Alles gecheckt
Ohne einen gründlichen Check aller wichtigen Systeme würde kein gewissenhafter Pilot sein Flugzeug auf die Startbahn bringen – geschweige denn abheben, falls die Checkliste nicht vollständig abgearbeitet ist. Was im Luftverkehr zum Alltag gehört, gilt in ähnlicher Form für die Praxis. Zahnmedizinisch würde hier wohl kein Chef Kompromisse eingehen; schließlich ist das sein akademisches Handwerk, das er beherrscht und das er für seine Patienten täglich einsetzt. Doch genau wie ein guter Pilot kann auch ein Zahnarzt auf „Bodenpersonal” angewiesen sein – auf Experten, die seine Praxis gründlich durchchecken, nach Schwierigkeiten suchen, Probleme aufdecken und entsprechende Lösungsvorschläge machen. Gerade in den Bereichen Organisation und Management kann externer Rat beizeiten hilfreich sein; nämlich dann, wenn Turbulenzen drohen.
Den richtigen Berater zu finden ist allerdings alles andere als leicht. Etliche Institute, Agenturen und Consultingunternehmen bieten den deutschen Zahnärzten ihre Dienste an. Ob und wie gut der eigenen Praxis durch professionelle Hilfe von außen gedient ist, kann letztlich nur der Zahnarzt selbst entscheiden. Deshalb wäre es geradezu müßig, Empfehlungen auszusprechen – ein allgemeingültiges Erfolgsrezept gibt es nicht.
Viele Praxisprobleme würden vorschnell auf widrige Umstände am Markt, scharfen Wettbewerb oder schwierige Patienten zurückgeführt, meint Thomas Merx, Geschäftsführer des Marketingunternehmens Merx & Collegen: „Bei genauerer Betrachtung handelt es sich dabei jedoch oft um Strategieprobleme der einzelnen Praxis.”
Gerade in Zeiten, in denen wirtschaftliche Schwierigkeiten drohen, gewinnt ein professionelles Praxiskonzept zunehmend an Bedeutung. Im Zuge von Gesundheitsreformen und Leistungsbudgetierungen hätten sich die Voraussetzungen zur erfolgreichen Ausübung des zahnärztlichen Berufs grundsätzlich gewandelt, so Stefan Seidel, Geschäftsführer der auf Zahnärzte spezialisierten Agentur New Image Dental: „Der Praxisinhaber wird mehr und mehr zu einem Unternehmer, der die Stärken und Schwächen seiner Praxis genau kennen muss.” Nur so könne er die unterschiedlichen Anforderungen meistern, die an ihn gestellt werden – und den eigenen Erfolg aktiv steuern. „Jedem Zahnarzt”, erklärt Seidel, „kommt ein Höchstmaß an Selbstbestimmung und Verantwortung für die Entwicklung und den Erfolg der eigenen Praxis zu.”
Für Klaus W. Bochmann, Vorstand der Unternehmensberatung Imagin, lautet das Stichwort „Zukunftsfähigkeit”. Während der einzelne Zahnarzt auf sich ändernde gesetzliche Rahmenbedingungen nur begrenzten Einfluss habe, so seine Beobachtung, könne er die meisten Faktoren, die seinen aktuellen und künftigen Praxiserfolg bestimmen, in seinem Sinne positiv beeinflussen. Doch dazu müssten zunächst einmal einige zentrale Fragen beantwortet werden.
• Wo liegen die Stärken, wo die Schwächen der Praxis?
• Worauf muss die Praxis sich einstellen?
• Was muss beachtet, was kann vernachlässigt werden?
• Wie können die künftigen Anforderungen in der Praxis bewältigt werden?
Fragen, die vor dem Hintergrund vielschichtiger Rahmendaten und -bedingungen zu sehen sind, wie Bochmann weiß: Budgetierung und Kostendeckelung, Fortbildung und Spezialisierung, Investitionszwang – und „ein mündiger und stetig älter werdender Patient”.
