Überwachtes Monitoring im Langzeitverlauf

Reparierte Restaurationen 20+

Nachdem wir mit den Beiträgen von Prof. Dr. Bernd Haller, Ulm, in den zm-Ausgaben 3/2020 und 4/2020 Techniken zur Reparatur direkter und indirekter Restaurationen vorgestellt haben, präsentiert dieser Beitrag von Prof. Dr. Dr. Hans Jörg Staehle, Heidelberg, Patientenfälle mit reparierten Restaurationen, die über Jahrzehnte nachbeobachtet und dokumentiert wurden. Mit vergleichsweise geringem Aufwand ließen sich die Überlebensraten auf 20 Jahre und teilweise sogar weit mehr steigern – bei maximaler Schonung der Zahnsubstanz. Gleichzeitig wird in den Langzeitbeobachtungen deutlich, dass die konservierende Zahnheilkunde bereits vor Jahrzehnten über äußerst langlebige Materialien und Techniken verfügte. Im Hinblick auf Lebensdauer und Funktionalität liegt die Messlatte für die heutigen, ästhetisch anspruchsvolleren Lösungen also sehr hoch.

Die Möglichkeiten, defekte zahnärztliche Restaurationen zuverlässig zu reparieren, wurden in den vergangenen Jahren deutlich erweitert. Reparaturrestaurationen sind „frugale Interventionen“, die mit vergleichsweise sparsamem Mitteleinsatz dazu beitragen können, orale Strukturen zu schonen.

In diesem Beitrag geht es um die Frage, wie sich reparierte Restaurationen im Langzeitverlauf präsentieren. Dazu wurde ein Mindestalter der Restauration von 20 Jahren („20+“) gewählt. Exemplarisch wurden reparierte Restaurationen aus Amalgam, Komposit, Keramik, Gussmetall und Verbundmetallkeramik (VMK) herangezogen. Die vorgestellten Verläufe sind zwar nicht repräsentativ, bestätigen aber die positiven Einschätzungen  aus der Literatur [Casagrande et al., 2017; Fernandez et al., 2015; Frankenberger et al., 2015; Frese und Schick, 2019; Haller, 2020a und b; Hickel et al., 2013; Kanzow und Wiegand, 2019; Kanzow et al., 2019; Loomans und Ozcan, 2016; Lührs, 2015; Opdam et al., 2012; Ozcan, 2014 und 2015; Ozcan und Volpato, 2016; Staehle 2009, 2011, 2014, 2015; Staehle et al., 2014, 2015, 2016; Valente et al., 2016], die Reparaturrestaurationen einen zunehmend wichtigeren Stellenwert einräumen.

Amalgamrestaurationen

Bedingt durch die Amalgamdiskussionen wegen befürchteter Intoxikationen, die Ende des 20. Jahrhunderts einen Höhepunkt erfuhren, wurden (und werden immer noch) zahlreiche intakte Amalgamrestaurationen entfernt, auch wenn sich keine klinisch relevanten Schäden an den Zahnhartsubstanzen, dem Endodont, dem Parodont und/oder der Funktion zeigen und die betroffenen Patienten keine sie störenden ästhetischen oder sonstigen Einbußen aufweisen.

Wenn heute in einem Lehrbuch oder Fachartikel das technische Vorgehen einer neueren direkten oder indirekten Restaurationsform beschrieben werden soll, präsentieren die Autoren oft ein klinisches Ausgangsbild mit der Kennzeichnung „insuffiziente Amalgamfüllung(en)“. Bei näherer Betrachtung kommt allerdings mitunter die Frage auf, ob wirklich klinisch relevante Insuffizienzen vorlagen oder ob man (aus welchen Gründen auch immer) eine eher vordergründige Begründung für Restaurationserneuerungen suchte.

In Abbildung 1 werden etwa 30 Jahre alte Amalgamrestaurationen einer 60-jährigen Patientin gezeigt. Die Patientin wünschte eine Beratung mit der Frage: „Plomben erneuerungsbedürftig?“. Eine klinische und röntgenografische Untersuchung ergab keine Hinweise auf klinisch relevante Schäden, die ein sofortiges Eingreifen erforderlich gemacht hätten. Die Patientin wurde darüber aufgeklärt, dass bei ihr ein erhöhtes Risiko für Frakturen an den Restaurationen oder an den Zahnhartsubstanzen bestehe, die man allerdings im Eintrittsfall restaurativ angehen könne. Sie favorisierte zunächst ein Monitoring (Belassen und Beobachten). Acht Jahre später wurde wegen einer Randleistenfraktur eines Molaren eine Reparaturrestauration eingebracht (Abbildung 2). Sechzehn Jahre später wurden zwei weitere kleine Korrekturen vorgenommen (Abbildung 3). Nach 20 Jahren (Abbildung 4) war die nunmehr 80-jährige Patientin mit ihren inzwischen circa 50 Jahre alten Amalgamfüllungen immer noch sehr zufrieden. Vor diesem Hintergrund erscheint es angebracht, Restaurationen nicht voreilig als „insuffizient“ zu betrachten.

