Haftstrafe für voyeuristischen Zahnarzt
Das Amtsgericht Gera sprach ihn am Freitag in 211 Fällen schuldig - etliche weitere sind bereits verjährt. "Das Auge eines anderen hat in der Umkleide nichts zu suchen", sagte Richter Siegfried Christ in der Urteilsbegründung. Zudem sei der 52-Jährige ziemlich skrupellos vorgegangen, ohne jedes Mitgefühl für die Opfer.
Auch im Prozess sei kein Wort der Entschuldigung über seine Lippen gekommen, betonte Christ. Im Frühjahr 2012 hatten die Frauen die heimliche Videoüberwachung zufällig entdeckt. Auf Datenträgern des Arztes konnten Ermittler knapp 7500 solcher Dateien finden oder wiederherstellen. Die ältesten stammten aus dem Jahr 2007.
Mitarbeiterinnen berichten über Angstzustände und Depressionen
Den Schilderungen nach sind die Frauen auf den Aufnahmen in Unterwäsche oder gar nackt zu sehen. Von den angeklagten Fällen waren acht Frauen betroffen. Das Schöffengericht verurteilte den Arzt wegen unbefugten Herstellens und Gebrauchs von Bildaufnahmen. Es verwies auch auf die Folgen für die Opfer, die von Angstzuständen und Depressionen berichteten.
Angesichts der Fülle der Videos und des langen Überwachungszeitraums hielt Richter Christ dem 52-Jährigen vor: "Man kommt fast zu dem Schluss, dass Sie zwei Leidenschaften hatten: die eines Zahnarztes und die - landläufig gesagt - eines Spanners."
Er habe das Vertrauen seiner Beschäftigten arglos ausgenutzt und im Prozess die Chance einer Aussöhnung vertan, betonte Staatsanwältin Steffi Kögler in ihrem Plädoyer. Darin hatte sie am Vormittag eine Haftstrafe von drei Jahren gefordert. Ziel der intimen Videoaufnahmen könne nur eins gewesen sein, erklärte sie: "Die Befriedigung eigener sexueller Bedürfnisse."
Anwalt des Angeklagten: "Frauen haben Hausfriedensbruch begangen"
Der Angeklagte hatte im Prozess beharrlich geschwiegen. Sein Anwalt Andreas Bönisch hatte einen Freispruch beantragt. Aus seiner Sicht haben sich die Frauen rechtswidrig Zutritt zum Büro des Angeklagten und damit zu den Videodateien verschafft und dabei Hausfriedensbruch begangen. Daher dürften die dort gefundenen Dateien vor Gericht nicht verwertet werden. Dieser Auffassung folgte das Schöffengericht jedoch nicht.
Opferanwalt Stephan Brandner nannte das Vorgehen des Zahnarztes und seines Anwaltes "perfide". Auf diese Weise werde versucht, aus den Opfern Täter zu machen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Vor einem Arbeitsgericht haben etliche Opfer jedoch schon Entschädigungen erstritten.
Zahnärztekammer behält sich Schritte vor
Auch die Landeszahnärztekammer will Sanktionen prüfen - allerdings erst, wenn ein rechtskräftiges Urteil vorliegt. Unter Umständen könnte der Zahnarzt, der weiter in Gera praktiziert, seine Kassenzulassung oder gar seine Approbation verlieren.
Außerdem behält sich die Anklage weitere Schritte vor. Denn in dem Richterspruch habe eine "erhebliche Anzahl" weiterer Fälle noch nicht berücksichtigt werden können, erklärte Kögler. Die könnten Gegenstand einer weiteren Anklage sein.