Repetitorium

Rund um die Ödeme

Geschwollene Knöchel werden von den Betroffenen oft als Folge langen Stehens oder langen Sitzens abgetan und als harmlos erachtet. Dahinter aber können sich gravierende Erkrankungen – zum Beispiel Herz- oder Nierenerkrankungen – verbergen. Die Ödeme können außerdem chronischen Beingeschwüren, dem „offenen Bein“, den Weg bahnen. Sie sollten daher unbedingt ernst genommen und diagnostisch abgeklärt werden.

Ödeme sind per se keine Krankheit, sondern Symptom einer Grunderkrankung. Die Flüssigkeitsansammlung im Gewebe kann vielfältige Ursachen haben. Mit der Einnahme eines Diuretikums ist es deshalb nicht getan. Bei der Therapie muss vielmehr versucht werden, den Ursachen des Ödems auf den Grund zu gehen. Ist die Ursache bekannt, so kann neben der klassischen Ödembehandlung durch eine gezielte Therapie der Grunderkrankung das Problem angegangen werden.

Mit dem Begriff des Ödems wird die Vermehrung des interstitiellen Flüssigkeitsvolumens im Gewebe bezeichnet. Die Flüssigkeitsakkumulation beruht auf einer Störung des physiologischen Gleichgewichtes zwischen dem Flüssigkeitszufluss zum Interstitium durch Filtration aus den arteriellen Kapillaren und dem Flüssigkeitsabfluss aus dem Interstitium durch Reabsorption in die venösen Kapillaren sowie durch die Drainage über die Lymphgefäße. Ist der Zufluss erhöht und/oder der Abfluss behindert, so bilden sich zwangsläufig Ödeme.

Ödeme – ein vielschichtiges Problem

Man unterscheidet grob zwischen dem generalisierten Ödem, das meist Ausdruck einer kardialen oder einer renalen Erkrankung ist, und dem lokalisierten Ödem, das zumeist auf eine umschriebene, arterielle, venöse oder lymphatische Zirkulationsstörung zurückgeht. Zu bedenken bei dieser Unterscheidung ist jedoch, dass auch generalisierte Ödeme sich mit lokaler Präferenz ausbilden können. Liegt ein reines Knöchelödem vor, so schließt das folglich nicht unbedingt eine internistische Grunderkrankung aus. Das generalisierte Ödem kann außerdem neben der Haut auch weitere Organe betreffen, wie etwa die Lunge (Lungenödem) oder das Gehirn (Hirnödem).

Ödeme können akut oder auch chronisch verlaufen und mit einer spürbaren Gewichtszunahme verbunden sein. Die Beschwerden können eher leichter Natur und passager sein, etwa wenn nur gelegentlich die Füße oder Finger anschwellen. In diesem Zusammenhang wird auch von physiologischen Ödemen gesprochen. Solche Ödeme ohne Krankheitswert treten zum Beispiel bei ungewohnter Immobilität auf, also typischerweise bei langen Reisen. Sie bilden sich bei gewohnter Aktivität rasch wieder zurück. Ödeme können andererseits aber auch so gravierende Ausmaße annehmen, dass Alltagsaktivitäten beeinträchtigt werden oder, wie im Falle des Lungenödems oder des Angioödems, sogar lebensbedrohliche Zustände auftreten.

Meist sind von den Ödemen die Extremitäten betroffen und hierbei insbesondere die Knöchelregion. Zu erkennen ist die Flüssigkeitseinlagerung anhand geschwollener Knöchel und/oder geschwollener Beine, wobei bei eiweißarmen Ödemen nach einem kräftigen Fingerdruck für eine gewisse Zeit eine erkennbare Delle im Gewebe verbleibt. Bei eiweißreichen Ödemen verliert sich diese Eindellbarkeit durch eine zunehmende Fibrosierung.

Das Ödem kann einseitig oder auch symmetrisch lokalisiert sein, was bereits erste Hinweise auf die Ursache der Schwellung liefert. Die Ödeme können aber auch Organe betreffen und werden dann entsprechend als Lungenödem oder Hirnödem bezeichnet. Tritt die Flüssigkeitsansammlung im Bauchraum auf, so spricht man von einem Aszites.

