5. Deutscher ITI-Kongress

Behandlungsstrategien mit Innovation

Heftarchiv Zahnmedizin
sp/pm
850 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren beim 5. Deutschen ITI-Kongress Ende Oktober in Köln registriert. Damit übertraf die Teilnehmerzahl erneut alle Erwartungen. Hier einige inhaltliche Ausschnitte aus dem „vollgestopften“ Programm

Prof. Dr. Dr. Dieter Weingart, Stuttgart, eröffnete den Kongress mit der „Erfolgsgeschichte“ des ITI, das er als besondere Institution von Wissenschaft, Praxis und Industrie bezeichnete. Inzwischen zählt das ITI 336 Mitglieder aus 33 Ländern. Mit 56 ITIFellows ist Deutschland nach der Schweiz die zweitgrößte Sektion. Seit 1988 wurden rund 100 Forschungsprojekte bearbeitet und 16,9 Millionen Schweizer Franken investiert. Die ITI-Stiftung gilt inzwischen weltweit als die größte nicht staatliche Organisation im Bereich von Forschung und Entwicklung sowie für Aus- und Weiterbildung im Bereich der oralen Implantologie.

Modelling und Remodelling

„Osseointegration – eine Standortbestimmung“ nahm Professor Dr. Dr. Ulrich Joos, Münster, vor und eröffnete mit diesem Referat das wissenschaftliche Programm des Kongresses. Obwohl der Begriff Osseointegration seit 1969 als die sichere Verankerung des Implantates im Knochen dargestellt werde, sei der Begriff selbst bis heute nicht definiert. Für Joos stellt Osseointegration deshalb nicht das Ergebnis einer erfolgreichen Implantation dar, sondern ist als ständiger Prozess am Interface zwischen Knochen und Implantatoberfläche zu verstehen. Nur ein ständiges „Modelling und Remodelling“ des Knochens trage sowohl zum Erreichen wie zum ständigen Aufrechterhalten der Osseointegration bei. Der Referent präsentierte ein neues Implantat-Design, eine Paraboloidform. Diese sei seiner Erfahrung nach Zylinderimplantaten überlegen und könne mit maximal zwei Umdrehungen primär stabil eingebracht werden.

Augmentationen

Prof. Dr. Jürgen Becker, Düsseldorf, gab in seinem Referat „Lokale Defektsituationen – Möglichkeiten der Augmentation“ einen Überblick und zeigte an klinischen Fällen die Möglichkeiten für den Knochenaufbau. Er schilderte sowohl die Verfahren mit autologen Knochentransplantaten, Knochenersatzmaterialien und Membranen.

 Er machte deutlich, dass in der Membrantechnik Produkte tierischen Ursprungs keine Gefahr für Patientinnen und Patienten darstellen. Becker betonte, die benutzte Membran so klein wie möglich zu halten, um die Ernährung des unter der Membran liegenden Knochens nicht zu verhindern.

Dr. Guido Petrin, Stuttgart, berichtete über laterale Augmentation und Sinuslift im simultanen Vorgehen. Insgesamt wurden 45 Patienten mit stark bis extrem atrophischem Oberkiefer mit autologem Knochen aus der Beckenregion augmentiert. Gleichzeitig wurde ein Sinuslift durchgeführt. Die Implantate wurden erst sechs Monate nach der Augmentation eingebracht. Von den 254 inserierten ITI-Vollschrauben-Implantaten ging bisher keines verloren. Nach dreimonatiger Einheilzeit wurden die Implantate belastet, mit prothetischen Versorgungen, die sowohl abnehmbar als auch festsitzend geplant und durchgeführt wurden. Damit konnte der Beweis erbracht werden, dass nach Augmentation und Sinuslift auch im hochatrophen Oberkiefer ein stabiles Implantatlager geschaffen werden kann.

Schnittführung

„Der erste Schnitt ist häufig der folgenreichste einer ganzen Behandlung, er kann über Erfolg oder Misserfolg entscheiden“, stellte Priv. Doz. Dr. Dr. Johannes Kleinheinz, Münster, an den Anfang seines Referates „Strategie der Schnittführung in der Implantologie – neue angiogenetische Aspekte“. Der Erfolg einer Implantation oder Augmentation hänge wesentlich vom Zustand der bedeckenden Weichgewebe ab. Nur eine ungestörte Heilung der Weichgewebswunde gewährleiste eine sichere Osseointegration beziehungsweise die Inkorporation des Knochentransplantates. Eine intakte Vaskularisation der Schleimhaut sei die Grundlage einer komplikationslosen Wundheilung. Daher empfahl Dr. Kleinheinz dringend: „Vor der Schnittsetzung lesen Sie die Ihnen vorliegende Anatomie. Denken Sie am Anfang schon bis zu Ende“.

Sofortbelastung

Die Sofortbelastung sei ein traditionelles ITI-Thema gab Prof. Dr. Dr. Wilfried Wagner, Mainz, zu bedenken. Er stellte eine „prospektiv randomisierte Multi-Center-Studie zur Frühbelastung von ITI-Implantaten nach vier Wochen“ vor. An vier Zentren in Münster, Erlangen, Stuttgart und Mainz wurden bei Patientinnen und Patienten 260 Implantate im Oberkiefer gesetzt und nach vier statt zwölf Wochen belastet. Die Ergebnisse zeigten sich Erfolg versprechend.

Mit die „Kauflächengestaltung und Nahrungskonsistenz – wichtige Faktoren bei der Sofortbelastung von Implantaten“ hatte Privatdozent Dr. Thomas Morneburg, Erlangen, sein Referat überschrieben.

