Verbraucherzentralen rügen Geldanreize für Herz-OPs
Die Patienten in Deutschland werden nach Einschätzung der Verbraucherzentralen möglicherweise zu oft Herzoperationen und anderen Klinik-Eingriffen unterzogen. "Es gibt finanzielle Interessen der Krankenhäuser, die für planbare, große Eingriffe wirken", sagte die Gesundheitsexpertin des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Ilona Köster-Steinebach, der dpa in Berlin.
OPs: immer die beste Alternative?
Das gelte auch für die steigende Zahl von Herz-OPs: "Es stellt sich daher die Frage, ob mit einer Operation immer die beste Behandlungsoption gewählt wird", sagte Köster-Steinebach. Alternativen könnten im Fall der Herzeingriffe Medikamente sein, aber auch mehr Bewegung, Gewichtsverminderung und Physiotherapie.
An diesem Dienstag stellt die Krankenkasse Barmer GEK in Berlin eine Studie zu den Krankenhausbehandlungen in Deutschland vor. Im Mittelpunkt des Krankenhausreports 2014 stehen die jährlich mehreren hunderttausend Herz-OPs gegen Verstopfung von Herzkranzgefäßen. Bei den meisten dieser Eingriffe werden über Katheter Ballons in die verengten Gefäße eingeführt und dort ausgedehnt. Zudem gibt es zehntausende Bypass-Operationen jedes Jahr.
Beispiel Herzklappenchirurgie
Köster-Steinebach führte als Beispiel für stark steigende Operationszahlen zudem die Herzklappenchirurgie an. 2008 habe es 11.700 solcher Eingriffe gegeben. Davon seien 11.200 klassische Operationen mit Öffnung des Brustkorbs gewesen. Bis 2012 sei die Zahl der Herzklappen-OPs auf 19.200 stark gestiegen. Die Zahl der klassischen Eingriffe sei aber um 1.200 gesunken. Dafür habe es mehr als 9.000 solcher Eingriffe nach einer neueren Methode gegeben, nach der eine Ersatzklappe zusammengefaltet per Katheter eingeführt wird.
Diese neuere Variante sei zwar weniger belastend etwa für ältere Patienten, aber berge das Risiko schwerer Nebenwirkungen, sagte Köster-Steinebach. Insofern seien Zweifel angebracht, ob der Anstieg medizinisch wirklich gerechtfertigt sei.
Patienten, denen Ärzte zu einem planbaren, großen Eingriff raten, sollten darauf achten, dass ihnen auch Behandlungsalternativen erläutert werden, sagte die Gesundheitsexpertin. Sie sollten die Frage klären, was der Verzicht auf eine Operation bedeuten würde, und eine zweite Arzt-Meinung einholen.
Beispiel Stents
Köster-Steinebach führte auch das Beispiel bestimmter Stents an, die verstärkt gegen Gefäßverengung am Herzen zum Einsatz kämen. Viele dieser Eingriffe würden nicht zur Senkung der Sterblichkeit, sondern für mehr Lebensqualität gemacht, sagte sie. "Das Problem ist nun aber, dass niemand die erzielte Lebensqualität beziehungsweise deren Verbesserung nach den Eingriffen untersucht."
An die Gesundheitspolitik appellierte Köster-Steinebach, die finanziellen Anreize für Kliniken weg von großen, planbaren Operationen hin zu Notfall- und Grundversorgung zu verschieben.
Barmer will Krankenhausreform mitgestalten
Die Barmer GEK nimmt für sich in Anspruch, aufgrund ihrer Ergebnisse auch Hinweise für die geplante Krankenhausreform geben zu können. Das Projekt wird derzeit unter Ausschluss der Öffentlichkeit von den Bundes- und Landesregierungen sowie Vertretern der Koalitionsfraktionen in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe ausgehandelt.
Köster-Steinebach wandte sich dagegen, die von der Koalition erwogenen Abschläge für Kliniken bei vergleichsweise schlechteren Leistungen umzusetzen. "Das bringt betroffenen Patienten im Nachhinein nicht viel", sagte sie. Bei schlechten Leistungen sollten Kliniken die entsprechenden Behandlungen vielmehr rasch verbessern oder gar nicht mehr anbieten.
Bis zu 340.000 Behandlungen mehr pro Jahr
Laut einem aktuellen Gutachten, das Hamburger und Berliner Forscher erstellt hatten, gibt es an Deutschlands Krankenhäusern Jahr für Jahr rund 220.000 bis 340.000 Behandlungen mehr - bei nahezu gleicher Bevölkerungsgröße
von Basil Wegener, dpa