Leitartikel

Worten müssen Taten folgen

Heftarchiv Meinung

Sehr geehrte Frau Kollegin,sehr geehrter Herr Kollege,

den Sozialdemokraten unseres Landes sollten die Wahlen in Hessen und Niedersachsen mehr sein als nur ein weiteres Warnsignal. Noch ein „Wir haben verstanden“ von Bundeskanzler Gerhard Schröder als Antwort wird nicht mehr reichen, die rotgrüne Fraktion über den Rest dieser Legislaturperiode auf der Regierungsbank schadlos zu halten.

Wirklich politisch Denkenden dürfte die mit den Füßen vollzogene Abwanderung der Bürger spätestens jetzt klar gemacht haben, dass man sich Unwahrheiten, leere Versprechen und konzeptionsloses Taktieren merkt. Ob Runder Tisch, Hartz oder Rürup, hier gibt es nichts mehr zu kommissionieren, aufzuschieben oder gar zu kaschieren.

Auffällig an diesen Erdrutsch-Wahlen ist aber auch, dass die als Fürsprecher der Arbeitnehmerschaft auftretenden Gewerkschaften – sie glauben sich berufen, in sozialreformerischen Fragen als die aggressivsten Werber für die maroden Regierungspläne des Bewahrens agieren zu müssen – ebenfalls einen deutlichen Denkzettel erhalten haben. Weder DGB noch ver.di sind glaubwürdige Reformer – sie sind die wahren „Bremser der Nation“.

Einen ähnlichen Wahrheitsgehalt bescheinigen die Wahlen übrigens auch den inzwischen überstrapazierten Schwarz-Weiß-Malereien, dass man Ärzten und Zahnärzten in gesundheitspolitischen Fragen nicht, lobbyistischen Arbeitnehmervertretern dagegen bedingungslos trauen darf. Die Wähler haben gezeigt, was sie von solchen Methoden halten.

Bundessozialministerin Ulla Schmidt wird aus diesen deftigen Quittungen – sie galten nun einmal nicht nur Schröder und Eichel – vieles zu lernen haben. Sie täte schon jetzt gut daran, ein politisch denkwürdiges Motto der traditionsreichen Mailänder Zeitung „Corriere della Sera“ zu verinnerlichen: „Die Demokratie ist eine der unbequemsten Einrichtungen, weil sie uns zwingt, Leute, die nicht unserer Meinung sind, respektabel oder sogar intelligent zu finden.“ Mit diesem Gedankengut im Hinterkopf könnte sie den Ideenreichtum Andersdenkender in den kommenden Wochen vielleicht vorbehaltloser, undogmatischer aufnehmen. Wirkungsvolle, weil nachhaltige Reformen sind ohne solches Denken nicht leistbar. Uns Zahnärzten und Ärzten haben die demokratischen Signale dieser Landtagswahlen jedenfalls neuen Ansporn gegeben, unsere Bestrebungen für eine sozial gerechte, dem medizinischen Fortschritt offene, wirtschaftlich nachhaltige und wissenschaftlich abgesicherte Systematik unseres Gesundheitswesens beharrlich fortzusetzen.

Aber auch der Opposition – eine Bezeichnung, die diesen Kräften jenseits der Bundesebene längst nicht mehr gerecht wird – haben die Landtagswahlen eine neue Verantwortung zugewiesen. Die für unseren Berufsstand zum Teil durchaus akzeptablen gesundheitspolitischen Vorstellungen, wie sie Horst Seehofer für die CDU/CSU und Wolfgang Gerhardt für die FDP auf unserem Neujahrsempfang – noch vor den Wahlen – in ihren Grußworten dargestellt haben, können nach der Volksentscheidung vom 2. Februar ganz anders in die praktische Politik eingebracht werden.

Auch wenn die Regierungsbank rot-grün bleibt: Die anstehende Gesundheitsreform ist ohne ein Denken im Konsens nicht umsetzbar. Jetzt kann die Opposition zeigen, ob sie ihre Gegenkonzepte zu staatlicher Reglementierung auch mit Vehemenz einfordert. Jetzt haben deren Experten die Chance, mit zukunftsoffenem Denken, einer guten Verhandlungsposition und entsprechendem Mut die entscheidenden Grundlagen zu schaffen, die weitere untaugliche Reförmchen verhindern helfen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Dr. Jürgen WeitkampPräsident der Bundeszahnärztekammer

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