FVDZ-Hauptversammlung 2006 in Hamburg

Die Jahrhundertreform als Flop

„Gemessen am Anspruch, unser Gesundheitswesen zukunftsfähig zu machen, wird diese Reform – wie alle anderen vorher auch – ein Flop werden.“ Dieses Resümee zur gesundheitspolitischen Lage zog der Bundesvorsitzende des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte (FVDZ), Dr. Karl-Heinz Sundmacher, auf der diesjährigen Hauptversammlung der Delegierten (12. bis 14. Oktober) in Hamburg. Mit einer Reihe von Beschlüssen zu Gesundheitsreform, GOZ-Novelle, Komplementären Vertragsstrukturen und der Europäisierung des Gesundheitswesens forderte der Verband die Umkehr zu „mehr Freiheit und weniger Bürokratie“.

Ausgerechnet der einzige Zahnarzt unter den Bundestagsabgeordneten, CDU-MdB Dr. Rolf Koschorrek, hatte im Rahmen einer Podiumsdiskussion zum Thema „Gesundheitsreform – Jahrhundertwerk oder Flop“ diesmal einen schweren Stand gegenüber den Delegierten. Koschorrek räumte für den aktuellen Gesetzesentwurf zwar Nachbesserungsmöglichkeiten ein, verteidigte aber den Kompromiss der großen Koalition und markierte beabsichtigte Aktionen wie schriftliche Massenprotestnoten als kaum Erfolg versprechend. MdB Peter Friedrich vom Koalitionspartner SPD bekräftigte die SPD-Position, am sozialen Ausgleich und am ungehinderten Zugang zu medizinischen Leistungen festzuhalten und begrüßte den beabsichtigten Basistarif für die PKV als Maßnahme zur Abschaffung der Risikoselektion der privaten Krankenversicherungen. Während Dr. Harald Terpe von der Opposition Bündnis 90/Die Grünen sich gegen medizinische Versorgungszentren – das sei „Humbug“ – aussprach und klare Kritik gegen das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz als Angriff gegen die Freiberuflichkeit äußerte, erhielt der FDP-Abgeordnete Heinz Lanfermann mit seinen FVDZnahen Forderungen nach Bürokratieabbau und der Forderung nach kapitalrückstellenden Versicherungsverträgen sowie der Androhung einer Verfassungsbeschwerde gegen die Basistarife in der PKV den Beifall der Bundesdelegierten.

Als „gestorben“ brandmarkte FVDZ-Bundesvorsitzender Dr. Sundmacher das Projekt einer großen Gesundheitsreform 2006. Der Gesundheitsfonds als Kernstück sei durch die Verlegung in das Wahljahr 2009 „praktisch beerdigt“. Dennoch warnte der FVDZ-Bundesvorsitzende vor vorschneller Gelassenheit. Mit dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz, der Novelle zum Versicherungsvertragsgesetz und den „nicht gerade dürftigen Resten“ des GKVWettbewerbsstärkungsgesetzes sei noch „genug Sprengstoff“ in der gesetzgeberischen „Pipeline, um unsere Positionen als Freiberufler und Selbständige in den Grundfesten zu erschüttern“. Von der Regierung angesteuert werde „ein zentralisiertes, staatsnahes, auf Planwirtschaft, Reglementierung und Fremdbestimmung aufbauendes, also ein sozialistisches Gesundheitswesen“.

