Flüssige Geldanlage

Wahrer Wert des Weines

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Edle Weine sind begehrt wie nie zuvor. Kenner, die sich dem Genuss verschrieben haben, bekommen Gesellschaft. Spekulanten in aller Welt investieren in Wein, um ihn mit Gewinn wieder zu verkaufen – häufig mit Erfolg.

Name: Jan-Erik Paulson, Alter 58 Jahre, Beruf: Zahnarzt, Hobby: Weine sammeln und verkaufen. Für den Mediziner hat sich die Gewichtung von Beruf und Freizeit im Laufe der Jahre umgekehrt. Heute widmet er sich in erster Linie seiner Lieblingsbeschäftigung und kann auch noch davon leben.

Seine Vorliebe für berühmte Weine entdeckte der gebürtige Schwede während seines Studiums in England. Schon als Student lernte er das Clubleben kennen und machte dort erste Bekanntschaften mit den großen Namen auf der Weinkarte. 1979 ließ er sich in Deutschland als Zahnarzt nieder.

Wahre Leidenschaft für diese Ware

Doch seine wahre Leidenschaft gehörte auch damals schon dem Wein. Folgerichtig gründete er 1986 einen Weinhandel. Seine Arbeit als Zahnarzt hat er reduziert, in der 1999 eingerichteten Gemeinschaftspraxis lässt er sich nur wenig blicken. Die Beschäftigung mit den edlen Tropfen füllt ihn aus und erweist sich für ihn als lukratives Geschäft.

Der Gedanke, mit Wein Geld zu verdienen, weckt natürlich den Widerspruch der Liebhaber. Für sie bedeutet der Genuss eines Glases Mouton Rothschild ein Fest für den Gaumen. Dabei haben sie eher die sonnigen Rebenhänge an der Gironde vor Augen als das Euro-Zeichen und den Geruch der dort entstandenen Köstlichkeit in der Nase. Sie träumen von den ganz großen Jahrgängen wie 1982 und 2005.

Um Zunge, Gaumen und Nase zu trainieren, damit Neulinge die Eigenschaften eines Weins erkennen können, bedarf es viel Zeit, Geduld und Proben. Doch wie auf dem Gebiet der Kunst führt die intensive Beschäftigung mit Wein zu immer neuen Erkenntnissen, und der Schüler lernt die Kriterien für Qualität erkennen, die gleichzeitig seine Ansprüche an das Produkt in die Höhe schrauben.

Zwar gibt es auch auf dem Gebiet der Önologie immer noch unentdeckte Schätze zu heben, doch die ganz großen Namen im Weinanbau kann jeder Informierte herunterbeten wie Kirchgänger das Evangelium. Schon allein der Klang der Namen wie Château Margaux, Château d’Yquem oder Château Latour lässt ihre Augen glänzen und ihnen das Wasser im Mund zusammenlaufen. Auf sie richtet sich dann auch das Interesse der Weinliebhaber in der ganzen Welt. Viele von ihnen zahlen beinahe jeden Preis. Und diese Tatsache rief und ruft natürlich Spekulanten auf den Plan. Abseits der Börsen lässt sich eben auch auf dem Gebiet des Weins so mancher Euro verdienen. Falls man richtig investiert.

