Interview mit Dr. Yasmin Mokhtari

„Die Zeit war einfach reif”

ak/ck
ZahnmedizinGesellschaft
Erst vor zwei Monaten wurde Dr. Yasmin Mokhtari in den Vorstand der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) Schleswig-Holstein gewählt. Im Gespräch verrät sie, was ihr dabei geholfen hat und warum sie selbst gegen eine Frauenquote ist.

Sie wurden kürzlich in ein Vorstandsamt in der Standespolitik gewählt. Damit sind Sie als Frau noch eine Ausnahmeerscheinung. Wie schätzen Sie die Situation ein? Sehen Sie Handlungsbedarf – und wenn ja welchen? Spielt es für Ihre Arbeit eine Rolle, dass Sie eine Frau sind?

Dr. Yasmin Mokhtari

: Ich bin gegen eine Frauenquote! Ich würde die Quote, gerade nach meiner Wahl, als Beleidigung sehen. Schleswig-Holstein hat gezeigt, dass es auch ohne Frauenquote geht. In vielen anderen Bundesländern scheitert es zunächst an Bewerberinnen, denn die KZV-Themen sind nicht so frauenaffin wie die in der Zahnärztekammer. Das würde ich wie in der Schule sehen. In den Fächern Mathe und Physik waren immer mehr Jungen als in den sprachlichen Sektoren, in denen viel häufiger Mädchen vertreten waren. In der KZV bestehen die Mitglieder aus niedergelassenen Kollegen, während die Kammern auch von angestellten Zahnärzten vertreten werden. Gerade in der Anstellung gibt es mehr und mehr Frauen und so ist es nachvollziehbar, dass in den Kammern auch mehr Frauen anzutreffen sind. Es scheitert also an der Quantität von Frauen in der KZV.

Zudem müssen sich Frauen und auch Männer durch qualifizierte Fähigkeiten beweisen. Unter der Frauenquote würde sonst die Qualität leiden. Viele Frauen können Qualifikationen vorweisen, haben aber leider oft nicht den Mut und oder die Geduld, ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Männer müssten Frauen mehr unterstützen und als Fürsprecher für diese agieren, so wie ich es in Schleswig-Holstein erfahren durfte. Das hat mir nicht nur Mut gemacht, sondern auch meine Arbeit erleichtert.

Ich sehe ich es für meine Arbeit als Chance, eine Frau zu sein. Das liegt im Moment sicherlich noch daran, dass ich die „Neue” bin und damit mehr Aufmerksamkeit erhalte. Für die Arbeit ist aber Diversität das Gebot der Stunde im heutigen Berufsleben. Diversität macht die Arbeit leichter. Das ist bewiesen. Die Abbildung der Geschlechter ist die notwendige Grundvoraussetzung für eine funktionierende Selbstverwaltung. Nicht umsonst findet dieses Thema auch im neuen Koalitionsvertrag auf Seite 86 explizit Erwähnung. Natürlich sind Geschlechterzuschreibungen immer eine Vereinfachung. Vielfach wird aber gesagt, dass Frauen weniger dazu neigen, sich zu profilieren. Frauen setzen mehr auf Verständigung, Ausgleich und Kompromiss. Das ist meiner Meinung nach ein Gewinn für die gemeinsame Arbeit. Ein gemischtes Team tut einfach gut. Die Arbeit wird durch Diversität noch besser, das ist bewiesen und dazu brauchen wir Frauen natürlich auch die Männer. Nur eine Selbstverwaltung, in der sich die Vielfalt der Mitglieder widerspiegelt, kann den Anspruch erheben, für den gesamten Berufsstand zu sprechen.

Seit wann sind Sie aktiv in der Standespolitik? Welche Ämter haben Sie bereits bekleidet? Warum haben Sie sich dazu entschlossen, für den Vorstandsposten zu kandidieren? Was sind ihre Ziele, was wollen Sie erreichen? Was denken Sie, hat letztendlich bei der Wahl zum Erfolg geführt?