Ödeme durch eine venöse Insuffizienz

Eine sehr häufige Ursache von Ödemen sind Venenerkrankungen und speziell die chronisch venöse Insuffizienz. Schädigungen im Bereich der Venen und speziell der Venenklappen führen bevorzugt an den Beinen zu einem erhöhten, venösen Gefäßdruck und damit zu einem erhöhten Kapillardruck und einer verstärkten Filtration von Flüssigkeit ins umliegende Gewebe. Sobald der hydrostatische Druck und die interstitielle Flüssigkeitsproduktion das Lymphsystem überfordert, sammelt sich Flüssigkeit im Gewebe an und es bilden sich Ödeme, die so genannten Phlebödeme. Sie sind in der Regel eiweißarm, bei festem Fingerdruck entsteht eine tiefe Delle.

Das Phlebödem verursacht meist initial kaum Beschwerden, im Rahmen der venösen Insuffizienz kommt es jedoch im weiteren Verlauf zu Spannungsgefühlen und auch zum Gefühl der schweren Beine. Es kann sich in der Folge ein chronisches Ödem ausbilden mit Hautpigmentierungen, sowie der Ausbildung von Ekzemen, Ulzera und schließlich einem Ulcus cruis, dem „offenen Bein“.

Lymphödeme

Ödeme können ebenso durch eine Insuffizienz des Lymphsystems entstehen, wobei nicht nur der Abfluss von Flüssigkeit, sondern auch der Abtransport von Eiweißkörpern aus dem Interstitium gestört ist. Unterschieden wird zwischen einem primären Lymphödem infolge einer angeborenen Fehlbildung und einem sekundären Lymphödem als Folge einer im Laufe des Lebens erworbenen Schädigung des Lymphsystems. Primäre Lymphödeme sind relativ selten. Sie treten sporadisch auf, werden nicht vererbt und manifestieren sich im Allgemeinen erst in der Pubertät. Häufiger ist dagegen das sekundäre Lymphödem, das in der Regel nach einer Operation auftritt, welche die Lymphknoten mit umfasst, also zum Beispiel nach einer Brustkrebsoperation.

Beim Lymphödem handelt es sich stets um eiweißreiche Ödeme, was zur Folge hat, dass neben der Flüssigkeit auch Proteinverbindungen im Gewebe akkumulieren und so Fibrosierungen provoziert werden.

Lipödeme

Anders als beim Phleb- und beim Lymphödem kommt es beim Lipödem zur Einlagerung von Fetten ins Gewebe. Betroffen sind Frauen mit anlagebedingter Fettverteilungsstörung. Das Lipödem tritt bevorzugt an den Extremitäten auf. Es ist zunächst schmerzfrei, kann im weiteren Verlauf aber auch Spannungsgefühle und Schmerzen verursachen. Das Lipödem tritt häufig in Verbindung mit einer Adipositas auf, durch Hungern und einer Gewichtsreduktion sind die anlagebedingten Veränderungen aber nicht zu beseitigen.

Orthostatische Ödeme

Eine Ödemform, die lediglich Frauen betrifft, ist das orthostatische Ödem, das nach lang andauerndem Stehen oder Sitzen im Bereich der Beine auftreten kann. Das Ödem entwickelt sich gleichmäßig an beiden Beinen, es bildet sich im Tagesverlauf und geht während der Nacht zurück, da dann keine orthostatische Belastung besteht. Ursache der Ödematisierung ist offensichtlich eine erhöhte Kapillardurchlässigkeit, was die Flüssigkeitsansammlung begünstigt.

Betroffen sind typischerweise Frauen zwischen 20 und 40 Jahren. Sie nehmen während des Tages durch die Flüssigkeitseinlagerung rund ein bis zwei Kilos Gewicht zu und das zyklusunabhängig. Die Behandlung besteht im Tragen von Kompressionsstrümpfen, welche durch den erwirkten Außendruck der Ödematisierung entgegenwirken.