Das Angebot an Weinen auch in der oberen Güte- und Preisklasse ist sehr groß, beinahe unüberschaubar. Das Segment der Anlageweine hingegen ist sehr klein. Christoph Schönegge, Sommelier aus Köln, grenzt die Crème de la Crème auf 30, maximal 40 Namen ein. Auch die Regionen, aus denen dieser Nektar der Götter stammt, lassen sich an einer Hand abzählen: „Weine, die die Qualität eines Investment-Weins haben, stammen zu 98 Prozent aus der Gegend um Bordeaux“, meint der Fachmann, „in Frage kommt auch schon einmal ein Romanée-Conti aus Burgund oder ein Sassicaia aus Italien.“ Doch verhält es sich zum Beispiel bei dem besten Burgunder so, dass es einfach zu wenig von dieser Kostbarkeit gibt, als dass er für ein Investment in Frage käme. Neben der Qualität entscheidet nicht zuletzt die Haltbarkeit eines Weins darüber, ob er sich für die Geldanlage eignet. So manches Bordeaux-Gewächs entwickelt sich auch nach 20 Jahren noch weiter auf dem Weg zur Vollendung, manche Jahrgänge haben selbst nach 100 Jahren nichts von ihrem Geschmacksreichtum eingebüßt. In Frage kommen vorwiegend Rotweine. Weißweine verlieren schneller ihre Qualität; es sei denn, es handelt sich um einen der gesuchten Süßweine, wie der wohl berühmteste Sauterne aus dem Château d’Yquem. Die höchsten Renditen kassieren die Anleger, die den Wein möglichst jung kaufen, um ihn dann in Ruhe bis zur Vollkommenheit reifen zu lassen. „Für den Wert eines Weines spielt dessen Trinkbarkeit keine Rolle“, erklärt Stefan Weise, Sommelier des Jahres 2006. Ein Laie sieht sich daher kaum dazu in der Lage, die Qualität und das Potenzial eines noch nicht abgefüllten Weines zu erkennen. Dazu bedarf es viel Erfahrung, Wissen und einer großen Verantwortung. Diese Eigenschaften trauen die Winzer im Südwesten Frankreichs einigen wenigen Weinkennern und Journalisten zu, deren Namen unter Weinliebhabern jedem geläufig sind. Denn die testen in jedem Jahr den Wein aus der vorjährigen Lese und geben ihr Urteil ab. Nach diesem richtet sich der Preis des jeweiligen Jahrgangs.

Der Greenspan roter Edeltropfen

Die nur für Bordeaux typische Zeremonie der Verkostung findet alljährlich Ende März, Anfang April für die Dauer einer Woche in der Stadt an der Garonne statt. Händler, Kritiker und Journalisten treffen sich dann. Mit Spannung erwarten sie die Urteile der einflussreichsten unter ihnen. An der Spitze steht der 60-jährige Amerikaner Robert Parker aus Maryland. Sein Urteil bestimmt letztlich den Preis. Er ordnet den Weinen je nach Qualität zwischen 50 und 100 Punkten zu. Etwa Mitte April steht sein Urteil fest, er gibt die Ergebnisse der Verkostung bekannt.

Dann kann der Verkauf en Primeur beginnen. Damit ist der junge Wein gemeint, der noch nicht in Flaschen abgefüllt ist. Jemand, dessen Geschmack nicht geschult ist, würde das kostbare Nass wahrscheinlich sofort wieder ausspucken, es schmeckt meist alles andere als angenehm.

Die Châteaux im Bordelais verkaufen den Wein ausschließlich an sogenannte Négociants, und zwar an alle zum selben Preis. Diese Großhändler wiederum vertreiben den Bordeaux weltweit und verkaufen die Rechte auf eine bestimmte Menge des Weins an die Händler. Private Sammler können indirekt am Subskriptionsgeschäft teilnehmen und die Kostbarkeiten zu einem möglichst günstigen Preis erstehen. Das heißt: Sie ordern bereits zu diesem Zeitpunkt ihren Anteil – allerdings blind, probieren können sie ihn nicht. Dafür dürfen sie ihn aber sofort bezahlen. Der Händler, der im April geordert hat, bekommt die Rechnung schon im darauf folgenden August. Ausgeliefert wird das Spekulationsobjekt aber erst viel später.

