Gütertrennung, Unterhalt und Co.

Eheverträge mit und ohne Sitten

Joachim Kirchmann Immer mehr Ehen liegt ein Ehevertrag zu Grunde. Dank der vom Grundgesetz garantierten Vertragsfreiheit können mündige Bürger vor einem Notar alle unliebsamen Ehegesetze umgehen. Nun hat der Bundesgerichtshof zu befinden: Was ist dabei sittenwidrig?

Nicht nur Prominente aus dem Showbusiness schließen in der Regel einen Ehevertrag ab, ehe sie auf dem Standesamt „ewige“ Treue geloben. Wer aus den Medien erfährt, dass wieder einmal ein Promi, womöglich gar zum wiederholten Mal, sein Ja-Wort zur Ehe ausgesprochen hat, weiß nur zu gut: Auch eine bürgerliche Ehe hält nur noch in den seltensten Fällen bis zum Tod. So kamen im letzten statistisch ausgewerteten Jahr 2001 auf etwa 400 000 Eheschließungen gut 200 000 Ehescheidungen. Hinzu kommt: Eine unbekannte Vielzahl von Paaren lebt ohne Trauschein zusammen und zieht auch ohne den Segen des Staates Kinder groß.

Anders als in vielen Nachbarländern besteht der deutsche Staat aber auf die Legitimation einer Ehe durch das Standesamt, will ein Paar beispielsweise an gewissen Steuervorteilen partizipieren. Im Vordergrund stehen hier das so genannte Ehegatten-Splitting oder die ansehnlichen Freibeträge, die im Erb- oder Schenkungsfall den ehelich legitimierten Angehörigen gewährt werden. Und nur eine standesamtlich ausgewiesene Witwe hat Anspruch darauf, im Rahmen der gesetzlich geregelten Renten- oder Versorgungsbezüge zumindest einen Teil der vom Partner erarbeiteten Ansprüche weiter beziehen zu dürfen. Eine langjährige „Lebensabschnittsgefährtin“ kann sehen, wo sie bleibt.

Kompromiss

Weil die Gesetze zur Regelung von Lebensgemeinschaften hier zu Lande recht rigide sind, schließen viele modern denkende Paare mit dem Staat einen Kompromiss: Sie gehen zum Standesamt, um vorsorglich finanziellen Schaden für sich und ihre Nachkommen abzuwenden. Zugleich aber schließen sie einen Ehevertrag, um sich von den Gesetzen zu befreien, die das Finanzielle nach einer Trennung oder Scheidung regeln. Zumeist wird dabei die „Zugewinngemeinschaft“ annulliert. Sie tritt automatisch in Kraft, wenn die Eheleute nichts anderes vereinbaren. Im Falle einer Scheidung hat dieser zudiktierte „Güterstand“ die Aufteilung des ehelichen Zugewinns an Vermögen in zwei Hälften zur Folge. Nach dem gleichen Prinzip wird auch der Versorgungsausgleich geregelt. Er teilt die Rentenansprüche unter Geschiedenen auf. Auch die gesetzliche Regelung von Unterhaltszahlungen lässt sich per Vertrag wieder aushebeln.

Nun aber hat das Oberlandesgericht (OLG) München in einem Aufsehen erregenden Urteil (Aktenzeichen: 4 UF 7/02) die Vertragsfreiheit bei der Ausgestaltung von Eheverträgen in Frage gestellt. Der Fall: Ein recht wohlhabender Ehemann hatte mit seiner akademisch ausgebildeten Ehefrau rund drei Jahre nach der Eheschließung und zwei Jahre nach der Geburt einer Tochter nicht nur „Gütertrennung“, sondern auch – im Fall einer Scheidung – den Verzicht auf einen Versorgungsausgleich wie auch einen Verzicht auf nachehelichen Unterhalt vereinbart. Als Ausgleich dafür hatte die Ehefrau und Mutter zugestimmt, sich ab 60 Jahren mit einer nicht gerade hoch dotierten Lebensversicherung zu begnügen. Und im Scheidungsfall sollte eine ebenfalls nicht üppig dotierte einmalige Abfindung fällig werden – jeweils zu finanzieren vom Ehemann.

