Infektionskrankheiten

Vogelgrippe - Wie groß ist die Gefahr einer Pandemie

Ein Grund zur Panik besteht nicht, doch darf die Gefahr der Vogelgrippe keinesfalls unterschätzt werden. Der folgende Beitrag schildert, was es mit dem verursachenden Influenzavirus-Subtyp H5N1 auf sich hat, wie gefährlich das Virus für Mensch und Tier ist und was man zum Schutze seiner selbst und seiner Mitarbeiter tun kann.

Bis Mitte August diesen Jahres haben sich nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 112 Menschen mit dem Vogelgrippe-Virus infiziert, 57 von ihnen sind an den Folgen der Infektion verstorben. Alle Infizierten stammten bislang aus Asien.

Vogelgrippe auf dem Weg nach Europa

Besorgnis hat hierzulande aber jüngst eine Meldung der russischen Veterinärbehörden hervorgerufen. Diese teilten mit, dass die Vogelgrippe auch in Westsibirien aufgetreten ist. Wie bedrohlich sich die Situation entwickeln kann, zeigt die Reaktion der russischen Behörden, die kurze Zeit später um internationale Unterstützung bat mit dem Argument, die Tierseuche sei nicht nur ein russisches Problem sondern ein „Problem der ganzen Menschheit“.

Nahezu gleichzeitig schlug die WHO Alarm: Die Organisation rief alle Länder eindringlich zu raschen Vorsorgemaßnahmen gegen die Vogelgrippe auf. Zwar sei das Virus derzeit nur schwer auf den Menschen übertragbar, sollte der Erreger sich aber verändern, so dass eine Übertragung von Mensch zu Mensch möglich werde, so bestehe die Gefahr einer globalen Seuche. „Es gibt Modelle, wonach es dann eventuell nur drei bis sechs Monate dauert, bis sich der Erreger auf der ganzen Welt verbreitet hat“, so Dr. Klaus Stöhr, Leiter des Weltinfluenza-Programms der WHO in Genf.

Möglichkeit einer globalen Seuche

Nach seinen Worten ist davon auszugehen, dass in einem solchen Fall etwa ein Viertel bis ein Drittel der Bevölkerung erkranken. Die meisten Krankheitsfälle werden vergleichsweise mild verlaufen, doch es wird, so Stöhr, auch zu schweren Krankheitsfällen kommen. Auch Todesfälle werden selbst bei bester Vorbereitung nicht vermeidbar sein. Die WHO mahnt daher alle Nationen, sich unbedingt auf den Pandemie-Fall vorzubereiten und durch entsprechende Vorsorgemaßnahme zu versuchen, die Ausbreitung möglichst einzudämmen. Denn, kommt es zur Infektion, so ist den derzeitigen Zahlen zufolge, von einer fast 50prozentigen Todesrate auszugehen.

Ob es zu einem Katastrophen-Szenario kommen wird oder nicht, hängt weitestgehend davon ab, ob das Virus so mutiert, dass es nicht mehr auf Vögel beschränkt ist, sondern direkt von Mensch zu Mensch weiter gegeben werden kann. Das ist bisher nicht der Fall. Vielmehr gehen nach derzeitiger Kenntnis alle Krankheitsfälle beim Menschen darauf zurück, dass diese sich bei infizierten Vögeln ansteckten. Eine direkte Virusübertragung von Mensch zu Mensch wurde (noch) nicht sicher beschrieben.

„Die Gefahr, dass ein pandemischer Stamm entsteht, ist aber immer gegeben, wenn es irgendwo auf der Welt einen Ausbruch der Vogelgrippe gibt“, erklärte Professor Dr. Hans-Dieter Klenk vom Institut für Virologie der Universität Marburg. Denn die Seuche breitet sich in Asien unter Wildvögeln, Ziervögeln und Geflügel in Massenhaltung – hier vor allem bei Hühnern und Puten – stetig weiter aus, obwohl mittlerweile mehr als 140 Millionen Tiere getötet wurden, um die Infektion einzudämmen.