Wer seine Praxis wettbewerbs- und zukunftsfähig machen will, so der einhellige Tenor aller Berater und Consultants, muss erst einmal wissen, wo er überhaupt steht. Wo der eine Praxischef Bedenken hat, sieht der andere Chancen für sich; während manche Praxen über einen loyalen Patientenstamm verfügen und viele Zusatzleistungen anbieten können, können sich andere Praxen am selben Standort so gerade eben über Wasser halten. Der Blick nach innen – auf das eigene Praxiskonzept oder das Mitarbeiterteam – kann ebenso hilfreich sein, wie der Blick nach außen – auf Patienten oder Kollegen. Hier setzen die meisten der Untersuchungsinstrumente und Check-up-Programme an, die von etlichen Agenturen, Instituten und Unternehmensberatern angeboten werden. Die Vielzahl der Angebote zeigt, dass es bei Deutschlands Zahnärzten offenbar einen großen Bedarf nach professioneller Hilfe und Unterstützung in Sachen Praxismanagement gibt; sie macht es aber für die jeweilige Praxis auch schwer, das Richtige zu finden.
In mehrere Segmente teilt sich beispielsweise die Wirtschafts- und Sicherheitsanalyse (WISA), welche von der Deutschen Ärzte-Versicherung in Köln angeboten wird. Mit einer betriebswirtschaftlichen Analyse werden Einnahmen- und Ausgabenstruktur der Praxis untersucht und mögliche Schwachstellen aufgedeckt. Es wird errechnet, wie die Liquidität nach Abzug von Steuern, Lebenshaltungskosten und privaten Verpflichtungen aussieht. Schwachstellen im privaten und betriebswirtschaftlichen Bereich werden analysiert, um Fehlentwicklungen zu begegnen oder diese zu überwinden.
Außerdem, so die Deutsche Ärzte-Versicherung, berücksichtigt WISA eventuelle Pläne zu Modernisierung oder Erweiterung der Praxis, überprüft Investitionsvorhaben auf ihre Wirtschaftlichkeit und erstellt Finanzierungskonzepte. Mit einem „Umsetzungs-Controlling” und einem „Sicherheits-Check-up” sollen durchgeführte Maßnahmen auf ihren Erfolg hin überprüft sowie praxisbedingte Risiken herausgestellt werden.
Nachgefragte Unterstützung
Ein „praxisindividuelles Orten von Ressourcen zur Steigerung des Praxisertrags” verspricht indes das Heidelberger Unternehmen praxisDienste. Die tägliche Praxis zeige, dass abrechenbare Leistungen „immer wieder schlecht dokumentiert und in der Folge falsch, unvollständig oder überhaupt nicht berechnet werden”. Der „praxisCheck-up” soll dieses versteckte Potenzial aufdecken. Bei einem fünfstündigen Vor-Ort-Termin will praxisDienste nicht nur „Verlustquellen in der Abrechnung” finden, sondern auch Praxisdokumentationen auf ihre Vollständigkeit und Arbeitsabläufe auf ihre Effizienz hin prüfen.
Bei ihrer Studie „Zukunftsfähigkeitsindex Zahnarztpraxis” untersucht Bochmanns Firma Imagin hingegen nicht nur betriebswirtschaftliche Kennzahlen, sondern auch „weiche Faktoren”. Dazu zählen etwa die Intensität der Patientenbetreuung oder die Stabilität der Patienten- und Mitarbeiterbeziehungen. Dies seien für die Praxis-Zukunft „entscheidende Faktoren”, so Bochmann, weshalb sie „umfassend ermittelt und analysiert” würden.
Durch eine individuelle und detaillierte Erhebung und Analyse soll für die untersuchte Praxis der mögliche Handlungsbedarf direkt und verständlich aufgezeigt werden. Was zunächst einmal etwas sperrig und theoretisch klingt, soll dem Praxischef helfen, „ganz konkrete Handlungsempfehlungen” für ihn und sein Team abzuleiten.
Zukunftsfähigkeit auf dem Prüfstand
In einem weiteren Schritt ermittelt Imagin Kenngrößen, welche den „Zukunftsfähigkeitsindex” der jeweiligen Praxis bestimmen. Anschließend wird die Praxis in eine von vier Kategorien – das „Zukunftsfähigkeits-Portfolio” (siehe Grafik) – eingeordnet. Jede dieser vier Kategorien entspricht einem Praxistypen, welcher wiederum bestimmte Chancen oder Risiken mit sich bringt. Erst wenn der Handlungsbedarf ermittelt ist, so Bochmann, kann eine Praxis die nötigen Maßnahmen auswählen und in die Wege leiten, um ihre Wettbewerbsposition zu verbessern und ihre Existenz langfristig zu sichern.