Unangemessen

Als die Ehe tatsächlich in die Brüche ging, focht die Ehefrau den notariell beglaubigten Ehevertrag an. Sie bekam beim OLG München Recht. Dieses Gericht hält die Klägerin durch ihren Ehevertrag für „einseitig unangemessen belastet“. Damit wird dieser Vertrag für sittenwidrig und nichtig erklärt. Gegen diesen Spruch und die Interpretation des Ehevertrags von Seiten des Münchner OLG legte der Ehemann Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) ein. Das Verfahren läuft hier unter dem Aktenzeichen XII ZR 265/02. Bis der BGH in womöglich einigen Jahren sein Endurteil gesprochen hat, müssen sich Anwälte und Notare, allein um keinen Haftungsfall zu riskieren, an das nicht rechtskräftige OLG-Urteil halten.

Das heißt: Die bislang geltende und in zahlreichen Urteilen bestätigte Rechtsgrundlage „Vertrag ist Vertrag“ ist nun aus Gründen in Frage gestellt, die bislang stets erfolglos geblieben waren. Tausende von Verträgen müssen nun, nicht zuletzt auch aus Haftungsgründen, von den involvierten Anwälten und Notaren daraufhin überprüft werden, ob sie auch zu „sittenwidrigen“ Klauseln geraten haben. Bevor sie dadurch ungültig werden, müsste man sie revidieren. Schwieriger noch: Die involvierten Anwälte und Notare müssen bis zum Urteil des Bundesgerichtshofs darüber befinden, was womöglich sittenwidrig sein könnte, was also einen Mandanten über die Zumutbarkeitsgrenze hinaus benachteiligen würde. Denn dem aktuellen Urteil des OLG München zufolge spielt es keine Rolle mehr, dass sich Eheleute untereinander über den Vertragsinhalt einig waren, dass sie sich keinerlei Druck ausgeliefert fühlten, dass sie im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte und auch aufgrund ihrer geistigen Potenz in der Lage waren, die Konsequenzen ihrer notariell beglaubigten Willenserklärung realistisch einzuschätzen.

Unterhalts-Verzicht

Bislang fällte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe im Jahr 2001 zwei Grundsatzentscheidungen zur Sittenwidrigkeit von Eheverträgen. In dem einen Fall (Aktenzeichen 1 BvR 12/92) hatte eine hochschwangere Frau einen Ehevertrag unterschrieben, ohne den es keine Ehe gegeben hätte. In der Hoffnung, dass das zu erwartende Kind in geordneten Familienverhältnissen aufwachsen würde, verzichtete die Klägerin im Falle einer Scheidung auf nachehelichen Unterhalt und begnügte sich mit 75 Euro monatlicher Unterhaltszahlung für das Kind. Im zweiten Fall (1 BvR 1766/92) hatte die Klägerin bereits ein schwerbehindertes Kind. Sie vereinbarte mit ihrem Ehemann Gütertrennung, schloss den Versorgungsausgleich aus und verzichtete auf Unterhalt. In beiden Fällen, so entschieden die höchsten deutschen Verfassungshüter, hätten sich die betroffenen Frauen in einer Zwangslage befunden. Sie hätten unter dem Druck einer Ausnahmesituation nicht frei entscheiden können. Deshalb seien ihre Eheverträge für nichtig zu erklären.

Vertrag ist Vertrag

Nun aber befand sich die Klägerin vor dem Münchner OLG in keiner Zwangssituation. Sie handelte auch nicht unter Druck. Sie war Akademikerin und musste wissen, was ihr Ehevertrag für sie im Ernstfall bedeutete. „Es kann doch nicht unsere Aufgabe sein, auf die Entscheidungen unserer Mandanten inhaltlichen Einfluss zu nehmen, zumal, wenn ihnen mit unserer Hilfe klar geworden ist, dass sie wissen, was sie tun“, so kritisierte ein bekannter Münchner Notar das aktuelle Urteil des ortsansässigen Oberlandesgerichts. Dasselbe Gericht, nur ein anderer Senat, hatte im letzten Jahr noch nach dem Grundsatz „Vertrag ist Vertrag“ entschieden: Es ging um eine Frau, die kurz nach ihrer Heirat einen notariellen Ehevertrag mit Gütertrennung, Ausschluss des Versorgungsausgleichs und Unterhaltsverzicht unterschrieben hatte. Nach einer Scheidung berief sie sich auf Sittenwidrigkeit und wollte den Vertrag annullieren lassen. Die OLG-Richter wiesen die Revisionsklage ab.