Kompositrestaurationen

Komposite werden seit weit über 30 Jahren für kleinere und größere restaurative Interventionen eingesetzt. Aus diesem Grund wird die Zahnärzteschaft inzwischen auch mit sehr alten Kompositversorgungen konfrontiert. Trotz einzelner Läsionen – beispielsweise (Rand-)Verfärbungen, Chipping-Frakturen oder Sekundärkaries – erfüllen unzählige Restaurationen dieser Art über Jahrzehnte ihre Funktion. Anstelle eine in weiten Teilen noch erhaltungswürdige Restauration vollständig zu entfernen, kann bei umrissenen Defekten eine Versorgung im Sinne von „Komposit in Komposit“ in Erwägung gezogen werden.

Ein klinisches Beispiel ist in den Abbildungen 5 bis 7 dargestellt. Bei einem 40-jährigen Patienten konnte das Überleben einer circa 15 Jahre alten Kompositrestauration mit Randkaries mittels einer Reparatur um bislang 10 Jahre auf circa 25 Jahre verlängert werden und es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Reparatur nicht noch lange Zeit Bestand haben sollte.

Keramikrestaurationen

Obwohl Keramiken gute werkstoffkundliche Eigenschaften haben, kommt es auch hier gelegentlich zu Frakturen oder Abplatzungen, die einer Reparatur bedürfen. In den Abbildungen 8 und 9 wird ein frakturiertes Keramik-Inlay einer 24-jährigen Patientin vorgestellt, dessen Überleben durch eine kleine Reparaturrestauration um bislang 20 Jahre verlängert werden konnte. Kleinere Mängel wie Randverfärbungen und Rillen am Interface zwischen Reparaturkomposit und Zahnhartsubstanzen sind nicht größer als jene zwischen Keramikinlay, Befestigungskomposit und Zahnhartsubstanzen.

Reine Gussmetallrestaurationen

Gussmetallrestaurationen zählen nach wie vor zu den langlebigsten Versorgungen, die wir kennen. Aber auch hier kann es zu Abplatzungen, Perforationen oder Randkaries kommen. In den Abbildungen 10 bis 12 wird ein 54-jähriger Patient mit einem etwa 25 Jahre alten Gusmetall-Inlay vorgestellt, an dessen Rand ein kariöser Defekt eingetreten war. Die daraufhin eingebrachte Reparaturrestauration erfüllt seit inzwischen 22 Jahren ihren Zweck, so dass die Gesamtüberlebenszeit momentan bei fast 50 Jahren liegt.

Verbundmetallkeramik (VMK)

Ein kritischer Bereich von VMK-Kronen sind unter anderem die Ränder, die aus ästhetischen Gründen zuweilen subgingival platziert werden. Nach einigen Jahren kommt es jedoch manchmal infolge von Attachmentverlust zu einem Freiliegen dieser Ränder, was unter anderem mit ästhetischen Beeinträchtigungen und/oder Randkaries assoziiert sein kann. Man kann diese Problematik durch bukkale Kronenrandverlängerungen mithilfe einer Reparaturrestauration aus Komposit angehen, was selbst bei weiterem Attachmentverlust in der Regel ästhetisch weniger störend ist, als kontrastreiche grau-schwarze Kronenränder. In den Abbildungen 13 bis 15 wird dazu ein Beispiel vorgestellt.