Die Wahrscheinlichkeit der gefürchteten Mutation ist keinesfalls gering. Denn Influenza-Viren verändern sich generell sehr rasch, ein Phänomen, das als Antigendrift bezeichnet wird. Es ist die Ursache dafür, dass die derzeitigen Impfstoffe jährlich an das aktuelle Virus angepasst und die Impfungen entsprechend wiederholt werden müssen. Durch eine gleichzeitige Infektion mit Geflügel- und Menschen-Influenza-Viren könnte es außerdem zu einer Umorganisation des Genmaterials (Reassortment) kommen und damit zu einem genetisch erheblich veränderten Gen, das durch die normale Immunabwehr des Menschen nicht rasch erkannt und bekämpft werden kann.

Viraler Schmelztiegel: das Schwein

Die Genveränderung muss nicht unbedingt beim Menschen erfolgen. Sie kann auch im Schwein ablaufen, das als „viraler Schmelztiegel“ gilt. Denn Schweine tragen auf den Zellen ihres Respirationstrakts sowohl Rezeptoren für die Vogelgrippe-Viren wie auch für Viren, die die Influenza beim Menschen verursachen. Gelangen beide Viren in eine Zelle, so ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie ihr genetisches Material miteinander austauschen.

Tritt die gefürchtete Mutation auf, so droht eine Situation analog früherer Influenza-Pandemien wie etwa der spanischen Grippe in den Jahren 1918 bis 1920, die rund 30 Millionen Todesfälle weltweit verursachte. Wie rasch sich das Virus ausbreiten kann, machen Zahlen deutlich: So enthält ein Gramm Vogelkot von infizierten Tieren eine ausreichende Virusmenge, um bis zu einer Million Tiere zu infizieren. Bedenklich stimmt in diesem Zusammenhang auch, dass in China und Indonesien H5N1 bereits bei Schweinen nachgewiesen wurde. Ebenso wie das Schwein, so könnte beim Vogelgrippe-Virus aber auch der Mensch als „viraler Schmerztiegel“ dienen, dann etwa, wenn ein mit der Vogelgrippe infizierter Patient sich gleichzeitig auch mit dem „normalen“ Influenza-Virus infiziert.

Symptome wie bei der „normalen“ Grippe

Beim Menschen treten Symptome der Vogelgrippe etwa zwei bis fünf Tage nach der Infektion auf. Sie ähneln denen der üblichen Influenza, die Erkrankten leiden unter hohem Fieber, Atemnot, Husten und Halssowie Gliederschmerzen. Oft entwickelt sich eine Pneumonie und auch Durchfälle können auftreten und auf eine Vogelgrippe hinweisen. Gefährdet sind in erster Linie Menschen, die mit Geflügel und allgemein mit Vögeln umgehen.

Reisen in die betroffenen asiatischen Länder werden vom Auswärtigen Amt derzeit als unbedenklich eingestuft, der Kontakt mit lebendem oder totem Geflügel aber sollte, so der Rat des Amtes, vermieden werden. Auch sollte der Besuch von Vogel- oder Geflügelmärkten, das Mitbringen von Vogelprodukten einschließlich von Federn ausbleiben. Der Verzehr von gut gegartem Geflügel oder Eiern wird jedoch als unbedenklich angesehen.

Schutzmöglichkeiten sind begrenzt

Doch was tun, wenn die Vogelgrippe auch hierzulande auftritt und das möglicherweise sogar als Pandemie? Direkte Schutzmöglichkeiten über die allgemeinen hygienischen Maßnahmen hinaus gibt es nicht, denn eine Impfung gegen die Vogelgrippe ist bislang nicht verfügbar. Die Experten raten derzeit, allgemein die Möglichkeiten der Grippeschutzimpfung zu nutzen, um gegen die beim Menschen üblichen Influenza-Viren geschützt zu sein. Sollte das Vogelgrippe-Virus entsprechend mutieren, würde dieses Vakzin aber nicht vor der Infektion schützen.

