Private Krankenversicherung

Mit Gewalt zu neuer Passform

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Sie sehen sich als eine Rettungsinsel im maroden System Gesundheitswesen und pochen auf den Erhalt der Friedensgrenze zur gesetzlichen Konkurrenz: Die über 50 in Deutschland agierenden privaten Krankenversicherungen (PKV) verzeichnen seit Jahren kontinuierlich Kundenzuwachs. Jetzt sollen die PKVen angezapft werden, um die Geldsorgen der öffentlichen Kassen einzudämmen. Nach dem Motto, „Was nicht passt, wird passend gemacht“ will Rot-Grün über die Anhebung der Versicherungspflichtgrenze die PKV mit Gewalt in die „Solidarkiste“des staatlichen Systems hämmern. Das Resultat ist ein weiterer Schritt zur Vereinheitlichung der unterschiedlichen Systeme Richtung staatliche Einheitskasse.

Not macht bekanntlich erfinderisch: Schon im Frühjahr hatte die damalige Bundesgesundheits-, inzwischen zur „Super“-Ministerin der Bereiche Gesundheit, Soziales und Renten avancierte Ulla Schmidt auf der Suche nach zusätzlichen Geldquellen für das staatlich reglementierte Solidarsystem mit der Idee aufgewartet, die Versicherungspflichtgrenze – die Einkommenshöhe, ab der Versicherungsnehmer von der gesetzlichen Versicherung in eine private Krankenversicherung wechseln können – anzuheben. Ursprünglich angestrebt war ein Sprung von 3375 auf 4500 Euro. Letztlich umgesetzt werden sollen – so ist es im Gespräch – 5100 Euro im Westen und 4250 Euro im Osten Deutschlands. Auch wenn das Bundesgesundheitsminsterium die Anhebung für die Kranken- und Pflegekasse dementiert, so scheinen die Informationen darüber derzeit noch schwammig und undifferenziert. Doch die Tendenz ist klar: Ein Übergriff auf die PKV ist gewollt.

Die angehobene Pflichtgrenze soll vorerst nur für diejenigen gelten, die mit Gültigkeit dieser gesetzlichen Regelung in den Beruf starten. Auf Seite der Krankenversicherungen, gesetzlichen wie privaten, stößt diese „Semi“-Lösung auf harte Kritik.

Schallgrenze für die neue Pflichtgrenze war zuerst die Bemessungsgrenze für die Beitragspflicht zur Rentenversicherung. Diese hätte sich turnusgemäß ab Januar nächsten Jahres auf 4600 Euro erhöht. Jetzt ist für Neuverträge die drastische Anhebung ausschlaggebend.

„Auch dieser Vorschlag reiht sich in die bisherige Bilanz der rot-grünen Regierung ein,“ wertet der stellvertretende Vorsitzende der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung Dr. Jürgen Fedderwitz den erneuten Versuch, die GKV-Finanzlöcher kurzfristig zu kaschieren. Eigentlich, so erklärte der KZBVVize auf einer Pressekonferenz anlässlich der KZBV-Vertreterversammlung am 18. Oktober in Wiesbaden, müsse man zu Beginn der jetzt anstehenden zweiten Legislaturperiode von dieser Regierung jetzt klare Konzepte erwarten können. Die Anhebung der Pflichtversicherungsgrenze sei kein solches Instrument. Im Gegenteil: Sie sei nur geeignet, „die Probleme, die die GKV hat, in die PKV hineinzutragen“. Hier werde ein weiterer Weg weg von den zurzeit noch über 640 verschiedenen Kassen Richtung staatlicher Einheitskasse geebnet. Fedderwitz: „Und wenn man das will, dann sollte man das auch ehrlich sagen.“

Harsche Kritik an dem rot-grünen Vorhaben kommt auch von Bayerns Sozialministerin Christa Stewens: „Die Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze zeigt, was die rotgrüne Bundesregierung in Wirklichkeit plant – die Zerschlagung unseres pluralen Versicherungswesens und die Schaffung einer Einheitsversicherung. Das ist Planwirtschaft pur.“ Dieser Schritt sei nicht nur ordnungspolitisch fatal und gefährde die Existenz der PKV aufs Höchste, er sei auch „überaus unklug und kurzsichtig, da die PKV durch ihre höheren Arzt- und Krankenhaushonorare die GKV indirekt subventioniert und damit die Kosten einer leistungsfähigen Medizin mitfinanziert“, warnte Stewens.