Als Parameter der Sofortbelastung nannte er:

• Zahl und Größe der Implantate

• Steifigkeit der Suprastrukturen

• Umfang der Verblockung

• die Okklusion

Letztere sei bisher zu wenig beachtet. Untersuchungen belegten jedoch, dass bei gleichem numerischem Wert Biegebelastungen deutlich höhere Spannungen an der Implantatoberfläche erzeugen als Kräfte, die in rein axialer Richtung wirken. Deshalb müsse einer Verminderung der Biegeelemente besondere Beachtung geschenkt werden. So könne unterschiedlich gestalteter Zahnersatz zu einer signifikanten Reduktion der Biegemomente um mehr als 50 Prozent führen, wenn die Kaufläche um ein Drittel reduziert werde. Deshalb sei bei Sofortbelastung während der Einheilphase eine reduzierte Kauflächenbreite und das Kauen von weicher Nahrung zu empfehlen.

Suprakonstruktionen

Die „Bewährung verschiedener Suprastrukturen“ nahm Privatdozent Dr. Axel Zöllner, Witten, unter die Lupe. Beim zahnlosen Kiefer gelte die Versorgung durch vier Implantate mit Stegen und einer herausnehmbaren Prothese als hoch zuverlässige Therapie. Die Reduktion auf zwei Implantate im zahnlosen Unterkiefer habe er als „geriatrisches“ Therapiekonzept etabliert. Für festsitzenden Zahnersatz seien im Unterkiefer vier oder mehr, im Oberkiefer mehr als vier Implantate erforderlich. Ob festsitzender Zahnersatz allerdings immer die Therapie der Wahl sei, müsse – selbst aus Sicht der Patientinnen und Patienten – bezweifelt werden. Im teilbezahnten Kiefer sei durch implantatretinierten Zahnersatz das Anwendungsspektrum von Kronen und Brücken erheblich erweitert worden. Komplikationen wie Retentionsverlust oder Keramikfrakturen wurden von der Art der Konstruktionen – rein Implantat-getragen, gegenüber Implantat-Zahn-getragen – nicht beeinflusst.

Kosten-Nutzen-Relation

Prof. Dr. Dr. Hubertus Spiekermann, Aachen, forderte in seinem Referat „Enossale Implantate zum Ersatz strategisch wichtiger Pfeiler“ erneut zum „sparsamen“ Umgang mit der Zahl zu inserierender Implantate auf, um möglichst allen Patientinnen und Patienten die Vorzüge der Implantologie zu ermöglichen. Wenn die Implantologie in der zahnärztlichen Praxis bleiben solle, „müssen wir normale Wege finden“, appellierte der Referent. Er präsentierte eine Studie, bei der 40 Patienten insgesamt 110 Implantate eingesetzt wurden, um durch Pfeilervermehrung eine quadranguläre Abstützung der Prothetik zu erreichen.

Die Kosten-/Nutzen-Relation stellte auch Professor Dr. Urs Brägger, Bern, in den Mittelpunkt seines Referates „Zahnmedizinische Ökonomie als Entscheidungshilfe für die Wahl der Therapie“. Es sei erforderlich, klinische Daten mit ökonomischen Daten zu ergänzen. Es müsse Verständnis für die zahnmedizinische Ökonomie bei Leistungserbringern und Entscheidungsträgern aufgebaut werden. Dass es derzeit hieran noch mangelt, bewies er mit einem kleinen Beispiel: 29 Kollegen erhielten den gleichen Fall zur Planung. Es wurden 19 verschiedene Lösungen, die von drei bis 15 inserierten Implantaten reichten, präsentiert. Die Kosten bewegten sich zwischen 13 500 SFR und 60 000 SFR. Das zeigt deutlich, dass viele Wege nach Rom führen.

Altimplantate und Neuversorgung

Implantate verbleiben immer länger im Kiefer. Ihre Lebensdauer übertrifft inzwischen häufig die der prothetischen Konstruktionen. Was bei „Neuversorgungen“ auf „Altimplantaten“ zu beachten ist, zeigten Dr. Johannes Röckl, Teningen, und Zahntechnikermeister Christian Müller, Teningen, an mehreren Beispielen. Behandler und Zahntechniker haben häufig Schwierigkeiten, den Implantattyp zu identifizieren und die Art der Suprastrukturen zu erkennen. Deshalb setzten sich beide Referenten für die Ausgabe eines Implantatpasses ein, der sowohl das verwendete Implantat, die Aufbauteile und Fixierschrauben enthalte. Von der Industrie sei zu fordern, dass notwendige Aufbauteile für die Neuversorgung von Altimplantaten auch nach Jahren und Jahrzehnten noch geliefert werden könnten.

Haftungsfragen

Über „juristische Fallstricke in der Implantologie“ berichtete Prof. Dr. Dr. Ludger Figgener, Münster. Immer häufiger seien Implantatversorgungen der rechtlichen Überprüfung ausgesetzt. Um unnötige Haftungsfälle zu vermeiden, riet der Referent:

• Die Aufklärungspflicht inklusive Kosten, Alternativen und mehr strikt beachten

• Umfassende Patienten- und Therapiedokumentation

• Kostenabklärung vor Behandlungsbeginn durch die Krankenversicherung

Periimplantitis

„Periimplantitis – Diagnose und Therapie“ war das Thema von Dr. Dr. Thomas Beikler, Münster, der einen Überblick über Indikation, Diagnose und Therapie von Infektionen, die vom Implantat ausgehen, gab. Er sprach sich für eine Stufentherapie aus, die je nach Schwere der Periimplantitis verschiedene Behandlungsmöglichkeiten vorsieht, die von der Reinigung des Implantates bis hin zur resektiven oder regenerativen Chirurgie reichen können.

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.