IDZ-Werkstattgespräch zum GKV-Modernisierungsgesetz

Legislative ohne System

Das GKV-Modernisierungsgesetz – ein weiterer Beitrag zur „Chaotisierung des deutschen Gesundheitswesens“? Auf Einladung des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ) diskutierten am 15. September in Köln zahnärztliche Standesvertreter und Rechtswissenschaftler die Konsequenzen einer Gesetzgebung, deren Methodik aus fachlicher Sicht viele Fragen aufwirft, logische Antworten aber weitgehend vermissen lässt.

In seiner Einführung des IDZ-Werkstattgesprächs zu „rechtswissenschaftlichen Implikationen des GMG für die versorgungspolitischen Perspektiven“ sparte der geschäftsführende IDZ-Direktor Prof. Dr. Burkhard Tiemann nicht mit deutlicher Kritik an der jüngsten GKV-Reform: „Das Voranschreiten der Chaotisierung“ als „Gegenstück zum Systemischen“, „weit weg von rechtswissenschaftlicher Methodik“ kennzeichne den Allparteien-Kompromiss des GMG. Die Tatsache, „dass inzwischen Gesetze zurückgenommen“ werden, „bevor sie in Kraft getreten sind“, verdeutliche das „Stakkato-Prinzip“ derzeitiger Legislative. Die neuen Finanzierungsmodelle des GMG dienten nicht mehr „als Gegenwert systemischer medizinischer Leistungen“, sondern einzig „der Konsolidierung des GKV-Systems“. Intendiert sei der organisatorische Umbau der Selbstverwaltung, betonte Tiemann mit Blick auf die im Gesetz verankerte künftige Hauptamtlichkeit der Vorstände.

Gestützt wurden Tiemanns Eingangsthesen durch das Referat zu „Verfassungsfragen einer künftigen Ausgestaltung der GKV und der zahnärztlichen Versorgung“ vom Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes des Landes Berlin, Prof. Dr. Helge Sodan. Er prüfte die verschiedenen Varianten der Bürgerversicherung auf Verfassungsmäßigkeit. Sodans Einschätzung: Die auf eine „Bürgerzwangsversicherung“ hinauslaufende Version des Politik-Beraters Bernd Rürup sei ein Eingriff in die Persönlichkeitsgrundrechte der Bürger. Mit Einbeziehung aller Bürger in eine Volksversicherung verlasse das Regierungsvorhaben „den Boden bisheriger Sozialversicherung“. Das sei ein Weg, der auch mit Blick auf die EU-Verfassung eigentlich versperrt sei. Derzeit berührten derartige Einwände die Bundesregierung allerdings nicht. Keine verfassungsrechtlichen Bedenken äußerte Sodan allerdings gegen die ebenfalls diskutierten Prämienmodelle. Die angedachte Teilfinanzierung aus Steuern sei in Ordnung, erfolge derzeit bereits zum großen Teil in der Rentenversicherung.

Auch der Einwand, ob das Gesetz verfassungskonform sei, obwohl der Bürger im Bereich Zahnersatz künftig ohnehin alles selbst zu zahlen habe, sei kein Verstoß gegen das Grundrecht auf freie Persönlichkeitsentfaltung. Hier argumentiere das Bundesverfassungsgericht, so Sodan, mit dem Vorrang der sicheren Finanzierung der Solidarversicherung.

Stumpfes Schwert Verweigerung

Drastische „Auswirkungen des GMG auf das zahnärztliche Berufsrecht und die Selbstverwaltung“ konstatierte der Direktor des Instituts für öffentliches Recht und Verwaltungslehre der Universität Köln, Prof. Dr. Peter Tettinger. Sein Appell an die zahnärztlichen Standesvertreter: Insbesondere bei der Änderung der Musterberufsordnung müsse taktisch-strategisch auf entsprechende Kautelen geachtet werden, die zur Wahrung ärztlicher Handlungsfreiheit mit Blick auf die künftige Schaffung medizinischer Versorgungszentren abgesichert werden müssen. Die dem Referat Tettingers folgende Diskussion führte, so der Kölner Jurisprudent, zu einer eindeutig erkennbaren „Kumulation von Fehlern des GMG-Modells“.

Mit anderer, aus der Blickwarte des Prognostikers getätigten Einschätzung des „Verhältnisses von privater und gesetzlicher Krankenversicherung in nationaler und europarechtlicher Perspektive“ reagierte der Direktor des Max-Plank-Instituts für Ausländisches und Internationales Sozialrecht in München, Prof. Dr. Ulrich Becker, auf die vorgestellten Rechtseinschätzungen zu den Vorhaben der Legislative. Die Rücknahme des Prämienmodells im Bereich Zahnersatz diene generell der Verhinderung von Prämienmodellen in der Krankenversicherung. Auch europäisches Recht werde einen „eigene Weg in Deutschland“ nicht verhindern können. Becker: „Aus Brüssel ist keine große Liberalisierungswelle zu erwarten.“ Seine Prognose: Künftig würden die PKVen zwar auch in Deutschland eine größere Rolle spielen, „aber die GKV nicht ersetzen“ können.

Die Sachlage, die sich nach juristischer Einschätzung derzeit darstellt, trage „in vielfacher Form“ zur Einengung der Freiberuflichkeit bei, betonte der Präsident der Bundeszahnärztekammer Dr. Dr. Jürgen Weitkamp. Er warnte allerdings vor Versuchen, sich angesichts dieser Bewertung als Zahnärzteschaft „verweigern zu wollen“: „Verweigerung ist in einem Sozialstaat meist ein stumpfes Schwert“, warnte er und mahnte jeweils „intelligente Lösungen zur Umsetzung“ zu finden und diese erfolgreich umzusetzen.

Der amtierende KZBV-Vorsitzende Dr. Jürgen Fedderwitz kritisierte den immer mehr erkennbaren „Spagat zwischen hehren theoretischen Zielen und der praktischen Situation“ im deutschen Gesundheitswesen. Fedderwitz stützte die in der Diskussion verlautete Kritik, dass in der gesundheitspolitischen Legislative die Rechtsdogmatik mehr und mehr verlassen werde. Die allerdings sei, so der KZBV-Vorsitzende, wichtiger Bestandteil zur Wahrung der Zukunft des zahnärztlichen Berufsstandes.

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