Schmidt ist selbst Schuld

Über das, was letztlich hinter dieser Absicht steht, lässt die alte neue Regierung die Öffentlichkeit vorerst im Unklaren. Akut angeführter Grund für die in Salami-Taktik präsentierte Hin- und Herrechnerei der Bundesregierung sind selbstredend die leeren Kassen der Pflichtversicherungen. Unterstützt von den durch Abwanderungen scheinbar gebeutelten großen gesetzlichen Krankenkassen sollte das für dieses Jahr erwartete, offiziell auf 1,5 Milliarden Euro bezifferte GKV-Defizit per Tritt auf die Notbremse minimiert werden. Gut 1,8 Milliarden Euro, so kolportierten einzelne GKVen, gingen dem Solidarsystem jährlich durch die Lappen, weil so genannte „gute Risiken“ – junge, gesunde Beitragszahler – mit hohem Einkommen in Richtung „Private“ abwanderten. Im Jahr 2001, so Schmidts Bundesgesundheitsministerium (BMG), seien es 212 000 Menschen gewesen, die den Exodus aus der GKV vollzogen haben. Nach Angaben der gesetzlichen Kassen waren es weit mehr. Bereits in den ersten acht Monaten dieses Jahres seien rund 380 000 Versicherte aus dem System geflüchtet. Für einen großen Teil dieser Wechsler war es, so wähnen Marktbeobachter, Torschlusspanik, verursacht durch die frühe Ankündigung der Ministerin.

Das Ministerium selbst gibt sich, was die Schätzungen der durch den Wechsel verursachten Verluste in der GKV angeht, allerdings „bescheidener“ als die Kassen: Ulla Schmidt agiert in der Öffentlichkeit mit der Summe von einer Milliarde Euro. Aber selbst dieses Geld wäre, nach kurzsichtiger „Milchmädchen“-Manier gerechnet, ein guter Teil zur Lösung des GKV-Finanzierungsproblems. Durch die Beschränkung der Regelung allein auf die Berufsstarter ist aber trotz aller Spekulationen abzusehen, dass die dadurch erreichte Entlastung eher dem berühmten Tropfen auf den heißen Stein gleicht.

Gegenwehr mit allen Mitteln

Letztlich sind die Dinge weit komplizierter, weiß Volker Leienbach vom Verband der privaten Krankenversicherung (PKV): „Eine Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze beseitigt schrittweise den funktionsfähigen Wettbewerb zwischen PKV und GKV. Sie nimmt selbst finanziell erfolgreichen Berufsanfängern oft über Jahrzehnte die Perspektive des Wechsels zur PKV. Der überproportionale Finanzierungsbeitrag der PKV sinkt mit Begrenzung des Neuzugangs ab. Damit verstärken sich die strukturellen Probleme in der gesetzlichen Krankenversicherung.“ Die Konsequenz, die der PKV-Verbandsdirektor zieht, ist eindeutig: Gegenwehr mit allen Mitteln bis zur Verfassungsklage.

„Ohne den Wirt gemacht“ ist die von Ministerin Ulla Schmidt aufgemachte Rechnung allemal. Denn die gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen funktionieren im System-Ganzen zwar als kommunizierende Röhren, aber nach vollkommen verschiedenen Grundlagen. Die Hochrechnung der Kosten müsste beispielsweise berücksichtigen, dass die potenziellen Abwanderer innerhalb der GKV für ihren Beitrag mitsamt ihren nicht berufstätigen Frauen und Kindern krankenversichert sind, in der PKV aber für jeden Versicherten gezahlt wird.

Und zum Stichwort „gute Risiken“: Der Gesetzgeber hat selber festgelegt, dass für viele privat Versicherte die Rückkehr in die GKV nicht möglich ist. Ab 55 Jahren, so die von Rot-Grün getroffene Regelung seit Jahresanfang 2000, kann auch der arbeitslos gewordene Privatversicherte nicht in die GKV zurück. Darüber hinaus weist die PKV immer wieder darauf hin, dass sich die Risiken der beiden Versicherungssysteme auf Dauer ohnehin nivellieren. Denn: Die Lebenserwartung privat Versicherter liegt um fünf Jahre über dem Durchschnitt. Das bedeutet fünf Jahre mehr Gesundheitsleistungen für die Privaten.

