Praxis ohne Zahnarzt

Wie geht‘s weiter, wenn SIE ausfallen?

Ein plötzlicher Herzinfarkt, eine lange Krankheit oder gar der Tod des Praxisinhabers. In vielen Praxen bricht dann Chaos aus. Der Zugriff auf Bankkonten ist gesperrt, Kennwörter fehlen und Geschäftsunterlagen sind nicht auffindbar. Hinterbliebene und Mitarbeiter bangen um ihre Existenz. Mit einem Notfallordner können Sie vorsorgen.

Rund 90 Prozent aller niedergelassenen Zahnmediziner haben Studien zufolge keine Vorsorge für den Notfall getroffen. Erst mit 67 Jahren beginnt der Durchschnittsmediziner Vollmachten und Verfügungen zu sammeln. Also erst wenn die Nachfolge ins Haus steht. Nur: Krankheiten und Unfälle sind nicht vorhersehbar und treffen viel zu oft auch Jüngere.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) geht davon aus, dass bundesweit in den kommenden Jahren mehr als 200.000 Arbeitsplätze vernichtet werden, allein weil Chefs für ihren plötzlichen Todesfall nicht rechtzeitig vorsorgen.

Markus Sobau kennt die Auswirkungen. Er ist Geschäftsführer von Confina Finanzplanung und seit 20 Jahren Finanz- und Anlageberater. Aufgrund des plötzlichen Todesfalls eines befreundeten Unternehmers und dem damit verbundenen Familien- und Betriebschaos, hat er sich zum IHK- Generationenberater weitergebildet. Seit etwa zehn Jahren berät Sobau Unternehmen und Arztpraxen zur Notfallplanung. Sobau: „Nicht nur das eigene Lebenswerk geht zugrunde. Hinter jedem Mitarbeiter stehen Familien, womöglich mit Krediten für Eigenheime, die bezahlt werden müssen.“ Die Verantwortung ist groß – auch nach dem Tod. Ein Schwerpunkt der auf Heilberufe ausgerichteten Beratung sind Informationen zur Praxisnachfolge. Im Rahmen dieser Beratung ist dann auch die ungeplante/ungewollte Nachfolgesituation ein Thema.

Ein Notfallordner gehört in jede Praxis

Um das eigene Lebenswerk, die Angehörigen und die Mitarbeiter zu schützen, sollten Praxisinhaber deshalb eine Notfallakte anlegen. Die regelt, kurz gesagt, wer als Vertreter oder Nachfolger, die zahnärztliche Tätigkeit weiterführt – und wie es mit der Praxis als Unternehmen weitergeht. Dabei kann es sich sowohl um eine lose „Blatt-Sammlung“ handeln als auch um eine Datei auf einem Speichermedium. Wichtig ist nur, dass Vertrauenspersonen von der Existenz und dem Aufbewahrungsort der Dokumente wissen.

„Egal, ob digital oder analog – zuallererst sollten eine Generalvollmacht, eine Patienten- und eine Betreuungsverfügung im Ordner liegen“, rät Sobau. Diese Dokumente regeln, wer Entscheidungen im Namen des Praxisinhabers treffen darf, wann lebensverlängernde Maßnahmen infrage kommen und wer im Fall einer kognitiven Einschränkung die Betreuung oder Pflege organisiert. Besondere Sorgfalt sollten Zahnmediziner in puncto Konto-Zugriff walten lassen. Denn viele Geldinstitute akzeptieren keine Generalvollmacht.

„Banken haften für zu Unrecht ausgezahlte Beträge“, erläutert Sobau den Grund. Deshalb muss ein eigenes Vollmacht-Dokument vor Ort unter Aufsicht eines Bankmitarbeiters ausgefüllt und unterschrieben werden. Ist dieses nicht vorhanden, bleiben die Konten bis zur Feststellung per Erbschein gesperrt.

