Nach 2. und 3. Lesung im Bundestag

Die Digitalgesetze sind beschlossen

Susanne Theisen
Politik
Mit den Stimmen der Ampelkoalition wurden gestern das Digital-Gesetz und das Gesundheitsdatennutzungsgesetz im Bundestag beschlossen. Die Unionsfraktionen enthielten sich, die AfD stimmte dagegen.

Von einem „Quantensprung“ für die Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland sprach Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), der die Debatte im Parlament eröffnete. Das Digital-Gesetz (Digi-G) brächte einen konkreten Nutzen für Patientinnen und Patienten. Aktuell seien Befunde, Laborwerte, Röntgenbilder und andere Patientendaten auf den einzelnen Servern der Praxen und Krankenhäuser verstreut, was häufig unnötige Doppeluntersuchungen oder Untersuchungen ohne bereits vorliegende Befunde nach sich ziehe. „Das führt zu einer suboptimalen Therapie“, so Lauterbach. Das Digi-G, dessen Herzstück die elektronische Patientenakte (ePA) ist, soll nach dem Willen der Koalition mit diesem Zustand Schluss machen.

GDNG soll Deutschlands „Datenschatz“ heben

Lauterbach ging auch auf das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) ein. Es mache den „Datenschatz“ hierzulande größer und Deutschland in Europa langfristig zum interessantesten Standort für wissenschaftliche Studien – was auch neue Arbeitsplätze schaffen werde, zeigte sich der Minister überzeugt. „Was ist falsch daran, wenn Gewinne gemacht und Arbeitsplätze geschaffen werden mit einer besseren Medizin, zum Beispiel in der Krebsbehandlung, die dann zum Schluss der ganzen Welt zugutekommen könnte? Das ist nicht unethisch, sondern ganz im Gegenteil das, was wir lange Zeit benötigt haben“, so der Minister.

Union: Es wäre mehr drin gewesen

Das GDNG soll die Nutzbarkeit von Gesundheitsdaten für gemeinwohlorientierte Zwecke erleichtern. Die Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion wollten wissen, wie die Regierung diesen Begriff genau definiere. Dass eine Definition, je nach Blickwinkel, sehr unterschiedlich ausfalle, merkte Dr. Georg Kippels (CDU) an: „Es gibt eine Perspektive der GKV und eine der Wirtschaft. Das sind natürliche gegensätzliche Positionen, die für eine Praktikabilität des Gesetzes in eine geeinte Definition hätten umgearbeitet werden müssen.“

Stephan Pilsinger (CSU) ging vor allem auf das Digi-G und den Umgang mit der ePA ein. Er sagte: „Der Hausarzt ist nicht der geeignete Adressat, um die Befüllung der ePA vorzunehmen. Hausärzte sind nicht die Sekretäre der gematik oder der Krankenkassen.“ Einen reibungslosen Ablauf beim Thema E-Rezept mahnte Erwin Rüddel (CDU) an: „Es ist Ihre Aufgabe, die Leistungserbringer in die Lage zu versetzen, dass sie die Aufgaben, die Sie ihnen übertragen, auch erfüllen zu können. Ich würde mir wünschen, dass die niedergelassenen Ärzte mit wachsenden Aufgaben auch wachsende Unterstützung bekommen, zum Beispiel in Form eines Praxiszukunftsgesetzes.“ Die beiden Digitalgesetze gingen aus Sicht der Unionsfraktion insgesamt in die richtige Richtung, fügte Rüddel hinzu. Trotzdem werde man sich enthalten, weil die Potenziale der Digitalisierung nicht stark genug genutzt würden.

Koalition: Empowerment auf vielen Ebenen

Dass Digi-G sei „ein Datenschutz- und Patientenrecht-Empowerment-Gesetz“, entgegnete Janosch Dahmen (Bündnis 90/Die Grünen). Aktuell lägen Gesundheitsdaten fragmentiert im gesamten Gesundheitswesen vor. „Die einzigen, die sie nicht sehen können, sind die Patienten – das kann nicht richtig sein.“ Mit dem GDNG sorge die Koalition zudem erstmals für eine gleichberechtigte Forschung, die auch marginalisierte Gruppen und andere in der Forschung unterrepräsentierte Menschen wie Frauen und Kinder berücksichtige.

Zum GDNG merkte Melis Sekmen (Bündnis 90/Die Grünen) an, dass die Debatte auf einer sehr technischen Ebene geführt werde: „Wir beschließen aber heute ein Gesetz, das sehr vielen Menschen Zuversicht gibt für neue Therapieformen und es gewährleistet Menschen, die irgendwann erkranken werden, eine innovative Therapie und eine gescheite Patientenversorgung.“ Das unterstrich auch Lars Lindemann (FDP): „Wir haben es endlich geschafft, die Frage, ob es ethisch vertretbar ist, bestimmte Daten zu nutzen, umzukehren und uns die Frage zu stellen: Ist es denn wirklich noch ethisch vertretbar, dass wir manche Daten nicht nutzen?“ Zum Digi-G sagte er, dass es nicht allein Aufgabe der Ärzteschaft sein könnte, den Patientinnen und Patienten bei der Digitalisierung zur Seite zu stehen, sondern eine gesamtgesellschaftliche.

AfD: „Urwissen“ wird außer Acht gelassen

Kay-Uwe Ziegler (AfD) warf der Regierung eine „permanente Unterschlagung von Daten“ in der „Coronazeit“ vor. In den Krankenhäusern sei der Impfstatus oft nicht erhoben worden, was verhindert habe, die Wirksamkeit „der Impfkampagne“ zu bewerten. Generell würden Daten, die zum Schutz der Menschen gebraucht würden, regelmäßig „verschleiert“ und „unterdrückt“. Ziegler: „Daten, die Sie für Ihre ideologischen Projekte benötigen, um den sommerlichen Hitzetoten und der Klimawandelhysterie zu huldigen, oder um andererseits der Pharmaindustrie Milliardengeschäfte zu ermöglichen, werden erhoben und propagiert“.

Dr. Christina Baum (AfD) sagte: „Dass Gesundheit aus einem Gleichgewicht aus Körper, Seele und Geist beruht, weiß die Menschheit seit Jahrtausenden und dieses Urwissen wird von Ihnen vollständig außer Acht gelassen. Ein Mensch ist eben nicht die Summe seiner Daten.“ Sie rief die Koalition auf, sich endlich an den Bedürfnissen „des Volkes“ zu orientieren und appellierte an die Abgeordneten, das Gesetz zu stoppen. Es sei überflüssig.

Die Linke: Datennutzung nicht transparent

Der fraktionslose Abgeordnete Ates Gürpinar (Die Linke) wies auf den offenen Brief vieler zivilgesellschaftlicher Organisationen hin, der die Digitalisierungsgesetze als nicht vertrauenswürdig bezeichne und kritisierte in diesem Zusammenhang, dass nicht klar sei, wie die Patientendaten von Dritten – auch auf europäischer Ebene – genutzt werden können.

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