GKV will auch die Beamten

Herbert Rebscher, Chef des Verbandes Deutscher Angestellten-Krankenkassen (VdAK), sieht das natürlich ganz anders: Die Anhebung der Versicherungspflichtgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung nur für die etwa 30 000 Berufsanfänger im Jahr zu setzen, sei „halbherzig“. Sie würden in der Regel ohnehin unterhalb dieser Grenze liegen, somit kurzfristig keine Entlastung für das Sachleistungssystem bringen.

Aber die Abwanderung zu den Privaten müsse dringend gestoppt werden. Das einzig Sinnvolle sei, eine generelle Versicherungspflicht für alle Arbeitnehmer einzuführen, fordert Rebscher: „Es gibt keinen Grund, weshalb sich gerade Besserverdienende, also zur Solidarität Fähige von ihrem Beitrag zur Solidarität verabschieden dürfen.“

Starke Worte, die klar machen, dass dahinter fundamentale Begehrlichkeiten stecken. Um welchen „Markt“ geht es in diesem Konkurrenzkampf? Die Pflichtversicherung der GKV umfasst – nach dem Stand von 1998 – laut PKV-Angaben rund 74 Prozent der Bevölkerung. Weitere 15 Prozent – und um diese Gruppe geht es – sind freiwillig weiter Versicherte. Die Beitragseinnahmen lagen 1998 bei rund 250 Milliarden DM – gegenüber rund 40 Milliarden DM der PKV für fast acht Millionen Voll- und 4,5 Millionen Zusatzversicherte.

Sicher ist also: Es geht um viel Geld. Empfindlicher kann der Schlag Rebschers gegen die Privaten im Moment kaum ausfallen: „Damit will der VdAK per Zwang die PKV als Wettbewerber vom Markt drängen“, kommentiert der PKV-Verband Rebschers Vorstöße.

Und der nächste Schritt, so die PKV, sei ebenfalls – wenn auch bisher von Regierungsseite dementiertes – Programm: Nicht einmal die freiwillig versicherten Arbeitnehmer glaubten, dass dann die Bemessungsgrenze unverändert bleibe und sie im nächsten Schritt nicht höhere Beiträge bezahlen müssten, stellt der Verband mit Verweis auf eine in seinem Auftrag durchgeführte Repräsentativumfrage fest.

Knapp drei Viertel der von einer Anhebung der Versicherungspflichtgrenze Betroffenen „rechnen also realistischerweise mit einer späteren Anhebung der Bemessungsgrenze“. Sie haben auch kaum Hoffnung, dass der Staat auf diese Weise das GKVProblem spürbar minimiert: 44 Prozent glauben, so die PKV, „dass die höheren Einnahmen einfach verpuffen beziehungsweise zu 36 Prozent in zusätzlicher Bürokratie untergehen“. An Leistungsverbesserungen glaubten nur zwölf Prozent der Befragten. Für geradezu „absurd“ hält die PKV das vom VdAK ebenfalls geforderte Zutrittsrecht der Beamten zur GKV zum Zeitpunkt ihrer Verbeamtung. Dies werde die ansonsten immer beklagte Risikoselektion zwischen den Konkurrenten eröffnen. Also noch mehr Grabenkämpfe im ohnehin krisengeschüttelten Gesundheitswesen.

PKV zum Kompromiss bereit

Trotzdem haben die Privaten der Bundesregierung ein Kompromissangebot unterbreitet: Da nicht die Abwanderungen der freiwillig Versicherten, vielmehr die Rückkehr so genannter „schlechter Risiken“, die auf Grund von zum Beispiel Arbeitsplatzverlust wieder in die GKV zurückdriften, hauptsächlich für die Finanzprobleme verantwortlich seien, müsse gerade dieser Wechsel weiter eingedämmt werden, argumentiert die PKV. Man sei bereit, für diese auf Grund ihres Alters und der oft schlechteren Gesundheit hohe Ausgaben verursachende Klientel besonders attraktive Tarife anzubieten. Es handle sich um jährlich rund 150 000 privat Versicherte, deren Gehalt unter die Grenze von derzeit 3375 Euro im Monat sinke. „Einmal PKV – immer PKV“ als Lösung der finanziellen Schwierigkeiten der Gesetzlichen? Das Konzept, dass laut Leienbach vom BMG ausdrücklich erbeten wurde, „hätte der GKV jährlich einen dreistelligen Millionenbetrag eingespart und wäre damit Teil einer soliden Grundlage für die Gesundheitsreform gewesen“. Die Ersatzkassen sehen es anders. Sie wollen die gesunden jungen Besserverdiener als Finanzspritze für das kranke System.