Anders bei den Medikamenten, die gegen alle Influenza-Viren wirksam sind. Es handelt sich um die sogenannten Neuraminidasehemmer, Virostatika, die spezifisch das Enzym Neuraminidase des Influenza-Virus inhibieren und damit die Virusvermehrung unterbinden. Zwei Neuraminidasehemmer sind verfügbar und zwar Zanamivir, Markenname Relenza®, das seit 1999 zur Behandlung der Influenza bei Erwachsenen und Jugendlichen ab zwölf Jahren zugelassen ist und inhaliert wird, und Oseltamivir, Markenname Tamiflu ®, das seit 2002 zugelassen ist und als Kapsel oder Suspension eingenommen wird. Mit Oseltamivir können Erwachsene und Kinder ab dem ersten Lebensjahr behandelt werden. Die Substanz ist auch für die Prophylaxe ab dem 13. Lebensjahr zugelassen.

Die Neuraminidasehemmer bewirken eine deutliche Reduktion der Viruslast, was zur Folge hat, dass die Dauer der Influenza verkürzt und die Schwere der Erkrankung gemildert wird. Es kommt in der Regel zu einer deutlichen Abschwächung der Symptome und der typischen bakteriellen Sekundärkomplikationen wie Bronchitis, Sinusitis, Pneumonie und Otitis media.

Frühtherapie ist Entscheidend

Dieses aber setzt eine Frühtherapie voraus, im Idealfall sollte die Behandlung bereits innerhalb von 48 Stunden nach Auftreten der Symptome begonnen werden, damit der Neuraminidasehemmer seine volle Wirksamkeit entfalten kann. Bei späterem Therapiebeginn konnte in den Studien keine eindeutige Wirksamkeit mehr gesichert werden. Sollte es zu einem Ausbruch der Vogelgrippe auch in unseren Gefilden kommen, so müssten die Neuraminidasehemmer bei Mitarbeitern der betroffenen Betriebe sowie bei Veterinärmedizinern zur Prophylaxe eingesetzt werden. Eine entsprechende Bevorratung durch die Behörden ist hierzulande bereits erfolgt, allerdings warnen die Tierärzte, dass es bislang keine einheitliche Regelung zum Tierarzt-Einsatz gibt, wodurch im Krisenfall wertvolle Zeit vertan werden könnte.

An der Entwicklung des Impfstoffes wird sehr intensiv gearbeitet und die Forscher sind in einen direkten Wettlauf mit dem Virus getreten. So gab das Unternehmen Sanofi-Pasteur MSD jüngst bekannt, dass ein entsprechender Impfstoff zur Zeit in klinischen Studien in den USA und in Frankreich geprüft wird. Es handelt sich um einen Modell-Impfstoff und noch nicht um das Vakzin, mit dem im Pandemiefall geimpft werden könnte. Dieses lässt sich prinzipiell erst dann entwickeln, wenn das Pandemie-Virus tatsächlich auftritt.

Vogelgrippe – das Virus

Die Vogelgrippe wird durch das Influenza-A-Virus verursacht, von dem 15 Unterarten, die sogenannten H-Subtypen (H1-H15), bekannt sind. Sie unterscheiden sich in ihren Oberflächenproteinen, den Hämagglutininen.

Es gibt ferner neun verschiedene Subtypen, die sich in ihrer Neuraminidase unterscheiden und die als N1 bis N9 klassifiziert werden. Alle 15 Subtypen, darunter auch H5N1, können Vögel infizieren, H5 und H7 werden auch für den Menschen gefährlich. Die Viren kommen sehr häufig in Enten vor, die jedoch kaum Krankheitszeichen zeigen sowie in Hühnern und Puten, die zum Teil schwer erkranken, wodurch die Infektion auch den Namen „Geflügelpest“ erhielt.

Christine Vetter

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