So füllt der Wein des Jahrgangs 2006 erst Ende 2008 oder Anfang 2009 die Regale in den Lagern. Bezahlt wurde er auf der Basis der Punkte, die Robert Parker im Frühjahr vor der Abfüllung vergeben hatte. Er selbst überprüft sein Urteil noch einmal ein halbes Jahr später. Bestätigt er die Punktzahl, können sich alle zurücklehnen. Setzt er sie herauf, reiben sich die Investoren die Hände. Senkt er sie, fällt automatisch der Preis für diesen Wein und alle, die ihn gekauft haben, haben das Nachsehen. Wie stark Parker die Weinpreise beeinflusst zeigt das Beispiel des Château Margaux von 2000. Parker verlieh ihm 99 bis100 Punkte. Sein Preis war doppelt so hoch wie benachbarte Lagen, die er mit 92 bis 93 Punkte bewertet hatte. Kein Wunder, dass die Profis der Branche stöhnen: „Weine mit mehr als 90 Punkten kann man nicht bezahlen und Weine unter 85 Punkten kann man nicht verkaufen.“

Kritik am Procedere

Der bekannte Weinexperte und Autor einschlägiger Standardwerke Hugh Johnson zeigt sich skeptisch gegenüber dem Verkauf en Primeur und der Begutachtung des jungen Weins durch die Kritiker. Zum einen warnt er davor, dass die jungen Weine ihre Entwicklung noch vor sich haben. Als Beispiel führte er den Jahrgang 1997 an. Damals fällten die Experten ein gutes Urteil. Das Nachsehen hatten die Käufer, die später auf der minderen Qualität zu niedrigeren Preisen sitzenblieben. Zum anderen „beruhen alle Bewertungen auf Fassproben, ohne dass sie einer näheren Kontrolle unterlägen. Meistens geht es dabei reell zu, obwohl natürlich die Versuchung groß ist, den Verkostern nur das beste Fass mit dem besten Wein unter die Nase zu schieben“, schreibt er in seiner Enzyklopädie „Der große Johnson“.

Neben Robert Parker beeinflussen noch andere Namen die Weinszene. Zu den bekanntesten gehören James Suckling mit seiner Zeitschrift Wine Spectator und der Schweizer René Gabriel. Er ordnet die Qualitätsstufen in einem System von Null bis 20 Punkten.

Doch für die Geldanlage in Wein zählen wohl hauptsächlich die Parker-Punkte. Um einigermaßen sicher zu sein, dass die Investition auch eine Rendite bringt, sollte der Wein schon mindestens 90, besser, 95 Punkte aufweisen, so die Empfehlung von Sommelier Schönegge. Dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Preis in den nächsten Jahren steigt, ziemlich groß.

Etikettenpflege

Dank seiner hervorragenden Bewertung kletterte der Preis des 2005er Château Pétrus bereits jetzt um 150 Prozent, obwohl er noch gar nicht im Handel ist. Wer es sich leisten kann, kauft sogar 100-Punkte-Weine. Solche Raritäten gibt es längst nicht in jedem Jahr. Im vergangenen Jahr waren es vier. Der Jahrgang 2005 wird als einer der besten überhaupt in die Annalen der Weinexperten eingehen. 15 Weine erhielten die höchste Auszeichnung. Wie sehr sich die Preise für Spitzenweine entwickelt haben, können Kenner am Verlauf des Livex-Index ablesen. Er setzt sich aus 100 Topweinen zusammen. Der Londoner Index legte in der ersten Hälfte des Jahres um etwa 43 Prozent zu. Damit erreichte er den höchsten Stand seit seiner Gründung 2000. Zu den größten Preistreibern gehören derzeit reiche Chinesen und Russen. Sie legen vor allem Wert auf die Etiketten und versprechen sich davon ein größeres Prestige bei ihren Geschäftsfreunden.