Unterstützung für die Abwanderungsbremse wäre eigentlich auch seitens der ausnehmend regierungstreuen Gewerk

schaften zu vermuten. Diese allerdings halten sich – nach anfänglichen Signalen – inzwischen im Hintergrund. Grund war der Protest aus eigenen Reihen. Denn auch die rund 15000 direkt, mit Externen über 50 000 Beschäftigten der für 7,6 Millionen privat Krankenversicherte zuständigen Assekuranzen haben wenig Verständnis für diesen Angriff auf ihre Arbeitsplätze. Und sie sehen auch keine Vorteile für die GKVen, im Gegenteil: Kurzfristig werde es wegen der notwendigen Übergangsregelungen sogar noch einen stärkeren „Run“ zu den Privaten, damit auch höhere Belastungen für die GKV geben, erläuterte beispielsweise Gerhard Preckel, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates der Central Krankenversicherung AG, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Die Privaten Krankenversicherer hatten bereits im Sommer ihren Widerstand gegen diese Reglementierung ihrer Kundenakquise aufgenommen. Mit einer Kampagne des Verbandes – Fernsehspots, Broschüre, einem eigens gestalteten Internet-Auftritt unter der Adresse www.pflicht-versicherung. de und massive Aufklärung – machte die private Assekuranz deutlich, dass sie diesen Übergriff nicht hinnehmen werde. Argumentiert wurde, dass die Anhebung der Versicherungspflichtgrenze auch die der Beitragsbemessungsgrenze nach sich zöge. Den „Teufel an die Wand gemalt“, bedeute das letztlich eine Erhöhung des GKVHöchstbeitrages von 33 Prozent. Und den meisten freiwillig in der GKV Versicherten sei der Weg Richtung Private – damit auch die Wahlfreiheit auf das Leistungsangebot – versperrt.

Jetzt, wo die Dinge konkret sind, befasst sich die PKV mit der Vorbereitung einer Verfassungsklage. Die auf Grund des Kapitalbildungsverfahrens Demografie-sichere PKV werde erheblich geschwächt, „ein in Anbetracht der gegenwärtigen Börsenentwicklung gefährliches Spiel“, so die Wertung des Verbandes.

Schwierige Zeiten

In der Tat trifft dieser mit dem Motiv der Geldnot erklärte Angriff der Bundesregierung die Branche in einer ungünstigen Zeit. Bereits im Sommer war auf Grund einer Aussage der Deutschen Krankenversicherung (DKV) die Spekulation um Auswirkungen der internationalen Börsentalfahrt auf die Assekuranzen aufgekommen. Es gebe Unternehmen in der Branche, deren „Überlebensfähigkeit gefährdet“ sei, hieß es. Nahrung erhielt diese Einschätzung durch die aus der Lebensversicherungsbranche bekannten Schwierigkeiten, die aus dem anhaltenden Niedergang der Aktienmärkte resultierten.

PKV-Direktor Volker Leienbach bestätigte zwar, dass der Verband an Auffanglösungen für finanziell angeschlagene Gesellschaften arbeite. Aber die hierfür eingesetzte Kommission habe „allein präventiven Charakter“ und werde sich vor allem mit den weiteren Auswirkungen des Aktienmarktes auseinander setzen. Die Arbeit der Kommission sei in die Zukunft gerichtet, heißt es aus dem Hause des PKV-Verbandes. zurzeit, so betont Leienbach, „sei kein PKV-Unternehmen bekannt, das seine bestehende Verpflichtung jetzt und auch zukünftig nicht erfüllen kann oder gefährdet ist, diese nicht erfüllen zu können“.

