Universität Rostock

„Elaine“ soll bei großen Knochendefekten helfen

mg
Medizin
Das Forschungsprojekt „Elektrisch Aktive ImplaNtatE - ELAINE“ entwickelt Implantate, die eine ähnliche Piezoelektrizität aufweisen wie natürliche Knochensubstanz und sich im 3D-Drucker erstellen lassen.

Die Behandlung von Knochentumoren oder schweren Knochenverletzungen stellt die Medizin oft vor große Probleme. Als Knochenersatzmaterial wird beispielsweise Titan verwendet. Doch die Anpassung des Metalls an individuelle anatomische Gegebenheiten etwa im Gesicht ist schwierig. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass sich das starre Implantat lockert und somit zu langfristigen Problemen führt, erklärt Prof. Hermann Seitz von der Universität Rostock. Die Alternative, Knochenmaterial etwa aus dem Becken zu entnehmen und an die schadhafte Stelle zu transplantieren, sei ebenfalls suboptimal, da immer mit einem weiteren Defekt verbunden.

Darum orientieren sich die aktuellen Forschungen der Rostocker zur Herstellung von Knochenersatzmaterial an der Physiologie des Knochens. So ist bekannt, dass sich im Knochen bei jeder mechanischen Belastung kleine Spannungspotenziale bilden. „Dieser sogenannte piezoelektrische Effekt sorgt dafür, dass Zellen zum Wachstum angeregt werden“, erklärt Christian Polley, Doktorand im Sonderforschungsbereich am Lehrstuhl für Mikrofluidik. „Die Piezoelektrizität ist ein wichtiger Schlüsselfaktor beim ständigen Knochenumbau im Organismus.“ Es sei zudem schon seit längerem bekannt, dass mit Bariumtitanat, einer piezoelektrischen Keramik, unter mechanischem Druck ebenfalls Spannungspotenziale erzeugt werden können.

Simulationskammern ahmen Druck im menschlichen Organismus nach

Dieser Werkstoff wird darum im Forschungsprojekt „ELAINE“ mit sogenannten bioaktiven Gläsern kombiniert. Von diesem Material sei bekannt, dass es beim Kontakt mit Körperflüssigkeiten Ionen freisetzt und so seine Bioaktivität entfaltet. In Zusammenarbeit mit Prof. Aldo Boccaccini vom Lehrstuhl für Biomaterialien an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg werde das Material mit Bariumtitanat gemischt und anschließend im 3D-Drucker verarbeitet.

„Wir testen bereits erfolgreich mit Simulationskammern, in denen der Druck in einem Organismus naturgetreu nachgeahmt werden kann“, betont Seitz. „Wir wollen ein Implantat haben, das auf mechanische Reize piezoelektrisch reagiert und gleichzeitig bioaktiv ist.“ Ziel sei es, dass aus dem angrenzenden Gewebe Knochenzellen in das poröse Implantat einwandern.

2025 beginnt die letzte Projektphase

Der Vorteil des Verfahrens sei, dass das Implantat nach der digitalen Rekonstruktion im 3D-Drucker passgenau angefertigt werden kann. Dann beginne die Arbeit der Chirurgie. Doch bis die Technologie die Hürde in den klinischen Alltag überwindet, werden noch viele Jahre vergehen. „Denn die zugrundeliegenden Mechanismen müssen bis ins kleine Detail verstanden sein“, erklärt Seitz.

An dem 2017 gestarteten Sonderforschungsbereich 1270 „ELAINE“, der sich aktuell in der zweiten Förderperiode befindet, sind neben der Universität Rostock und der Universitätsmedizin Rostock die Universitäten in Greifswald, Leipzig und Erlangen sowie die Hochschule Wismar beteiligt. Ein Team aus mehr als 80 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Fakultäten hauptsächlich in Rostock arbeitet am Einsatz von elektrisch aktiven Implantaten. Diese Implantate sollen unter anderem bei der Regeneration von Knochen- und Knorpelgewebe eingesetzt werden und Zellen zum Wachstum und zur Differenzierung anregen. Die Förderung seitens der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) beträgt in der ersten und zweiten Förderperiode rund 24,1 Millionen Euro. Im Jahr 2025 soll die dritte und damit letzte Förderperiode beginnen.

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