Technisches Vorgehen

Bei den in diesem Beitrag präsentierten Reparaturrestaurationen wurde in der Regel wie folgt vorgegangen:

  • Anamnese, Befundaufnahme, Diagnosestellung, Eruierung von Behandlungsalternativen, Therapieplanung, Patientenaufklärung

  • Schadensgerechte Präparation und gegebenenfalls Kariesentfernung

  • Falls möglich: absolute Trockenlegung mittels Kofferdam, Mikrosandstrahlen der Oberflächen mit Aluminiumoxidpulver (27µm Partikelgröße an Kompositen, 50 µm Partikelgröße an Amalgamen, Gussmetallen und Keramiken)

  • Falls erforderlich: Matrizen, Keil und Separationsringapplikation

  • Bei Schmelz-, Dentin- und Kompositoberflächen: Auftragen von Phosphorsäure, Spülen, Trocknen, Primer- und Adhäsivtouchierung sowie Lichthärtung des Adhäsivs. Bei Oberflächen aus Glas- und Feldspatkeramiken kann das zusätzliche intraorale Anätzen mit gepufferter(!) Flusssäure vorteilhaft sein. Bei Mischoberflächen sollte die Flusssäureapplikation erst nach der Ätzung mit Phosphorsäure vorgenommen werden. Bei Keramikoberflächen (gegebenenfalls auch Amalgam- und Gussmetalloberflächen) wird nach dem Trocknen und vor der Primer- und Adhäsivtouchierung zusätzlich Silan appliziert.

  • Falls erforderlich: zum Abdecken starker Verfärbungen Auftragen von Opaker

  • Einbringen einer geringen Menge von fließfähigem Komposit, auf das (im noch nicht gehärteten Zustand) Restaurationskomposit aufgetragen wird (Schneepflugtechnik), erst anschließend Lichthärtung des Komposits

  • Ausarbeiten und Politur

  • Überprüfung der Hygienefähigkeit mit Instruktion zur Interdentalraumhygiene mit individuell ausgesuchten Interdentalraumbürsten

  • Eingliederung in einen restaurativen Recall

Schlussbemerkung

Reparaturrestaurationen haben im Vergleich zu anderen Interventionen oftmals sowohl ein günstiges „Nutzen-Risiko-Verhältnis“ als auch ein günstiges „Nutzen-Kosten-Verhältnis“. Sie lassen sich als wichtiges Beispiel für „frugale Interventionen“ ansehen, die zu einer Verbesserung der Versorgung bei gleichzeitiger Verringerung der Kosten beitragen können [Staehle, 2016 und 2019]. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Bedeutung frugaler Methoden durch eine Weiterentwicklung der Materialien, eine Vereinfachung der Verarbeitungstechniken und eine Verbesserung der wissenschaftlichen Studienlage zum Langzeitverhalten zahnärztlicher Reparaturrestaurationen künftig sogar noch steigen wird.

Prof. Dr. Dr. Hans Jörg Staehle

Poliklinik für Zahnerhaltungskunde der Klinik für Mund-, Zahn- und Kieferkrankheiten des Universitätsklinikums Heidelberg

Im Neuenheimer Feld 400,69120 Heidelberg

hansjoerg.staehle@med.uni-heidelberg.de

Abbildungen 1–4: Nachbeobachtungen und Reparaturen bei 30 Jahre alten Amalgamrestaurationen über einen Zeitraum von weiteren 20 Jahren

Abbildungen 5–7: Nachbeobachtung und Reparatur bei einer 15 Jahre alten Kompositrestauration über einen Zeitraum von 10 weiteren Jahren

Abbildungen 8–9: Repariertes Keramikinlay nach 20 Jahren

Abbildungen 10–12: Nachbeobachtung und Reparatur eines 25 Jahre alten Gussmetall-Inlays über einen Zeitraum von 22 weiteren Jahren

Ausgangssituation

Reparatur-Restauration 

Kontrolle nach 22 Jahren

Abbildungen 13–15: Nachbeobachtung und Reparatur einer 24 Jahre alten VMK-Überkronung über einen Zeitraum von 16 weiteren Jahren (Gesamtbeobachtungszeit: 40 Jahre)

Literaturliste

1.    Casagrande L, Laske M, Bronkhorst EM et al.: Repair may increase survival of direct posterior restorations – A practice based study. J Dent 2017; 64: 30-6. Doi:10.1016/j.jdent.2017.06.002.

2.    Fernandez E, Martin J, Vildosola P et al.: Can repair increase the longevity of composite resins? Results of a 10-year clinical trial. J Dent 2015; 43:279-286.doi:10.1016/j.jdent.2014.05.015.

3.    Frankenberger R, Braun A, Roggendorf MJ. Reparatur zahnärztlicher Restaurationen. Zahnmedizin up2date 2015; 9 (4) 297-312.

4.    Frese C, Schick S: Arbeitsabläufe bei Reparaturrestaurationen mit Kompositmaterialien. Zahnmedizin up2date 2019; 13 (5):1-22.