Als junge Mutter war ich stellvertretende Vorsitzende der Kreisarbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege, später Öffentlichkeitsreferentin des Kreises Ostholstein und Mitglied des Kreisvereinsvorstandes. Vor zehn Jahren wurde ich als Mitglied in die Vertreterversammlung der KZV in Schleswig-Holstein gewählt und habe kurz nach meiner Wahl, 2012, die AS Akademie besucht. Ich gehörte dem Kuratorium der Alters-Invaliden-Hinterbliebenenversorgung (AIHV) an, war im Kassenprüfungsausschuss tätig und Stellvertreterin der gemeinsamen Prüfstelle Wirtschaftlichkeitsprüfung. 2014 wurde ich Mitglied des Fortbildungsausschusses und seit 2017 deren Vorsitzende. In dieser Tätigkeit habe ich den Zahnärztetag in Schleswig-Holstein organisiert und moderiert. Ich war Mitglied des Hauptausschusses, ZE-Gutachterin für Planungs- und Mängelgutachten und ehrenamtliche Richterin beim Sozialgericht. Seit 2017 war ich im Prothetikeinigungsausschuss (PEA). Seit 2018 bin ich Delegierte der Kammerversammlung und dort in der Schlichtung und im Fachsprachprüfungsausschuss tätig.

Durch meine umfangreichen Tätigkeiten in der KZV in den vergangenen zehn Jahren habe ich Qualifikationen und Kompetenzen erwerben können. Ich habe Einblicke bekommen, so dass ich, zusammen mit meiner mittlerweile 34-jährigen Praxistätigkeit, Sicherheit für meine Entscheidungen erlangen konnte. Dadurch habe ich den Mut bekommen, meinen Mund aufzumachen. In Schleswig-Holstein wurde die Wahl eines neuen Vorstandsmitgliedes durch das Ausscheiden unseres 2. stellvertretenden Vorstandsmitgliedes notwendig. Die Nachfolge musste noch möglichst in der laufenden Legislaturperiode geregelt werden, um die Funktionsfähigkeit der KZV sicherzustellen und die beiden bestehenden Vorstandsmitglieder Dr. Michael Diercks und Peter Oleownik zu entlasten. Ich fühlte mich durch meine Ausschusstätigkeit dazu berufen. Die Zeit war einfach reif.

Zunächst möchte ich meine beiden Vorstandsmitglieder unterstützen und das Bewährte fortsetzen. Daher muss ich die erste Zeit zur Einarbeitung nutzen, um auch auf Bundesebene Erfahrungen sammeln zu können. Ich möchte mit meiner Tätigkeit anderen Frauen Mut machen, sich zu engagieren. Das fällt leichter, wenn schon weibliche Unterstützung vor Ort ist. Meine Kandidatur hat deswegen zum Erfolg geführt, weil ich mich Jahre zuvor beweisen konnte. Die Wähler kannten mich und wussten, was sie von mir zu erwarten haben. Ich habe mich in den Ausschüssen kompetent gemacht und stehe mit den Männern auf Augenhöhe. Die kompetente, zuverlässige und vertrauensvolle Arbeit kann somit fortgesetzt werden. Dabei schadet es sicherlich nicht, dass ich dabei auch noch „Frau” bin.

Welche Erfahrungen haben Sie als Frau in der Standespolitik bereits gemacht?

Meine bisherige Arbeit in Schleswig-Holstein war grundsätzlich immer sehr vertrauensvoll und harmonisch. Ich konnte mich auf die Akteure im Hause verlassen, fühlte mich unterstützt und damit gestärkt. Lernen muss ich noch, dass Standespolitik einen langen Atem braucht. Ich bin es gewohnt, als Selbstständige in der Praxis schnell zu entscheiden und die Entscheidungen zügig umzusetzen. Dieses Denken steht dem Denken in einem Verwaltungsapparat entgegen. Man braucht Geduld und einen langen Atem, um Interessen durchzusetzen. Die Standespolitik hat mich aber auch gelehrt, dass ich als Frau nichts geschenkt bekomme. Meine Wahl war ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen. Mein männlicher Gegenkandidat war sehr stark und ist schon seit 20 Jahren in der KZV tätig. Erst im dritten Wahlgang konnte ich die notwendige Mehrheit erzielen.

Die Fragen stellten Anja Kegel und Claudia Kluckhuhn.

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