Leitartikel

Licht und Schatten

Sehr verehrte Frau Kollegin,sehr geehrter Herr Kollege,

das allbeherrschende Thema des politischen Sommers ist der parteienübergreifende Konsens zur Gesundheitsreform. Die Eckpunkte liegen vor – es wird allerorts dazu heiß diskutiert, „nachgebessert“ und Stellung bezogen. Was heute noch gilt, ist morgen schon überholt, und während diese zm-Ausgabe bereits in Druck ist, erwarten wir den neuen Referentenentwurf, der uns – hoffentlich – mehr Klarheit beschert. Der Kompromiss birgt Positives wie Negatives, und wir müssen abwarten, was die Ministerialbürokratie letztlich daraus macht. Eine Portion gesunder Skepsis ist angebracht.

Doch zunächst ist es wichtig, einmal gründlich hinzuschauen und die Dinge zu analysieren. Das Papier strotzt von Widersprüchen. Was im neuen Entwurf steht, birgt für die Zahnärzte sowohl Licht als auch Schatten. Das betrifft zuallererst die geplante Ausgliederung von Zahnersatz-Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung. Zusammen mit der Einführung befundorientierter Festzuschüsse und Kostenerstattung bietet sich hier die Chance, eine sozial gerechtere, zahnmedizinisch umfassende und qualitätsgesicherte Versorgung unserer Patienten zu schaffen. Es könnte sein, dass sich dies als erster sinnvoller Schritt in eine nachhaltig tragbare Zukunft unseres Gesundheitssystems entwickelt. Die geplante Umstrukturierung der Versicherung von Zahnersatz-Leistungen ist ein Teil des zahnärztlichen Reformkonzeptes und hat modellhaften Charakter.

Im Gegensatz zu prozentualen Zuschüssen verhindern befundorientierte Festzuschüsse das Abgreifen höherer Geldsummen aus dem Solidartopf seitens bessergestellter Bürger. Darüber hinaus wird ein Patient den Festzuschuss nicht verlieren, unabhängig davon, welche Therapieform er wählt. Und das wäre ein großer Fortschritt.

Doch in dem vom Parteienkompromiss beschrittenen Weg liegt bereits eine Fallgrube. Es besteht die große Gefahr, dass es nicht zu einer echten privaten Absicherung mit risikoadäquaten Prämien kommt, denn die Gesetzlichen Krankenkassen sollen genauso beteiligt werden wie die privaten. Das ist eine systemwidrige Vermischung, die es so nicht geben kann. Zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen führt dies obendrein. Das kann kein zukunftsfähiges Modell sein. Fachlich und präventionsorientiert gesehen gibt es zwar keinen Grund, den Zahnersatz isoliert anders zu organisieren als den Rest der ZahnMedizin. Gleichwohl sollte der jetzige Weg aus übergeordneter Betrachtungsweise heraus toleriert und gefördert werden.

Ganz dringend ist davon abzuraten, Zahnersatz-Behandlungen zu verschieben und danach auszurichten, dass sich vielleicht später Zuzahlungen reduzieren könnten. Das sollten wir unseren Patienten verdeutlichen. Notwendige Behandlungen sollten nicht von der Verabschiedung einer Gesundheitsreform abhängig gemacht werden, von der noch niemand weiß, wie sie zum Schluss im Detail aussehen wird.

Der Parteienkonsens birgt eine Regelung, die wir als Zahnärzte ganz strikt ablehnen. Es geht um die Zwangsfortbildung. Das ist eine ganz und gar überflüssige Gängelung, denn Fortbildung ist über die Heilberufsgesetze und die Berufsordnungen detailliert geregelt. Eine validierte Studie, dass Zwangsfortbildung Positives bewirkt, liegt weltweit nicht vor. Im Gegenteil, die Erfahrungen deuten eher auf eine Demotivierung hin.

Seitens der Zahnärzteschaft werden wir uns natürlich weiterhin kontinuierlich in den laufenden Prozess einbringen und konstruktiv unsere Konzepte verfolgen. Die Standespolitik ist hier gefordert, aber auch der Kollege in der Praxis, der sich vielen offenen Fragen der Patienten ausgesetzt sehen wird.

Licht wie Schatten zeichnen sich ab. Doch was wir möchten, bleibt nach wie vor nicht im Dunklen: Wir wollen den freien Zugang unserer Patienten zu einer präventionsorientierten ZahnMedizin. Daran werden wir mit Vehemenz weiter arbeiten.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Dr. Jürgen WeitkampPräsident der Bundeszahnärztekammer

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