Wissenschaftskongress

Medizin ringt mit Ökonomie

Zum dritten Mal wurde Mitte Oktober der interdisziplinäre Kongress „Junge Naturwissenschaft und Praxis“ in Berlin abgehalten. In diesem Jahr stand er unter dem Motto „Chancen und Grenzen (in) der Medizin“. Die eingeladenen Nachwuchswissenschaftler präsentierten dem Fachpublikum ihre Projekte, unter anderem zum Arzt-Patienten-Verhältnis.

Die dominierenden Themen des von der Hanns Martin Schleyer-Stiftung, der Heinz Nixdorf Stiftung und der Charité veranstalteten Kongresses waren Ökonomisierung und Kommunikation und die sich daraus – dem Kongressmotto folgend – ergebenden Chancen und Grenzen der Medizin. Grundtenor der Tagung war, dass „die Ökonomisierung der Medizin“ durch zunehmende monetäre Zwänge Grenzen (Zeit, Budget et cetera) setzt, aber trotzdem Chancen entstehen lassen kann. Die Kommunikationsdebatten wurden von dem neuen Arzt- Patienten-Verhältnis geprägt. Der vor allem durch das Internet vor-informierte Patient will dem Arzt in einem partnerschaftlichen, nicht mehr in einem hierarchischen Verhältnis gegenüberstehen. Darauf muss sich der Mediziner einstellen.

Vertrauen erhalten

In seinem Eröffnungsreferat widmete sich Prof. Giovanni Maio vom Institut für Ethik und Geschichte der Medizin der Universität Freiburg der Ökonomisierung. Für ihn wird Medizin immer mehr zu einem Produktionsprozess, es gehe wie in der Industrie vor allem um die Optimierung von Prozessen. Dadurch ergebe sich das Problem, dass medizinische Handlungen standardisiert werden, wodurch der Arzt zwangsläufig die persönliche Zuwendung zum Patienten vernachlässige. Die (ethische) Haltung in der (medizinischen) Handlung gehe verloren, so Maio. Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient werde durch eine zweckrationale Vertragsbeziehung ersetzt.

Die Ökonomisierung verliere die ärztliche Kunst aus dem Blick und setze auf modularisierte Fertigkeiten, der Arzt werde zum „Ingenieur des Menschen“. Maio zeigte sich aber nicht als reiner Gegner der Ökonomisierung im Medizinbereich: „Weil medizinische Güter knapp sind, ist ökonomisches Denken sogar notwendig.“ Allerdings sollte die Ökonomie eine dienende Funktion gegenüber der Medizin einnehmen – in der Realität sei es aber häufig umgekehrt.

Kompetenz erhöhen

In den anschließenden Arbeitskreisen stellten Jungwissenschaftler ihre aktuellen Forschungsvorhaben vor und diskutierten mit dem Fachpublikum. Im Arbeitskreis „Arzt und Patienten – ein neues Verhältnis?“ drehten sich die vorgestellten Projekte um das sich verändernde Kommunikationsverhalten zwischen Patient und Mediziner.

Das Projekt von Dr. Martin Gartmeier von der Technischen Universität München widmete sich der professionellen Gesprächsführungskompetenz und dem Verhältnis zwischen Arzt und Patient. Er hat verschiedene Trainingsmethoden entwickelt, um die Gesprächsführungskompetenz von Ärzten zu fördern. Zu diesen Methoden zählen unter anderem Gesprächstrainings mit Schauspielern, die Patientenrollen übernehmen. Nach Aussage Gartmeiers ist sein Projekt sowohl für das Studium als auch für die Fort- und Weiterbildung geeignet. „Die Begegnung mit Patienten ist die zentrale Quelle ärztlichen Wissens und seiner Kompetenz“, bekräftigte er. Deshalb seien Kommunikationstrainings so wichtig.

Auch bei dem Projekt von Dr. Freia De Bock von der Universitätsmedizin Mannheim stand die Kommunikation im Zentrum. Sie vertrat die These, dass Kinderärzte in Zukunft vermehrt kommunikativ-beratend arbeiten müssten. Der Grund: die neuen Morbiditäten wie Adipositas, Bulimie, ADHS und Suchtkrankheiten ließen sich meist nicht pharmakologisch behandeln. Weil diese von demografischen, kulturellen und sozialen Faktoren abhingen, müsse der Kinderarzt über Gespräche auf den Patienten beziehungsweise dessen Eltern einwirken.

Niveau sichern

Am zweiten Tag des Kongresses fand als Abschlussveranstaltung eine Podiumsdiskussion statt. Die prominenten Diskutanten (unter anderem Ärztepräsident Dr. Frank Ulrich Montgomery ) referierten aber vor allem bekannte Positionen. Als Rednerin gab Annette Widmann-Mauz (CDU), parlamentarische Staatssekretärin im Bundes gesundheitsministerium, allerdings noch eine Frage mit auf den Weg, die aus ihrer Sicht die Chancen und Grenzen in der Medizin in den nächsten Jahren bestimmen wird: „Wie können wir die Gesundheitsversorgung auf hohem Niveau langfristig sichern?“ Eine Antwort darauf zu finden, wird mit Sicherheit auch die kommenden Kongresse noch beschäftigen.

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