Medizinische Aufklärung im Internet

Wenig Durchblick trotz Transparenz

sg
Medizin und neue Medien: In Hamburg erörterten am 26./27. Oktober 2011 Diskutanten aus Kliniken, Ärzteschaft und dem Pflegebereich, wie Gesundheitsportale im Internet die Erwartungen von Patienten an medizinische Behandlungen und an die Pflegebranche beeinflussen.

Um es vorwegzunehmen: Sogenannte „Cyberchonder“ können mitunter nerven – dies wurde bei der Diskussion auf dem Kommunikationskongress der Gesundheitswirtschaft deutlich. Damit sind jene Patienten gemeint, die glauben, sich im Internet mittels allgemeiner Gesundheitsseiten, spezieller Foren oder Vergleichsportalen über ihre Erkrankung schlau gelesen zu haben und mit einer dementsprechenden Haltung den Medizinern begegnen.

Die Leiterin der Unternehmenskommunikation bei den Paracelsus-Kliniken, Simone Hoffmann, Osnabrück, bestätigte: „Bisweilen kann es für Ärzte zeitintensiver sein, wenn sie vor-informierte Patienten vor sich haben.“ Hier zeigten sich Fluch und Segen des Mediums Internet: Auf der einen Seite trügen Gesundheitsportale zur Transparenz im Medizinbereich bei. Auf der anderen Seite hätten Nutzer solcher Seiten nicht selten lediglich ein Scheinwissen, das oft unseriös sei und medizinisch-wissenschaftlichen Kriterien nicht entspreche.

Mittlerweile gebe es eine so große Vielzahl von virtuellen Angeboten, dass gar nicht mehr alle Informationen verarbeitet werden könnten. Auch seien die Betreiber der Seiten recht unterschiedlich in ihrem Interesse, oftmals werde Hilfe suggeriert, wo es in Wahrheit um Geschäftemacherei gehe. Hoffmann: „Der Laie bleibt aber oft Laie, weil medizinische Vorgänge manchmal zu komplex sind, um sie jedem verständlich zu machen.“

Dr. Stefan Etgeton, Senior Expert im Stiftungs-Programm der Bertelsmann-Stiftung, Gütersloh, und vorher beim Bundesverband der Verbraucherzentrale machte darauf aufmerksam, dass das Thema Transparenz im Gesundheitswesen lange Zeit keinen angestammten Ort hatte. Die Politik oder die öffentliche Gesundheitsverwaltung hätten sich nicht zuständig gefühlt. Vielmehr seien zivilgesellschaftliche Bemühungen nötig gewesen, um das Thema für Patienten auf die Tagesordnung zu setzen.

Kommerz versus Aufklärung

Etgeton sprach von zwölf bis 15 derzeit existenten Arzt-Bewertungsportalen, die kommerziell betrieben würden und damit auch andere Interessen verfolgten als das der reinen Patientenaufklärung. Hinzu kämen Angebote von Verbänden oder sonstwie im Gesundheitswesen tätigen Akteuren. Durch diese breite Palette ergebe sich somit zwar ein mannigfaltiges, aber gleichzeitig auch unübersichtliches Bild, zumal die Konzepte der einzelnen Portale oft unterschiedlich seien und es an Einheitlichkeit fehle. Ein Umstand, der von allen Seiten Zustimmung fand. Angesichts unterschiedlicher Informationsseiten wie etwa „Arzt-Navigation“ der AOK und dem „Arztlotsen“ der Ersatzkassen – also unterschiedliche Varianten selbst bei Krankenkassen –, fasste die Moderatorin, Journalistin Marion Förster, zusammen: „Jeder Anbieter schafft sich seine eigene Transparenz.“ Ebenfalls Konsens war die Wichtigkeit einer Frage, die sich vor allem auf Vergleichs- und Bewertungsportale bezieht: Wer kontrolliert eigentlich die Kontrollierer?

Johannes Kamm, Geschäftsführer von Pflegen & Wohnen, Hamburg, vertrat die Ansicht, dass das Internet in seiner Branche zunehmend genutzt wird, um Informationen zu sammeln, wo es ein bestimmtes Pflegeheim mit speziellen Schwerpunkten gibt. Kamm: „Die Portale helfen, die Pflege als Thema griffiger zu machen und Angehörigen Lösungen anzubieten.“ Er sparte aber auch nicht mit interner Kritik: „Die Internet-Präsentation der gesamten Pflegebranche hat noch Nachholbedarf.“

Letztendlich schaffe die Transparenz über die verschiedenen Möglichkeiten der Pflege aber eine Kundenbeteiligung und helfe den Patienten, selbstbestimmt zu entscheiden, welchen Weg sie bei der Pflege einschlagen wollen. Dies setze allerdings voraus, dass sich die Verbraucher auch informationswillig, informationsbereit und informationsfähig zeigen müssen. Gerade ältere Patienten, die das Thema Pflege besonders angeht, hätten aber gar nicht die Voraussetzungen. Entweder weil sie gar keinen Computer besitzen oder weil sie nicht über das nötige Know-how verfügten, um sich zu informieren.

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