Gesichtschirurgie – Plastische
Operationen, Universitätsmedizin Mainz
Augustusplatz 2, 55131 Mainz

Univ.-Prof. Dr. Dr. Peer W. Kämmerer

Leitender Oberarzt/
Stellvertr. Klinikdirektor
Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer-
und Gesichtschirurgie – Plastische
Operationen, Universitätsmedizin Mainz
Augustusplatz 2, 55131 Mainz

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