Leitartikel

Weniger Zucker, mehr (Mund-)Gesundheit

Dietmar Oesterreich

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die anhaltende öffentliche Diskussion um die Ernährung als Risikofaktor für zahlreiche Volkskrankheiten muss auch für die Zahnmedizin Anlass sein, ihre Position erneut zu verdeutlichen. Denn wie wir alle wissen hat die Ernährung nicht nur Einfluss auf die Mundgesundheit, sondern auf den ganzen Körper. Umgekehrt hat eine schlechte beziehungsweise nicht ausreichende Ernährung aufgrund einer schlechten Mundgesundheit und/oder eingeschränkten Kaufunktion Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit.

Tagtäglich sehen wir in der Praxis, wie die Zusammensetzung der Nahrung unmittelbar die Entstehung von Krankheiten in der Mundhöhle beeinflusst. Natürlich ist Krankheitsentstehung ein vielfältiger Prozess, aber es ist klar, dass Karies, insbesondere die zunehmenden Fälle frühkindlicher Karies, mit einem übermäßigen Konsum zuckerhaltiger Speisen und Getränke zusammenhängt. Nicht nur deshalb sieht die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) den Trend zu immer mehr und stärker gesüßten Nahrungsmitteln sehr kritisch. In Deutschland werden pro Kopf jährlich etwa 35 Kilogramm Zucker verzehrt – doppelt so viel, wie von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlen. Und je häufiger und öfter Zucker zugeführt wird, desto größer ist das Kariesrisiko.

Was also tun, um den gesundheitlichen Problemen, die durch eine falsche Ernährung entstehen, vorzubeugen? Die BZÄK hat sich bereits in der Vergangenheit bei verschiedenen Initiativen zum Thema Fehlernährung, insbesondere bei Kleinkindern, deutlich zu Wort gemeldet. Auf einer Pressekonferenz im Jahr 2014 mahnten wir gemeinsam mit anderen Organisationen insbesondere den Kinderärzten eine Zuckerreduktion in Säuglings- und Kleinkindernahrung an. Im Januar 2018 schickte die BZÄK zusammen mit der Deutschen Diabetesgesellschaft und dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V. einen offenen Brief an die Bundesregierung, in dem konkrete Maßnahmen gegen Fehlernährung gefordert wurden. Mit dem Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung das Thema Ernährung nun (endlich) auf die Agenda gesetzt. Wir wagen jedoch, die Sinnhaftigkeit der im Koalitionsvertrag angekündigten Reduktionsstrategie für Zucker, Salz und Fette in Nahrungsmitteln, die auf freiwilliges Engagement der Lebensmittelhersteller setzt, anzuzweifeln.

Auch in der zahnärztlichen Praxis müssen Ernährungsberatungen im Rahmen der Aufklärung einen höheren Stellenwert erhalten. Zudem sollten wir uns auch über steuerungspolitische Maßnahmen Gedanken machen. Erste Schritte könnten sein:

  • Die Einführung einer Sonderabgabe auf stark zuckerhaltige Softdrinks.

  • Die deutliche Reduktion des Zuckergehalts bei Nahrungsmitteln für (Klein-)Kinder sowie Werbebeschränkungen für stark gezuckerte Lebensmittel für Kinder. Die Kennzeichnung auf Kinder abzielender Lebensmittel muss hierbei besonders deutlich sein.

In Großbritannien beispielsweise hat eine Steuer auf zuckerhaltige Getränke, die seit April 2018 gilt, zur deutlichen Reduktion des Zuckeranteils in Softdrinks geführt.

Was liegt näher, als – getreu dem Grundsatz „Zahnmedizin ist integraler Bestandteil des medizinischen Fächerkanons“ – den gemeinsamen Risikofaktorenansatz aus der Wissenschaft zu nutzen, um gemeinsame Botschaften zu Fehlernährung und insbesondere zur übertriebenen Zufuhr von Zucker bekannt zu machen? Die Zahnärzte haben als Berufsstand in den letzten Jahren und Jahrzehnten Präventionserfolge bei der Mundgesundheit dokumentiert, die in anderen medizinischen Bereichen beispiellos sind. Deshalb sollten wir auch vorne dabei sein, wenn es gilt, in der Ernährung für weitere Präventionsmaßnahmen zu werben – seien es Lebensmittelkennzeichnungen, Sonderabgaben, Standards für die Schul- und Kitaverpflegung oder im Rahmen der neu geschaffenen Möglichkeiten durch das Präventionsgesetz für die Verhältnis- und Verhaltensprävention. Unser Ziel muss es sein, so früh wie möglich auf die Gefahren einer Fehlernährung für die (Mund-)Gesundheit aufmerksam zu machen. Ein kompletter Zuckerverzicht ist nicht realistisch, aber eine deutliche Zuckerreduktion sollten wir im Sinne der Mund- und Allgemeingesundheit dringend angehen.

Prof. Dr. Dietmar OesterreichVizepräsident der BZÄK

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