Ebenfalls nur bei Frauen gibt es ferner das idiopathische Ödem, eine Ödemform, die ebenfalls symmetrisch auftritt, mit bloßem Blick aber nicht zu erkennen ist. Die betroffenen Frauen klagen jedoch über Spannungsgefühle und das morgens meist in der oberen, abends dagegen eher in der unteren Körperhälfte. Die Beschwerden treten meist perimenopausal auf.

Traumatisches Ödem

Einfacher zu diagnostizieren sind traumatische Ödeme, also Ödeme, die in Verbindung mit Verletzungen oder Operationen auftreten. Typisch sind solche Ödeme nach Prellungen, Stauchungen oder Verrenkungen. Sie entstehen durch das Zerreißen kleiner Lymph- und Blutgefäße und bilden sich meist innerhalb weniger Tage zurück. Die Abschwellung kann durch Kühlen, Hochlagern und gegebenenfalls auch durch eine gezielte, physikalische Ödemtherapie beschleunigt werden.

Akut allergisches oder toxisches Ödem

Ödeme können auch im Rahmen allergischer Reaktionen auftreten. Typisch ist der plötzliche Beginn der Ödembildung nach Allergenkontakt. Auch eine Ödembildung auf toxische Reize ist möglich, beispielsweise nach einem Wespenstich oder nach einem Schlangenbiss. Das Ödem tritt in solchen Fällen lokalisiert auf und ist direkt dem Tierstich oder Biss zuzuordnen.

Quincke- und Angioödem

oder angioneurotisches Ödem genannt, kommt es zu einer schmerzhaften, subkutanen Schwellung von Haut und Schleimhaut. Meist ist das Gesicht betroffen, und zwar insbesondere der Bereich der Lippen und der Augenlider. Die Gesichter können durch die Schwellung regelrecht entstellt sein und bei Mitbeteiligung des Kehlkopfes besteht Erstickungsgefahr.

Besteht eine ererbte Neigung zu vermehrter Ödembildung, so liegt ein hereditäres Angioödem (HAE) vor. Es beruht auf einem Mangel an C1-Inaktivator, einen Botenstoff, der im Immunsystem übersteigerte Reaktionen bremst. Die Betroffenen reagieren dadurch in Stresssituationen leicht mit der Ausbildung eines Angioödems. Die übliche Ödembehandlung nutzt beim Angioödem aus verständlichen Gründen nicht. Die Behandlung besteht vielmehr in der Substitution des C1-Inaktivators entweder in der akuten Situation oder auch prophylaktisch.

Ödeme als Folge einer Herzinsuffizienz

Ödeme treten auch im Rahmen einer Herzinsuffizienz auf. Denn ist das geschwächte Herz nicht mehr in der Lage, das Blut kräftig genug durch den Kreislauf zu pumpen, so kommt es zwangsläufig zu einem Rückstau des Blutes vor dem Herzen. Ist nur die linke Herzhälfte betroffen (Linksherzinsuffizienz), so staut sich das Blut im Lungenkreislauf. Bei einer Schwäche der rechten Herzhälfte (Rechtsherzinsuffizienz) kommt es hingegen vor allem zu einem Rückstau des Blutes im Körperkreislauf. Durch den Rückstau und den erhöhten venösen Druck verlagert sich Flüssigkeit ins Gewebe und in die Organe und es kommt zum peripheren Stauungsödem. Die Ödeme entstehen grundsätzlich symmetrisch, beginnend in der Knöchelregion, später auch im Unterschenkelbereich, an den Händen und in inneren Organen, wie bei der Leber, bis sich schließlich ein generalisiertes Ödem ausbildet. Bei der Behandlung steht vor allem die Therapie der zu Grunde liegenden Herzinsuffizienz an. Es werden im Allgemeinen Medikamente verordnet, und zwar Diuretika, ACE-Hemmer, Betablocker und gegebenenfalls auch Digitalis.