Trotzdem gibt es, in Anlehnung an die generelle Entwicklung im Versicherungswesen, Anzeichen, die auf unruhigere Zeiten deuten. Sachkundige Marktbeobachter halten mit ihrer Ansicht, dass auch innerhalb der privaten Assekuranz mit zunehmendem Wettbewerb und dem daraus resultierenden Ergebnis von Konzentrationsprozessen zu rechnen ist, ohnehin nicht hinterm Berg. „Perspektivisch haben nicht mehr als zehn Unternehmen am Markt Platz. Die anderen werden nicht unbedingt verschwinden, aber zu Marken degenerieren“, prognostizierte jüngst Prof. Graf von der Schulenburg, Ordinarius für Betriebswirtschaftslehre und Direktor des Instituts für Versicherungsbetriebslehre an der Universität Hannover auf einer Fachtagung der Branche in Köln. Momentan herrsche „ein Klima von Vorsicht und Unsicherheit,“ bestätigt auch Dr. Bernd Richter, Geschäftsführer der Roland Gesundheits-Assistance GmbH. Die Zeit teurer Visionen und wilder Akquisitionen, so der Fachmann zur momentanen Lage der Privaten, sei vorbei.

Hinzu kommt, dass auch die privaten Krankenversicherer sich den wachsenden Kosten stellen müssen. Im Sommer hatte der PKV-Verband bestätigt, dass viele Mitgliedsunternehmen zum Anfang des kommenden Jahres ihre Beiträge anheben müssen. Der Vorstandsvorsitzende des Branchen-Riesen Deutsche Krankenversicherung, Jan Boetius, rechnet für die Branche mit durchschnittlichen Steigerungsraten in zweistelliger Prozenthöhe. Der Verband hatte diese Aussage zwar dementiert, aber signalisiert, dass auch die private Krankenversicherung „von der allgemeinen Kostenentwicklung im Gesundheitswesen betroffen“ sei. Überproportionale Kostensteigerungen im Arzneimittelbereich wie auch im Bereich der ärztlichen Behandlung und die steigende Lebenserwartung müssten bei den Beitragsanpassungen berücksichtigt werden, heißt es. Eine Argumentation, die ohne weiteres auch von den gesetzlichen Kassen stammen könnte.

Evolutionärer Ansatz im Markt

Für eine wegweisende Gesundheitsreform sieht die PKV sinnvollere Ansätze als die Einzelmaßnahmen der Bundesregierung. Beispielsweise eine sinnvolle Zuschneidung des GKV-Leistungskatalogs. Leienbach: „Die Ausgliederung des Zahnersatzes war bereits da, wurde aber leider wieder zurückgenommen.“ Zu den Vorschlägen des Verbandes zählt die Neuordnung der Selbstbeteiligung genau so wie der Hinweis, dass die Beitragsfreiheit in der Familienversicherung „nicht der Ehe, sondern den Familien dienen“ solle.

Allerdings sprach sich der PKV-Verbandsdirektor auf einem Kölner Fach-Symposium auch dafür aus, dass sich die Privaten eine GOÄ- und GOZ-Lösung vorstellen, die „mehr Richtung Verhandlungen zielt“. Auch wünscht sich die PKV prinzipiell durchaus bessere Kooperationen mit den gesetzlichen Kassen. Anregungen, sich jenseits der akzeptierten Friedensgrenze im Markt mit größerer Aktivität um deutlich mehr Anteile zu bemühen, werden offiziell mit dem Hinweis auf Beibehaltung des auch bisher verfolgten „evolutionären Ansatzes“ beantwortet. Letztlich brauche das Gesamtsystem eine starke GKV und eine starke PKV. Wolle man eine staatliche Einheitsversicherung verhindern, so warnte Leienbach, „dann brauchen wir das Zusammenspiel des Umlageverfahrens der GKV und die Kapitaldeckung in der PKV“.

Chancen sieht die deutsche Branche im Bereich der Zusatzversicherungen, für die rund acht Millionen Deutsche Bedarf signalisiert hätten, blickt aber auch intensiv Richtung europäischer Markt.

Durch die Anhebung der Versicherungspflichtgrenze dürften die Karten, unabhängig von den ursprünglich vorhandenen Marktmöglichkeiten, in Deutschland völlig neu gemischt werden. Und die Karten verteilt der Staat. Wie heftig sich der Schlag auf die PKV letztlich auswirken wird, und ob es in dieser Legislaturperiode der letzte bleiben wird, ist allerdings noch offen. „Noch sei das Gesetz nicht geschrieben,“ vermerkte der Sozialdemokrat und Vorsitzende des Gesundheitsausschusses Klaus Kirschner. Es wird sich zeigen, ob die PKV demnächst weitere Angriffe zu erwarten hat.Egbert Maibach-Nagel

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