###more### ###title### Stabilität für Familie und Team statt Existenzangst ###title### ###more###

Stabilität für Familie und Team statt Existenzangst

Um Erben schnell ermitteln und benachrichtigen zu können, sollte auch das Testament im Notfallordner abgeheftet sein. „Dessen Bedeutung wird vielfach unterschätzt“, weiß Sobau. Zahlreiche Mediziner leben – wie übrigens rund drei Millionen deutsche Paare – heute ohne Trauschein mit ihren Lebenspartnern zusammen. Bei einem plötzlichen Tod des Arztes geht dessen Partner ohne Testament vollkommen leer aus. Die Praxis geht in die Hände der nächsten lebenden Verwandten. Doch selbst Verheiratete fahren mit einem beglaubigten Letzten Willen besser. „Viele Ärzte irren sich, wenn sie denken, dass im Todesfall die gesetzliche Erbfolge reicht und der Partner die Praxis automatisch erbt“, warnt Sobau. Denn Kinder (auch aus vorherigen Ehen) sind ebenso anteilig erbberechtigt. Und das sorgt oft für Konflikte. Wer also das eigene Lebenswerk und seine Angehörigen schützen will, kümmert sich frühzeitig um ein gültiges Testament.

Für niedergelassene Zahnmediziner ist außerdem eine Unternehmervollmacht Pflicht. Sie erlaubt es  Ehepartnern oder Nachkommen, einen Stellvertreter für die Praxis einzusetzen, sollte der Unterzeichner für unbestimmte Zeit ausfallen. Etwa durch einen Unfall oder eine schwere Krankheit. Diese Sofortmaßnahme verhindert, dass Patienten mangels freier Termine abspringen, und stabilisiert die Praxis. So laufen die Geschäfte weiter und die Existenz ist gesichert. Ohne Unternehmervollmacht wäre dies erst nach der Testamentsvollstreckung möglich, die sich monatelang hinauszögern kann.

„Kopien von Jahresabschlüssen, Leasingverträgen, Versicherungen, Krediten und Privatdarlehen mit in die Akte zu packen, ist ebenfalls eine gute Idee“, findet der Rechtsanwalt und Experte für Arbeits- und Erbrecht Stefan Schilling. Will der Praxisinhaber Privat- und Geschäftsdokumente trennen, ist das in Ordnung – der Aufwand ist dann aber größer. Da es meist schon an einem Ordner scheitere, plädiert auch Sobau für die Zusammenlegung: „Lieber einmal gründlich, als zwei halbfertige Versionen.“ Telefonlisten mit den Nummern wichtiger Dienstleister, Ansprechpartner, des Versorgungswerks und der Kammer sind ebenfalls hilfreich. Genauso wie Passwörter, PIN-Nummern, ein Schlüsselverzeichnis oder Grundbuchauszüge.

Sonderfall Gemeinschaftspraxis

Achtung! Für Zahnmediziner, die in einer Gemeinschaftspraxis praktizieren, gibt es eine zusätzliche Stolperfalle. Im Normalfall firmieren Gemeinschaftspraxen als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR). Stirbt ein Teilhaber unerwartet, erlischt die Gesellschaft per Gesetz. Schilling skizziert die Folgen: „Sämtliche Miet- und Leasingverträge sind dann fällig und gehen auf die lebenden Partner über.“ Jeder Zahnmediziner haftet dann mit seinem Privatvermögen, persönlich und unmittelbar. Abhilfe schafft hier die Vertragsklausel „Beim Tod eines Gesellschafters gehen dessen Anteile an die Erben über“.

Übrigens: Im Netz kursieren diverse Vorlagen für Notfallordner oder einzelne Dokumente. „Meist sind diese für den selbstständigen Zahnarzt eher ungeeignet“, gibt Sobau zu bedenken. Die meisten Vorlagen sind fast ausschließlich für rein private Zwecke gedacht. Es gibt zwar noch Ausführungen für Gewerbebetriebe oder Firmen (etwa GmbHs) – diese sind aber für niedergelassenen Zahnärzte ungeeignet. Grund: Hier fehlen die Unterlagen, Register und Informationen für die Kammer und KZVen und Versorgungswerke. Zusätzlich gehört in einen solchen Ordner auch die besondere Praxisvollmacht des Zahnarztes. Wer trotzdem auf die kleinen Helfer zurückgreifen will, sollte diese unbedingt von einem Fachmann prüfen und an die individuellen Gegebenheiten anpassen lassen. Sobau: „Grundsätzlich gilt: besser schlecht als gar nicht.“

Ronja Gysin, Fachjournalistin

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