Ödeme als Folge eines Nierenversagens

Leicht einsichtig ist, dass auch schwere Nierenerkrankungen und speziell ein Nierenversagen einen Flüssigkeitsrückstau und damit Ödembildungen provozieren. Die Veränderungen treten stets symmetrisch auf, und meist manifestiert sich ein generalisiertes Ödem. Hinweisend auf eine Nierenerkrankung kann dabei auch das Auftreten von Lidödemen am Morgen sein.

Ödeme bei Leberzirrhose

Bei der Leberzirrhose entwickeln sich ebenfalls häufig periphere Ödeme, die zudem meist schwer behandelbar sind. Es kommt als typische Komplikation einer fortgeschrittenen Leberzirrhose durch den erhöhten Portalvenendruck außerdem zu einer Flüssigkeitsansammlung im Bauchraum, dem als Komplikation gefürchteten Aszites.

Ödeme im Rahmen einer Schwangerschaft

Sehr häufig treten Ödeme im Rahmen einer Schwangerschaft auf. Sie können Ausdruck eines orthostatischen Ödems sein, gravierender ist es aber, wenn die Ödeme sich im Rahmen einer so genannten Gestose, auch Schwangerschaftsvergiftung ausbilden. Diese Erkrankung ist gekennzeichnet durch eine Symptom-Trias aus Ödemen (Edema), Proteinausscheidung mit dem Urin und Hypertonie und wird deshalb auch abgekürzt als EPH-Gestose bezeichnet. Die EPH-Gestose ist eine gravierende Schwangerschaftskomplikation und macht eine strikte, ärztliche Überwachung und gegebenenfalls auch eine vorzeitige Entbindung per Kaiserschnitt erforderlich.

Medikamenteninduzierte Ödeme

Treten Ödeme auf, so muss immer auch eine Medikamentenanamnese erfolgen. Denn es gibt verschiedene Arzneimittel, die die Ödembildung begünstigen. Gut bekannt ist dies beispielsweise als Nebenwirkung von Kalziumantagonisten, die unter anderem zur Therapie einer Hypertonie oder einer koronaren Herzerkrankung eingesetzt werden. Auch bei der Einnahme von Kortison-Präparaten, bei nicht steroidalen Antirheumatika, sowie Östrogenen, Gestagen und speziellen Antikontrazeptiva ist mit einer erhöhten Ödemneigung zu rechnen.

Paradoxerweise können auch die entwässernd wirkenden Diuretika Ödeme verursachen. Die Wirkstoffe können eine Verarmung an Salzen und Wasser bedingen, was gegenregulatorische Prozesse provozieren kann.

Behandlung von Ödemen

Bei der Ödemtherapie muss das oberste Ziel darin bestehen, die Grunderkrankung zu beseitigen oder so zu therapieren, dass der Ödembildung möglichst vorgebeugt wird. Das gilt insbesondere für Ödeme im Zusammenhang mit bekannten Grunderkrankungen, wie einer Herz- oder Nierenerkrankung, bei denen die Flüssigkeitsretention quasi kompensatorisch erfolgt.

Davon abgesehen richtet sich die Ödembehandlung nach dem Eiweißgehalt des Ödems sowie nach der Ödemcharakteristik. So sind Diuretika lediglich bei eiweißarmen und damit üblicherweise bei generalisierten Ödemen wirksam. Bei den eiweißreichen wie auch den lokalisiert auftretenden eiweißarmen Ödemen geht es bei der Behandlung primär darum, den Lymphabfluss zu verbessern.

Es ist eine physikalische Ödembehandlung, auch „komplexe, physikalische Entstauungstherapie“, kurz KPE genannt, indiziert. Sie besteht aus zwei Komponenten, der manuellen Lymphdrainage sowie der Kompressionsbehandlung. Bei der manuellen Lymphdrainage handelt es sich um eine spezielle Massagetechnik, die durch fast drucklose, streichende Handbewegungen die gestaute Flüssigkeit zum Strömen bringt. Sie regt dadurch den Abfluss über die Lymphgefäße und sogar die Bildung neuer Lymphgefäße an. Mit festeren Griffen kann außerdem eine Lockerung des verhärteten Gewebes erreicht werden.

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