Generalangriff auf die Freiberuflichkeit

Das vom FVDZ avisierte Pendant, nämlich „ein liberales, wettbewerblich organisiertes und an marktwirtschaftlichen Mechanismen ausgerichtetes Gesundheitswesen, in dessen Mittelpunkt der mündige Bürger steht“, sei durch einen „Generalangriff auf die Freiberuflichkeit“ gefährdet. Sundmacher: „Unser Gesundheitssystem ist mit seiner derzeitigen Struktur – sowohl, was die Finanzierungsform als auch was das Leistungsangebot betrifft – nicht zukunftsfähig.“

Deutliche Vorbehalte äußerte der Bundesvorsitzende gegen die Abschlüsse sogenannter Separatverträge. „Das Schielen“ auf diese Vertragslösungen sei sinnlos, „weil sie die Zahnärzteschaft spalten“ werden, selbst „für die Erstpofiteure keine anhaltende und zuverlässige Verbesserung der wirtschaftlichen Situation bringen, die freiberuflich selbstständige Tätigkeit als Zahnärztin oder -arzt nicht von der GKV lösen, sondern im Gegenteil den direkten Einfluss der GKV auf unsere Berufsausübung verstärken“ werden.

Vielmehr gelte es, so Sundmacher, die Bereiche der Festzuschüsse und Mehrleistungsmöglichkeiten zu schützen, zu vergrößern und sie „so lange wie möglich von separaten oder kollektiven Verträgen mit Kostenträgern frei“ zu halten. Positiv wertete der FVDZ, dass laut derzeitigem Stand der Patient künftig „für jede einzelne Behandlung Kostenerstattung wählen kann, dass es keine zeitliche Bindung mehr gibt und auch, dass die Pflichtabratung der Krankenkassen vom Tisch“ sei.

Gegen die ruinöse, anonyme Sachleistung

Vor dem Hintergrund derzeitiger gesundheitspolitischer Vorhaben haben die Delegierten des FVDZ eine Resolution für „mehr Wettbewerb, mehr Markt, mehr Freiheit und weniger Bürokratie“ verabschiedet. Die Alternative zum im Aufbau befindlichen Staatsgesundheitssystem: „Abschaffung der ruinösen, anonymen Sachleistung und stattdessen Einführung der transparenten Direktabrechnung mit den Patienten. Das direkte Arzt-Patientenverhältnis ohne die Einflussnahme Dritter ist elementarer Bestandteil eines modernen Gesundheitssystems zum Wohle der Bevölkerung.“

Darüber hinaus fassten die Delegierten Beschlüsse zur Direktabrechnung zwischen Zahnarzt und Patient als durchgängiges Prinzip im zahnmedizinischen Bereich, forderten einen offenen Gesundheitsmarkt für Patienten und Zahnärzte auf europäischer Ebene, wiesen die vom Bundeskabinett gebilligte Neuregelung des Krankenversicherungsrechtes ebenso zurück wie die Absicht, „Aufgabenfelder und Tätigkeitsbereiche der im GKV-Bereich tätigen Körperschaften auszuweiten“.

Verabschiedet wurde auch ein Positionspapier zu „Komplementären Vertragsstrukturen“. Abgesehen vom Grundsatz der freiberuflichen Tätigkeit in direkter Zahnarzt- Patienten-Beziehung fordert der FVDZ als Grundsätze für kollektivvertragliche Regelungen die Gewährleistung der freien Arztwahl, eine aktuelle Leistungsbeschreibung und betriebswirtschaftlich basierte Honorierung, Möglichkeiten zu abweichenden Vereinbarungen sowie zur Direktabrechnung, keine Budget- und Degressionsregelungen, begrenzte Laufzeiten und beidseitige Kündbarkeit der Verträge. Auf grundsätzliche Ablehnung seitens der Hauptversammlung stießen sämtliche Absichten (zum Beispiel durch Basistarife in der PKV) die „Enteignung von PKV-Versicherten“ voranzutreiben.

Breiten Raum in der Diskussion nahm auch die geplante GOZ-Novelle ein. Einerseits, so der FVDZ, sei eine staatlich erlassene Gebührenordnung obsolet, vielmehr müsse sich der Verband mit einer „Honorar-Richtlinie Zahnärzte“ befassen. Grundlage dafür sei der von der BZÄK vorgelegte – noch zu bepreisende – Entwurf als Grundlage für eine neue GOZ.

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