Der Erfolg einer Praxis wird laut Imagin-Studie durch drei Personengruppen bestimmt: den Zahnarzt, sein Team und die Patienten. Diese Personen stehen in permanenter Wechselwirkung – was auch bedeute, dass Patienten nur dann zufrieden sind, wenn auch das Mitarbeiterteam sich stark mit der Praxis identifiziert. „Von der dauerhaften Zufriedenheit der Patienten”, so Bochmann, „hängt die Rentabilität und Zukunftsfähigkeit der Praxis in ganz erheblichem Maße ab.” Denn Patientenverlust sei zu fast 70 Prozent auf das Verhalten des Praxispersonals zurückzuführen. Sei ein Patient allerdings rundum zufrieden, so sei er auch loyal, frage nach Zusatzleistungen und empfehle die Praxis weiter. Kernstück der „Zukunftsfähigkeits-Studie” ist daher eine anonymisierte Mitarbeiter- und Patientenbefragung. Erste Erfahrungen mit der Imagin-Methode konnten die Zahnärzte in Hessen bereits im vorvergangenen Jahr machen. In Kooperation mit der Landeszahnärztekammer wurde eine Pilotstudie durchgeführt, an der rund 140 Praxen teilnahmen. Alle erhobenen Daten wurden vertraulich behandelt und bei der Gesamtauswertung nicht personen- oder praxisbezogen veröffentlicht. Durch den direkten Vergleich mit anderen Praxen – einem so genannten Benchmarking – konnten die teilnehmenden Praxisinhaber ihre eigene Positionierung ablesen und Verbesserungsmaßnahmen erarbeiten. Jeder Teilnehmer erhielt seine individuelle Standortbestimmung in Form eines umfangreichen Berichtsbandes – mit Auswertungen und anschaulichen Charts. Im vergangenen Jahr startete Imagin mit einer weiteren Zukunftsfähigkeitsstudie in Schleswig-Holstein; zusätzliche Landeszahnärztekammern sollen nach Angaben Bochmanns folgen.
Der direkte Vergleich mit anderen Zahnarztpraxen steht auch im Mittelpunkt des „Dental Benchmarking”, welches vom Augsburger Institut Professor Riegl angeboten wird. „Patienten sind die Meistbetroffenen der Praxisqualität”, so Riegl. „Sie haben die Praxis hautnah erlebt und sind damit die wichtigsten Berater der Praxis.”
Um die zur Analyse benötigten Daten zu erhalten, verteilt der Zahnarzt einen Fragebogen an seine Patienten, in dem es um Akzeptanz und Verbesserungsmöglichkeiten, um Werbewirksamkeit und Mitarbeiterleistungen, um Gesprächsführung und Beratungswünsche geht. Die ausgefüllten Bögen gehen zurück an das Institut, werden ausgewertet und in einer 150 Seiten umfassenden Analyse zusammengefasst. Neben Consulting- und Management-Empfehlungen enthält dieses Gutachten auch einen Wettbewerbsvergleich mit anderen Praxen aus der Region sowie einen Überblick der Kommentare von eigenen Patienten.
Check in fünf Schritten
Um das Thema „Zukunftspotenzial” geht es beim Praxis-Check der Zornheimer Agentur New Image Dental. Mit Hilfe eines Stärkenund Schwächenprofils sollen Wege aufgezeigt werden, wie ein Zahnarzt seine beruflichen Ziele realisieren und seinen Erfolg weiter ausbauen kann. „Die veränderten gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen führen dazu”, so Geschäftsführer Stefan Seidel, „dass ein Zahnarzt in der heutigen Zeit nicht mehr darum herum kommt, seine Praxis als ein Dienstleistungsunternehmen zu begreifen, das entsprechend geführt werden muss.” Dabei sei entscheidend, dass alle Erfolgsfaktoren einer Praxis kritisch überprüft werden, um anschließend ein individuelles Konzept zu entwickeln.
New Image Dental geht bei seiner Arbeit in fünf aufeinander aufbauenden Stufen vor. Zunächst wird der Zahnarzt zu seiner persönlichen und beruflichen Situation befragt, nennt Punkte, an denen er in seiner Praxis Handlungsbedarf und die Notwendigkeit zu Veränderungen sieht. Womit ist er zufrieden, womit unzufrieden? Was sind die Rahmenbedingungen der Praxis und wie funktionieren die internen Abläufe?
Im Anschluss an dieses Erstgespräch folgt eine zwei- bis dreitägige Vor-Ort-Analyse der Praxis. Hierbei werden Daten zur wirtschaftlichen Situation, zu den Arbeitsabläufen und örtlichen Gegebenheiten gesammelt. Das alles fließt in eine „Ist-Analyse” der Zahnarztpraxis, welche die jeweiligen Stärken und Schwächen herausarbeitet.
