Editorial

Akzente

Liebe Leserinnen und Leser,

auch wenn sich Opposition und Bundeskanzler nicht mögen, in einem Punkt sind sie sich einig: Dass die Bundesregierung immer mehr durch Kakophonie auffällt. Da gehen Gerhard Schröder und seine Kontrahenten durchaus konform. Doch während der Kanzler erfolglos zur Geschlossenheit mahnt, kann die Opposition sich – zumindest in dieser Sache – weiterhin freuen: Diese Art öffentlicher Auftritt ist offensichtlich im rot-grünen Dunstkreis ansteckend. Sie scheint inzwischen auch die von der Bundesgesundheitsministerin eingesetzte Rürup-Kommission erreicht zu haben.

Aber was gilt da eigentlich als Missklang? Dass die Kommissionäre in der Öffentlichkeit ihre in Fachkreisen ohnehin schon bekannte Meinung offen „ausposaunen“? Was der Freiburger Finanzexperte Bernd Raffelhüschen will – die Herausnahme des Zahnersatzes aus der gesetzlichen Krankenversicherung und einen Jahresselbstbehalt für jeden Versicherten –, das war doch kein neuer Gedanke, er war nur – für diese Regierung als Auftraggeber – ungewöhnlich. Und auch Kommissionsleiter Bert Rürup selbst hat sich vorab schon mit einzelnen Vorstellungen geäußert. Allerdings einige Wochen früher. Inzwischen gilt es wohl als Missklang, als Kakophonie, wenn jemand laut über Möglichkeiten nachdenkt, die dieser Regierung nicht gefallen.

Aber die Rürup-Kommission ist ja nur ein Gremium der, so zm-Gastkommentator Hartwig Broll, „eigenwilligen Beratungsstruktur“, die die Bundesregierung sich inzwischen geschaffen hat. Welche Rolle sie in den weiteren Plänen der Bundesgesundheitsministerin spielen wird, daran scheiden sich zurzeit die Geister. Zu wünschen bleibt, dass man sich endlich den nötigen Überblick zum richtigen Handeln verschafft.

Die Betrachtung multikausaler Zusammenhänge im Gesundheitswesen, der „Blick aufs Ganze“ ist – aus einer anderen Blickrichtung – diesmal Thema der zm-Titelstory: „Public Health“, für viele Gesundheitsfachleute und -politiker Deutschlands ein immer noch kritisch beäugtes Stiefkind, erobert sich in Wissenschaft und einschlägiger Ressortpolitik Stück für Stück immer mehr Raum. Deutlich ist inzwischen, dass dieses auf internationaler Ebene weit mehr als hier zu Lande genutzte Instrument nicht nur fremden Händen überlassen bleiben darf.

„Man soll sie nicht an ihrem Gebiss erkennen.“ So lautet das politische Totschlagargument gegen die immer wieder geführte, jetzt aktuell wieder aufgenommene Diskussion, Zahnersatz aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherer herauszunehmen.

Abgesehen davon, dass dieser Ansatz jeglicher Realität entbehrt, beweist diese Art Angstmacherei etwas ganz anderes: Solidar versichert, so die logische Folge dieser Argumentation, wäre also nicht in erster Linie Zahn-Gesundheit, sondern ein auf nach oben offenem Niveau anzusiedelndes Gleichmaß GKV-finanzierter Ästhetik oder Kosmetik.

Ist das wirklich so gewollt? Oder einfach nur so daher gesagt, um die öffentliche Meinung weiterhin vom eigentlichen Problem abzulenken?

Mit freundlichem Gruß

Egbert Maibach-Nagelzm-Chefredakteur

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