Studie

COVID birgt Risiko für neurologische und psychiatrische Folgeerkrankungen

mg
Gesellschaft
COVID-19 erhöht das Risiko für neurologische und psychiatrische Folgeerscheinungen bis zu zwei Jahre nach Erkrankungsende. Das zeigt eine Lancet-Analyse von retrospektiven Kohortenstudien.

Für die in The Lancet erschienene Analyse haben Forschende die Gesundheitsakten von rund 89 Millionen Patienten analysiert, die von Krankenhaus-, Grundversorgungs- und Spezialanbietern (hauptsächlich aus den USA, aber auch aus Australien, Großbritannien, Spanien, Bulgarien, Indien, Malaysia und Taiwan) gesammelt wurden.

Gebildet wurde eine Kohorte von Patienten jeden Alters, bei denen COVID-19 zwischen dem 20. Januar 2020 und dem 13. April 2022 diagnostiziert wurde, sowie eine ähnlich strukturierte Kohorte von Patienten mit einer anderen Atemwegsinfektion im selben Zeitraum. 

Anschließend wurde die Häufigkeit der Folgediagnosen abgeglichen. Das Matching erfolgte auf der Grundlage demografischer Faktoren, des Impfstatus sowie von Risikofaktoren für COVID-19 und für schwere COVID-19-Erkrankungen. Ausgewertet wurden Altersgruppen:

  • unter 18 Jahre (Kinder),

  • 18 bis 64 Jahre (Erwachsene) und

  • 65 Jahre und älter (ältere Erwachsene)

Anschließend bewerteten die Forschenden die Risiken von 14 neurologischen und psychiatrischen Diagnosen nach einer SARS-CoV-2-Infektion und verglichen diese Risiken mit der entsprechenden Vergleichskohorte. Außerdem verglichen sie übereinstimmende Kohorten von Patienten, bei denen COVID-19 direkt vor und nach dem Auftreten der Varianten Alpha (B.1.1.7), Delta (B.1.617.2) und Omikron (B.1.1.529) diagnostiziert wurde.

Die Risikoverläufe unterscheiden sich erheblich

Insgesamt wurden im Studienzeitraum 1,48 Millionen Patienten mit einer aufgezeichneten Corona-Diagnose identifiziert. Davon wurden 1,28 Millionen (185.748 Kinder, 856.588 Erwachsene und 242.101 Senioren) mit einer gleichen Anzahl Patienten, die eine andere Atemwegsinfektion hatten, abgeglichen.

Ergebnis: Die Risikoverläufe der Ergebnisse nach einer SARS-CoV-2-Infektion in der gesamten Kohorte unterschieden sich erheblich. Die meisten Endpunkte waren nach 6 Monaten HRs signifikant größer als 1. Ausnahmen bildeten Enzephalitis, das Guillain-Barré-Syndrom; Nerven-, Nervenwurzel- und Plexusstörungen und B. Parkinsonismus. Die Risikohorizonte und die Zeit bis zur gleichen Inzidenz variierten stark.

Stimmungs- und Angststörungen waren nur vorübergehend 

  • Nerven-, Nervenwurzel- und Plexusstörung 0,89 (0,87 bis0,91)--

  • Enzephalitis 0,96 (0,85 bis 1,08) --

  • Parkinson 1,04 (0,92 bis1,17) --

  • Angststörung 1,13 (1,11 bis 1,15) - 417 Tage

  • Demenz 1,33 (1,26 bis 1,41) - Nach zwei Jahren nicht erreicht (NR)

  • Kognitives Defizit 1,36 (1,33 bis 1,39) - NR

  • Gemütsstörung 1,08 (1,06–1,11) - 457 Tage

  • Intrakranielle Blutung 1,09 (1,01 bis 1,18) - 658 Tage

  • Ischämischer Schlaganfall 1,11 (1,06 bis 1,17) - 712 Tage

  • Guillain-Barré-Syndrom 1,12 (0,97 bis 1,30) --

  • Insomnie 1,13 (1,10 bis 1,16) - NR

  • Epilepsie oder Krampfanfälle 1,14 (1,09 bis 1,19) - NR

  • Psychotische Störung 1,27 (1,18 bis1,37) - NR

  • Erkrankung des myoneuralen Übergangs 1,89 (1,76 bis 2,04) - NR

Die Risikoverläufe nach COVID-19 unterschieden sich bei Kindern im Vergleich zu Erwachsenen: Sechs Monate nach der SARS-CoV-2-Infektion hatten Kinder kein erhöhtes Risiko für Stimmungs- oder Angststörungen, dafür aber für kognitive Defizite, Schlaflosigkeit, intrakranielle Blutungen, ischämische Schlaganfälle, Nerven-, Nervenwurzel- und Plexusstörungen, psychotische Störungen und Epilepsie oder Krampfanfälle (HRs von 1,20 bis 2,16). Im Unterschied zu Erwachsenen war das kognitive Defizit bei Kindern endlich (491 Tage).

Das Risiko für psychotische Störungen, kognitive Defizite, Demenz und Epilepsie oder Krampfanfälle blieb

Die Risikoprofile waren kurz vor und kurz nach dem Auftreten der Alpha-Variante ähnlich (n = 47.675 in jeder Kohorte). Kurz nach dem Auftreten der Delta-Variante (n = 44.835 in jeder Kohorte) wurden erhöhte Risiken für ischämische Schlaganfälle, Epilepsie oder Krampfanfälle, kognitives Defizit, Schlaflosigkeit und Angststörungen beobachtet, die mit einer erhöhte Sterblichkeitsrate einhergingen. Bei Omikron (n = 39.845 in jeder Kohorte) gab es eine niedrigere Sterberate als kurz vor dem Auftreten der Variante, aber die Risiken neurologischer und psychiatrischer Ergebnisse blieben ähnlich.

Auch weniger gefährliche varianten sind belastend

Einige der Ergebnisse sind nach Ansicht der AutorInnen „besorgniserregend”. So habe die Analyse nicht nur gezeigt, dass COVID-Patienten ein erhöhtes Risiko für psychotische Störungen, kognitive Defizite, Demenz und Epilepsie oder Krampfanfälle im Vergleich zu Patienten mit anderen Atemwegsinfektionen aufweisen.

Kinder haben zudem offensichtlich trotz des gutartigeren Gesamtprofils ein anhaltend höheres Risiko für einige Diagnosen. Außerdem deuteten die Ergebnisse darauf hin, dass die Belastung auch bei Varianten, die in anderer Hinsicht weniger schwerwiegend sind, anhalten könnte.

Maxime Taque et al. „Neurological and psychiatric risk trajectories after SARS-CoV-2 infection: an analysis of 2-year retrospective cohort studies including 1 284 437 patients”, The Lancet Psychiatry, Published:August 17, 2022, DOI:https://doi.org/10.1016/S2215-0366(22)00260-7

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