Trotz der nun herrschenden Rechtsunsicherheit sollten Ehepaare in bestimmten Situationen nicht auf einen Ehevertrag verzichten. Das gilt beispielsweise für Eheleute, die Doppelverdiener sind und in ihrer Ehe keine Kinder haben wollen oder haben können. Um im Fall einer Scheidung in finanzieller Hinsicht klare Verhältnisse zu haben, sollten sie sich nicht daran hindern lassen, die Zugewinngemeinschaft oder den Versorgungsausgleich auszuschließen und auf nachehelichen Unterhalt zu verzichten. Denn bei völliger finanzieller Selbständigkeit gibt es keinen Grund, diese vernünftige Übereinkunft unter friedfertigen Ehepartnern später als sittenwidrig zu werten.

Gütertrennung

Unternehmer – also auch Zahnärzte mit eigener Praxis – müssen nicht gleich die im Erbfall sehr nachteilige Gütertrennung vereinbaren. Sie sollten vielmehr per Ehevertrag zumindest den Zugewinnausgleich beim Betriebsvermögen ausschließen. Sonst nämlich müsste im Scheidungsfall die Hälfte des Firmen- oder Praxiswertes als Entschädigung an den Expartner gezahlt werden. Das führte schon zu Zwangsverkäufen. Unternehmer, die nach einer Scheidung ihr Unternehmen behalten wollen, geraten nicht selten in finanzielle Bedrängnis.

Auch wenn ein großes Erbe in Aussicht steht, empfiehlt es sich, per Vertrag den Zugewinn aus diesem Erbe während der Dauer einer Ehe im Scheidungsfall nicht mit dem Partner teilen zu müssen. Das Erbe als solches, auch wenn es einem verheirateten Erben zugesprochen wird, bleibt unangetastet. Nur der Wertzuwachs, bei Immobilien auf dem Papier, bei Wertpapieren in Form von Geld, müsste im Scheidungsfall laut Gesetz gleichmäßig unter den Eheleuten aufgeteilt werden.

Besteht unter Heiratswilligen ein großer Alters- oder Vermögensunterschied, rät schon die Vernunft zu einem Ehevertrag. Das gilt erst recht, wenn der Vermögende aus anderen Ehen Kinder hat und kraft der geltenden Gesetze die „natürliche“ Erbfolge völlig durcheinander geraten würde. So können Geschiedene oder Verwitwete – die noch einmal heiraten, ihre erbberechtigten Kinder aber nicht benachteiligen möchten – einen Ehevertrag mit einem Erbvertrag verbinden; unter Umständen auch mit einem Vertrag auf Pflichtteilsverzicht (in der Regel nur machbar mit einer ausgehandelten Entschädigung). Denn auch im Erbrecht gilt im Prinzip das Grundrecht der Vertragsfreiheit. Ein Erblasser sollte dieses Grundrecht der Vertragsfreiheit unbedingt nutzen, jedenfalls so lange er seine (mündigen) Erben in Frieden zum gemeinsamen Vertragsabschluss überzeugen kann. In einem Testament finden sich leicht Anfechtungspunkte. Einen eigenhändig unterschriebenen Vertrag anzufechten, ist dagegen weniger Erfolg versprechend.

Teurer ist sicherer

Gleichgültig, wie das ausstehende Urteil des Bundesgerichtshofs ausfallen wird – Ehevertragspartner können schon im Vorhinein den später möglichen Vorwurf der Sittenwidrigkeit ihrer Abmachungen weitgehend entkräften. Auch wenn es teurer ist, sollte sich jeder Vertragspartner gesondert einen Anwalt nehmen und sich separat beraten lassen. Ein Protokoll über diese Beratung ist hilfreich und sollte aufgehoben werden. Dann nämlich ist der Vorwurf vom Tisch, eine Partei, das ist in der Regel die bezahlende, hätte die andere dominiert oder gar unter Druck gesetzt. Hilfreich ist auch, wenn in einer Präambel die Motive für den ausgehandelten und notariell beglaubigten Vertrag festgehalten werden. Sind die Motive genannt, gibt es für die Unterstellung einer Sittenwidrigkeit keinen triftigen Anlass.

Joachim Kirchmann

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