Im nächsten Schritt werden Konsequenzen aus den Ergebnissen gezogen: Eine Strategie entsteht, die sich auf alle relevanten Bereiche des Praxismarketings erstreckt. Das reicht von Praxisorganisation und Patientenmanagement über Wirtschaftlichkeit und Personalführung bis zu interner und externer Kommunikation. Anschließend geht es an die Realisierung, die systematische Umsetzung der Strategie – welche in der letzten der fünf Stufen, dem Controlling, langfristig begleitet und unterstützt wird.
Für die ganz Eiligen bietet die Firma Dental Excellence einen „Praxis-Schnellcheck” an, der per Post oder E-Mail durchgeführt wird. Hierzu kann der Zahnarzt einen Fragebogen anfordern, den er anschließend ausgefüllt zurückschickt. Der „Schnellcheck” wird von Dental Excellence ausgewertet, analysiert, mit einigen Empfehlungen versehen – und das Ergebnis landet wiederum im Briefkasten des Praxischefs.
Beratung kostet Geld
Genauso unterschiedlich wie die vorgestellten Konzepte und Ansätze sind auch die Preise und Gebühren, welche für eine durchgecheckte Zahnarztpraxis fällig werden. Auch wenn ein direkter Vergleich nur schwer möglich ist, seien hier vier Beispiele genannt.
• Für den „Praxis-Schnellcheck” berechnet Dental Excellence eine Schutzgebühr von 35 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer. Wünscht der Zahnarzt weitergehende Beratung, werden entsprechende Honorare fällig. Ein Manntag kostet 1 400 Euro plus Reisekosten, zuzüglich Mehrwertsteuern. Allerdings, so Dental Excellence, werden 60 Prozent des Rechnungsbetrages in eigenes Risiko genommen. Will heißen: Nur wenn die Beratung zur einer spürbaren Verbesserung der Praxissituation führt, muss die komplette Summe bezahlt werden – anderenfalls bleibt es bei den entrichteten 40 Prozent.
• Ein „Dental Benchmarking” vom Institut Professor Riegl kostet 537 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer. Die Rechnung wird direkt nach Erhalt der Fragebögen gestellt.
• Der „praxisCheck-up” – eine fünfstündige Bestandsaufnahme der Praxissituation – kostet bei praxisDienste pauschal 690 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer, plus Reisekostenpauschale. Entschließt sich ein Zahnarzt anschließend zu einem zusätzlichen eintägigen Training in den Bereichen Marketing, Organisation und Management – dem so genannte „praxisTuning” – werden pauschal 990 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer und Reisekosten berechnet.
• Für die Imagin-„Zukunftsfähigkeitsstudie” muss ein Zahnarzt 798 Euro ausgeben. Hinzu kommen noch Portokosten sowie mögliche finanzielle Aufwendungen bei der Organisation und Durchführung der für die Studie notwendigen Mitarbeiter- und Patientenumfrage.
Unterschiede bei Preisen und Konzepten
Die Unterschiede bei den konzeptionellen Ansätzen und bei der Preisgestaltung der jeweiligen „Praxis-Tester“ zeigen, dass es unmöglich ist, eine generelle Empfehlung auszusprechen. Wenn ein Zahnarzt sich dazu entscheidet, seine Praxis mal so richtig durchchecken zu lassen, muss er sehr genau überlegen und prüfen, was er sich hiervon verspricht – und was er zu investieren bereit ist. Hilfreich ist hierbei sicherlich das Gespräch mit Kollegen oder die Unterstützung der zuständigen Zahnärztekammer. Eine gute Praxisberatung setzt Vertrauen voraus.
Denn: Ob das „Bodenpersonal” sein Geld wert war, stellt der Zahnarzt erst fest, wenn die Checkliste abgearbeitet ist. Eine neue strategische Ausrichtung der Praxis, ein verbessertes Management der internen Abläufe, eine höhere Zufriedenheit der Patienten und der Mitarbeiter – all das könnten anschließend Faktoren sein, die für die viel beschworene „Zukunftsfähigkeit” sorgen. Mit einer einmaligen Aktion ist der Prozess dabei wohl noch nicht abgeschlossen. Denn um sicher durch Turbulenzen und Luftlöcher zu kommen, braucht selbst der beste Pilot einen Lotsen, und der sitzt nicht im Flugzeug, sondern im Tower.