Vom Fonds zum Portfolio

Wein als lukrative Geldanlage haben die Briten schon länger für sich entdeckt als die Deutschen. Kein Wunder, dass Weinfonds dort besser funktionieren. Dabei handelt es sich meistens um geschlossene Fonds. Das Geld der Anleger wird in bestimmte Weine angelegt. Am Ende der Laufzeit bekommen sie die Flaschen ausgehändigt oder aber das Management verkauft den Wein und überweist den Investoren ihren Anteil. Die britischen Fonds investieren vorwiegend in die Topadressen aus Bordeaux. Anteile kosten zwischen 15000 und 250000 Euro. Beispiele sind der European Wine Investment Fund, Vintage Wine Fund oder The Fine Wine Fund.

In Deutschland versuchte sich vor allem die HypoVereinsbank mit den Weinfonds von Blue Capital. Sie legte vier Vinum-Fonds auf, gleich der erste geriet zum Flop. Zwar verloren die Investoren ihr Geld nicht; sie bekamen ihren Einsatz mit einem kleinen Plus ausgezahlt. Doch die prognostizierte hohe Rendite wurde nicht erreicht. Der Grund lag vor allem darin, dass der Fonds in die falschen Bordeaux-Jahrgänge, zum Beispiel in den 97er Bordeaux, investiert hatte. Es folgten noch drei weitere Fonds. Doch damit hat dieses Kapitel erst einmal ein Ende. Bislang denkt bei Blue Capital in Hamburg niemand an eine Neuauflage dieser Idee.

Derzeit sammelt der deutsche Weinfonds „Zum Wohle 2006“ Mindesteinlagen von 5 000 Euro ein und investiert ausschließlich in deutsche Weine, die zirka zehn bis 20 Prozent unter Marktpreis eingekauft werden. Der Initiator rechnet mit einer Rendite von 50 Prozent innerhalb von drei Jahren. Experten halten diese Prognose für zu optimistisch. Zumal die Anleger je nach Fonds hohe Gebühren für die Verwaltung und die Gewinnbeteiligung der Manager zahlen müssen.

Versucht hatte es auch der schwedische Zahnarzt. Er legte den Rare Wine Pool auf und setzte auf trinkbare Weine, um das Risiko zu meiden, dass sich die jungen Weine – en Primeur gekauft – möglicherweise nicht so gut entwickeln wie erhofft. Die Laufzeit seines ersten Fonds ist beendet. Die erlesenen Tropfen wird er im Januar verkaufen. Wie hoch die Rendite sein wird, kann er jetzt noch nicht sagen, „Auf jeden Fall sehr gut,“ gibt sich Paulson überzeugt vom Erfolg des Pools. Er habe viele Anfragen aus aller Welt und würde gern einen neuen Fonds auflegen. Doch die Bedingungen, die ihm verschiedene Banken für den Vertrieb auferlegen wollen, lehnt er ab. Er will bei einer überschaubaren Größe von vier bis fünf Millionen Euro Kapital für den Fonds bleiben. Er sieht ein Problem darin, Summen von 50 Millionen Euro sinnvoll anzulegen. Stattdessen bietet er seinen Kunden jetzt an, auf Wunsch für eine bestimmte Summe ein Wein-Portfolio zusammenzustellen.

Wer guten Wein liebt, wird ihn niemals als ein reines Investment betrachten. Wahre Liebhaber legen sich ihre Schätze in den eigenen Keller. Selbstverständlich kaufen sie nur Originalgebinde (Kisten mit sechs oder zwölf Flaschen). Sie lassen sich später besser wieder veräußern als einzelne Flaschen. Weinhändler Paulson berichtet jedoch von einem Kunden, der jedes Jahr eine Flasche aus seiner Sammlung verkauft und damit seinen Urlaub finanziert. Vielleicht einen 82er Bordeaux Mouton-Rothschild, Doppelmagnum mit 100 Parker Punkten? Eine Flasche reicht schon für Ferien der Luxusklasse. Sie kostet im Internet 12 750 Euro. Wie dieser berühmte Wein tatsächlich schmeckt, wissen nur wenige. Denn angeblich werden 70 Prozent der Flaschen nie geöffnet. Wie schade!

Marlene Endruweitm.endruweit@netcologne.de

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