Anhörung zur Gesundheitsreform

Der Teufel steckt im Detail

Es war die umfassendste Anhörung im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages, die es je zu einer Gesundheitsreform gegeben hat: An vier Tagen (6., 8., 13. und 14.11.) wurden rund 26 Stunden lang Abgeordnete und rund 80 Verbände und weitere Sachverständige befragt – Sitzungsmarathon pur. Und es hagelte zum größten Teil Kritik.

Zu Beginn der Anhörung gab es noch Lob. Da ging es um generelle zusätzliche Leistungen der GKV für Patienten (wie Schutzimpfungen, Mutter-Kind-Kuren und geriatirische Rehabilitation), deren Einführung begrüßt wurde. Umstritten diskutiert wurden dann die Malus-Regelung bei der Vorsorge und die Evidenz bei Patientenverschulden.

In einem Schulterschluss wehrten sich Krankenkassen, Ärzteschaft und Krankenhäuser gemeinsam gegen Zentralisierung, Vereinheitlichung und Staatsmedizin. Die Versorgung werde schlechter und teurer, bewährte Organisationsstrukturen in der GKV würden ohne triftigen Grund zerstört und das selbstverwaltete Gesundheitswesen werde faktisch ersetzt durch wettbewerbsfeindliche Strukturen. Die Organisationen forderten die Regierung auf, die Gesundheitsreform zu stoppen und von vorn anzufangen.

Völlig uneins waren sich Regierung und Krankenkassen, wie sich die Beitragssätze zur GKV weiterentwickeln sollen. Die Kassen wiesen darauf hin, dass bereits 2007 sieben Milliarden Euro zur Deckung der Ausgaben fehlen würden, bis 2009 könne der Betrag auf 13 bis 16 Milliarden ansteigen. Das hieße, man könne von Beitragssprüngen um bis zu 1,6 Prozentpunkte ausgehen. Diese Berechnungen wies das Bundesgesundheitsministerium zurück.

Nein zum Basistarif

Ablehnend äußerten sich BZÄK-Präsident Dr. Dr. Jürgen Weitkamp und der KZBV-Vorsitzende Jürgen Fedderwitz zum geplanten Basistarif in der PKV. Auch für die Ausdehnung des Sicherstellungsauftrags im Rahmen des neuen Basistarifs auf die KVen bestehe kein Bedarf. Diese Bestimmung verdeutliche die Absicht des Gesetzgebers, eine weitgehende Konvergenz der Systeme von GKV und PKV zu erreichen. Dies sowie die erschwerten Zugangsmöglichkeiten zur PKV und die Einrichtung eines internen Risikoausgleichs stellten die Existenz der privaten Krankenversicherung vollständig in Frage. Diese Meinung vertrat auch der PKV-Verbandsdirektor Volker Leienbach. Ob die PKV tatsächlich zum 1. Januar 2008 mit einem Basistarif an den Start geht, ist nach Abschluss der Anhörung nun wieder ungewiss. Was die geplante Hauptamtlichkeit der Mitglieder im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) angeht, so unterstützten die Zahnärzte-Vertreter die Position des G-BA. Die Professionalisierung des Gremiums führe letztlich dazu, dass die bewährte Struktur als Einrichtung der gemeinsamen Selbstverwaltung zerstört würde.

Zustimmung signalisierten die zahnärztlichen Vertreter zum Wegfall der Bedarfsplanung. Allein sei dies aber nicht ausreichend, auch die immer noch aufrechterhaltene Budgetierung und Degression müssten verschwinden. Positiv äußerten sich die Zahnärzte zur Einführung von Wahltarifen und Kostenerstattung. Jedoch werde bei den Wahltarifen der Wettbewerb nur halbherzig geschaffen, da die maximalen Beitragsabschläge gedeckelt würden.

Der KBV-Vorsitzende Dr. Andreas Köhler warnte vor Praxispleiten. Die KBV sehe das Ziel einer Gebührenordnung mit festen Preisen als nicht erreicht. Der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Günter Neubauer bezeichnete die seitenlangen Passagen zur Vergütung im Gesetzentwurf als Zumutung: „Es gibt Paragrafen, da werden acht Dimensionen untergebracht. Ein normaler Mensch kann höchstens vier erfassen.“ Der Vertreter des AOK-Bundesverbandes, Johann-Magnus von Stackelberg, verwies darauf, dass die Kassen Jahr für Jahr mehr Geld für die Vergütung im ambulanten Bereich zahlten.

Auch die Pharmaindustrie protestierte gegen die Gesundheitsreform. Die Pläne hätten gravierende Auswirkungen auf die Arzneimittelversorgung und die Standortbedingungen der Industrie in Deutschland.

Durchgefallen

Zum Abschluss hagelte es Kritik an der gesamten geplanten Finanzierungsarchitektur und am Gesundheitsfonds. Das Bundesversicherungsamt wie auch mehrere unabhängige Sachverständige sahen die Gefahr, dass auch wirtschaftlich arbeitende Krankenkassen durch die neuen Pläne reihenweise in die Insolvenz getrieben würden. Die Kassen selbst sprachen gar von einem Horrorszenario. Beim Fondsstart müsse das ganze AOK-System Konkurs anmelden.

Unterdessen wurden in der Union Stimmen laut, die die Bundestagsabstimmung zur Reform nicht wie geplant zum 15. Dezember wollen, sondern eine Verschiebung auf das kommende Jahr fordern. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Annette Widmann-Mauz, sprach von „missverständlichen Formulierungen“, die Gegenstand von Änderungsanträgen werden sollen. Das Gesetz müsse aber am 1. April 2007 in Kraft treten. Änderungswünsche kommen auch aus der SPD.

Schließlich hat sich das Kanzleramt in die Reformdebatte eingeschaltet und die Verbände des Gesundheitswesens, darunter auch die Zahnärzteschaft, zu drei Spitzentreffen eingeladen. Damit will Kanzleramtschef Thomas de Maizière einen weiteren Versuch starten, die Verbände von den Vorteilen der Reform zu überzeugen. Ausdrücklich hieß es dabei, sei dies keine Replik auf den Vorstoß von elf Spitzenorganisationen im Gesundheitswesen (zu denen auch BZÄK und KZBV gehörten), die aus Sorge um die Zukunft des deutschen Gesundheitswesens Ende Oktober um ein Treffen bei der Bundeskanzlerin gebeten hatten und Lösungswege anboten.

Inzwischen wird laut Presseberichten in der Koalition über mögliche Änderungen an der Reform diskutiert.

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