Therapie-Empfehlungen

Neue S1-Leitlinie zu Coronafolgen

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Gesellschaft
Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie (DGP) hat mit Experten aus 21 Fachgesellschaften, Organisationen und Institutionen eine S1-Leitlinie zu Post-COVID und Long-COVID vorgelegt.

Jeder siebte bis zehnte Corona-Patient entwickelt ein Long-COVID- oder gar Post-COVID-Syndrom. Bis zu 15 Prozent leiden noch über die vierte, teilweise über die zwölfte Woche nach Krankheitsbeginn hinaus unter COVID-Symptomen.

Kosten der Post-COVID-Syndrome

Handelsblatt, März 2021

„Die Leitlinie versteht sich als klinisch-praktischer Leitfaden für die Diagnose und Therapie einer Post-COVID- oder Long-COVID-Erkrankung“, erläutert DGP-Pastpräsident Prof. Dr. Michael Pfeifer. Bereits die Diagnose sei oft eine Herausforderung, denn Long-COVID sei nicht an einen schweren Krankheitsverlauf von COVID-19 gebunden. Auch sehr milde Verläufe könnten zu Spätsymptomen führen, die dann nicht zwangsläufig mit COVID-19 in Verbindung gebracht würden. Eine weitere Hürde sei die große Vielfalt der Krankheitssymptome, die zudem oft recht unspezifisch seien.

Aufgrund der häufig noch begrenzten Datenlage könne die Leitlinie noch keine auf formaler Evidenz beruhenden Empfehlungen geben. Vielmehr basiere sie auf dem informellen Konsens der beteiligten Experten. Viele Fragen zu Diagnose und Therapie von Long-COVID seien noch offen.

Empfehlungen zu häufigen Symptomen

1. Fatigue

Es sollte erfasst werden, ob körperliche Aktivität die Fatigue bessert oder im Sinne von PEM zu einer Zunahme dieser und weiterer Beschwerden führt. Bei Besserung kann eine vorsichtige körperliche Aktivierung empfohlen werden. In der klinischen Untersuchung ist besonders auf auffällige Lymphknoten, abdominellen Tastbefund und Veränderungen in Muskelkraft, -trophik, -tonus und Eigenreflexe sowie kognitive Leistungsminderung oder psychische Symptome (Depressivität, Ängste) zu achten.

Führt die Fatigue zu relevanten Einschränkungen im Alltag und Berufsleben? Liegen weitere Symptome wie Schlafstörung, Depression, Angst, Belastungsintoleranz, kognitive Störungen, orthostatische Intoleranz und Schmerzen vor?

2. Dyspnoe, (Ruhe -/Belastung-)Husten

Bei stark beeinträchtigenden Symptomen, besonders nach einem schweren Verlauf, sollte unter Zuhilfenahme der Vorbefunde die Basisdiagnostik erweitert werden mit Labor, Lungenfunktionsanalyse, SpO2, D-Dimere, EKG, eventuell Röntgenthorax. Gibt es hier keine Warnhinweise und alles ist unauffällig, dann abwartendes Offenhalten und Wiedervorstellung. Bei akuter Verschlechterung der Symptomatik, niedriger O2-Sättigung, pathologischem Auskultationsbefund oder Hinweisen für thromboembolische Ereignisse sollte eine weiterführende Diagnostik erwogen werden.

3. Kopfschmerzen

Hohe Spontanheilungsrate nach COVID-19. Klinisch-neurologische Verlaufskontrollen. Bei fehlenden Warnhinweisen sollte eine Reevaluation nach spätestens vier Wochen erfolgen. Bei sehr starken Symptomen oder neurologischen Auffälligkeiten sollte man eine spezialisierte Diagnostik vornehmen.

4. Riech- und Schmeckstörungen

Mehr als 40 Prozent aller Erkrankten leiden an Geruchs- oder Geschmacksveränderungen oder -verlust. Die mittlere Dauer dieser Störung beträgt 2,5 Monate. Nach sechs Monaten sind über 90 Prozent geheilt. Sollten die Symptome länger als vier Wochen andauern und sich zusätzlich noch neurologische oder andere spezifische Begleitsymptome einstellen, ist eine spezialisierte Diagnostik in Erwägung zu ziehen.

5. Schlafstörungen

Empfehlenswert ist ein Schlaftagebuch zur Erfassung der spezifischen Problematik. Es sollten die Regeln der Schlafhygiene und Stimuluskontrolle mit den Betroffenen besprochen werden.

6. Allgemeine Schmerzen

Schmerzen (insbesondere im Thoraxbereich, aber auch allgemein Muskelschmerzen) sind ein häufiges Syndrom nach COVID-19. Die meisten verringern sich innerhalb von zwei bis sechs Monaten. Eine primärärztliche multimodale und symptomorientierte Diagnostik unter Berücksichtigung abwendbar gefährlicher Verläufe sollte erfolgen. Bei der medikamentösen Therapie sollte das WHO-Stufenschema eingehalten werden, wobei man potenziell abhängig machende Substanzen vermeiden sollte. Neben der medikamentösen Therapie sollten aber auch die physikalische Medizin und die psychosomatische Behandlung der Schmerzen im Vordergrund stehen.

7. Psychische Beschwerden

Die Abgrenzung psychischer von somatischen Ursachen bei Post-COVID kann diagnostisch herausfordern, da zahlreiche Symptome nicht eindeutig und mitunter nur graduell der einen oder anderen Kategorie zugeordnet werden können. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit der wechselseitigen Verstärkung somatischer Symptome und psychosozialer Faktoren. Patienten können sich zudem im Spannungsfeld der somatischen und psychischen Diagnosen, aber auch in der Unter-, Über- und Fehlversorgung wiederfinden.

Therapeutische Gespräche gemäß den Kriterien der haus- beziehungsweise kinder- und jugendärztlichen Behandlung sind regelhaft anzubieten. Bei ausgeprägter Symptomatik, ausbleibender Besserung über mehrere Wochen oder erheblichen ungünstigen psychosozialen Einflussfaktoren sollte eine spezialisierte psychosomatische oder psychiatrische Mitbehandlung und/oder Maßnahmen wie Ergo- oder Entspannungstherapie - angeboten werden oder auch eine psychosomatische Rehabilitation.

Long-COVID versus Post-COVID

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