5.    Haller B. Reparatur von Restaurationen Teil 1. Zahnärztl Mitt 2020; 110 (3):44 (166)-55 (177).

6.    Haller B. Reparatur von Restaurationen Teil 2. Zahnärztl Mitt 2020; 110 (4):42 (272)-53 (283).

7.    Hickel R, Brushaver K, Ilic N: repair of restorations – criteria for decision making and clinical recommondations. Dent Mater 2013; 29:28-50.doi:10.1016/j.dental.2012.07.006.

8.    Kanzow P, Wiegand A. Retrospective analysis on the repair vs. replacement of composite restorations. Dent Mat 2019, doi.org/10.1016/j.dental.2019.11.001; vgl. auch Kommentar: Albrecht K: Füllungen reparieren statt austauschen. Zahnärztl Mitt 2020; 110 (3): 56 (178) -57 (179). 

9.    Kanzow P, Wiegand A, Schwendicke F et al.: Same, same, but different? A systematic review of protocols for restoraiton repair. J Dent 2019;86:1-16. Doi:10.1016/j.jdent.2019.05.021.

10.    Loomans B, Ozcan M: Intraoral repair of indirekt Restoraitons: Procedures and guidelines. Oper Dent 2016; 41: S68-S78. Doi:10.2341/15-269-LIT.

11.    Lührs AK: Reparatur zahnärztlicher Seitenzahnrestaurationen – immer noch obsolet? Dtsch Zahnärztl Z 2015; 70:98-109.

12.    Opdam NJ, Bronkhorst EM, Loomans BA, Huysmans MC. Longevity of repaired restorations: a practice based study. J Dent 2012;40:829-35.

13.    Ozcan M: Surface conditioning protocol for multiple substrates in repair of cervical recessions adjacent to ceramic. J Adhes Dent 2014; 16:394. Doi:10.3290/j.jad.a34175.

14.    Ozcan M: How to repair ceramic chipping or fracture in metal-ceramic fixed dental prostehes intraorally: step-by-step procedures. J Adhes Dent 2014; 16: 491-492. Doi:10.3290/j.jad.a33094.

15.    Ozcan, M: Intraoral repair protocol for chipping or fracture of veneering ceramic in zirconia fixed dental prostheses. J Adhes Dent 2015; 17: 189-190. Doi:10.3290/j.jad.a34175.

16.    Ozcan M, Volpato CA: Repair Protocol for Amalgam Fillings With and Without Cusp Fracture: How and Why? J Adhes Dent 2016; 18:364-365. Doi:10.3290/j.jad.a36721.

17.    Staehle HJ. Reparatur eines frakturierten Keramikinlays – eine Langzeitbeobachtung. Quintessenz 2009;60:705-711.

18.    Staehle HJ. Reparatur zahnärztlicher Restaurationen. Zahnärzteblatt Baden-Württemberg 2011;39:30-32.

19.    Staehle HJ: Mehr Zahnerhaltung! Problemlösungen in der Restaurativen Zahnheilkunde. Quintessenz, Berlin 2014.

20.    Staehle, HJ, Wolf D, Frese C. Mehr Zahnerhaltung wagen. Langzeitbeobachtungen von direkten Kompositrestaurationen Quintessenz 2014; 65 (5): 547-555.

21.    Staehle HJ, Wolff D, Frese C: More conservative dentistry: Clinical long-term results of direct composite resin restorations. Quintessence Int 2015;46:373-380.

22.    Staehle HJ: Restaurationsreparatur mit Kompositmaterialien. Quintesssenz 2015; 66 (3):249-256.

23.    Staehle HJ: Frugale Innovationen in der Zahnmedizin. Zahnmedizin up2date 2016; 10 (3): 197-198.

24.    Staehle HJ, Wolff D, Frese C: Restaurationsunterhalt durch Umrissoptimierungen und Reparaturen. Quintessenz 2016; 67(9):1077-1091.

25.    Staehle HJ: Lowtech-Dentistry Bewährte und neue Interventionen in der Zahnmedizin. Zahnärztl Mitt  2019; 109 (10): 1081(19) – 1095 (33).

26.    Valente LL, et al. Repair bond strength of dental composites: systematic review and meta-analysis. Int J Adhes Adhes (2016), dx.doi.org/10.1016/j.ijadhadh.2016.03.020i

Prof. Dr. Dr. Hans Jörg Staehle

Poliklinik für Zahnerhaltungskunde der Klinik für MKG-Krankheiten des Universitätsklinikums Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 400,
69120 Heidelberg

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