Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄG)

Kritik schafft Bewegung

Zu mehr Freiheit und Flexibilität wollte die Koalition den Medizinern bei der Arbeit verhelfen. Ein guter Plan, den bestimmt jeder Arzt in diesem Lande nahezu blind unterschreibt. Allerdings: Mit dem ersten Gesetzesentwurf wäre es nicht dazu gekommen. Im Gegenteil: Chaos in der Abrechnung und verunsicherte Patienten wären die Folge gewesen. Noch immer ist im Ergebnis längst nicht alles positiv: Das VÄG gefährdet weiterhin massiv die Freiberuflichkeit. Doch die Kritik der Zahnärzte fiel offenbar auf fruchtbaren Boden – zumindest soll das Gesetz jetzt entschärft werden.

Eine Liberalisierung und Flexibilisierung des ärztlichen Berufsrechts hatten die Berliner Politiker im Sinn. Starre Strukturen sollten aufgeweicht, neuen gesellschaftlichen Entwicklungen damit Rechnung getragen werden. Was viel versprechend klingt, drohte jedoch um ein Haar zu misslingen.

Ursprünglich wollte die Regierung

• auch Medizinische Versorgungszentren (MVZ) zulassen, in denen nur Zahnärzte beschäftigt sind, und nicht mehr daran festhalten, dass Ärzte fachübergreifend eingestellt werden

• „überörtliche Berufsausübungsgemeinschaften“ erlauben, ohne Mitspracherecht von KZBV und KZVen

• gestatten, dass Zahnärzte in mehreren Praxen und außerhalb ihres KZV- und Kammerbezirks arbeiten dürfen, ebenfalls ohne Abstimmung mit KZBV und KZVen

• ermöglichen, dass Mediziner in Zukunft angestellt und Teilzeit arbeiten können

• beim lokalen Versorgungsbedarf zum Teil staatlich eingreifen

• dass die KZVen künftig die Praxisgebühr eintreiben und auch für das Mahnverfahren zuständig sind

• die Altersgrenzen in unterversorgten Gebieten lockern

• die GOZ-Vergütungsabschläge im Osten aufheben.

Freiberuflichkeit: Angriff noch nicht abgewehrt

Ein Katalog mit zum Teil gravierenden Folgen für die Zahnärzteschaft. Geht das Gesetz in Reinform durch – nicht weniger als die Freiberuflichkeit steht auf dem Spiel.

Zwar ist eine Liberalisierung der Berufsausübung zu begrüßen, in dem Sinne, dass der Zahnarzt mehr als bislang Synergieeffekte in der Gemeinschaftspraxis nutzen und flexibel auf veränderte Bedarfsstrukturen reagieren kann. Allerdings bedeutet „Liberalisierung“ mitnichten völlige „Freigabe“. „Der Freie Beruf meint Freiheit als eigenes Handeln und Gestalten anstelle staatlicher Einrichtungen“, führt Dr. Dr. Jürgen Weitkamp, Präsident der Bundeszahnärztekammer, aus. „Die Freiheit, die eigenen beruflichen Belange selbst in die Hand zu nehmen, ist mit der Verpflichtung verbunden, für das Gemeinwohl einzustehen.“

Insgesamt spreche das Gesetz der Kammer die Hoheit ab, zahnärztliche Belange, wie etwa Formen der Zusammenarbeit, selbst zu regeln. Auch das Thema Altersgrenzen, so Weitkamp, werde nur halbherzig angegangen. Obendrein konterkariere der Entwurf die Musterberufsordnung: Dort steht, dass die Berufsausübung des selbstständigen Zahnarztes grundsätzlich an einen Praxissitz gebunden ist.

Der erste Entwurf bestritt zudem den gesetzlichen Auftrag, nämlich die Pflicht des Zahnarztes, die ordnungsgemäße Versorgung seiner Patienten sicherzustellen. „Wenn der Zahnarzt in zig Praxen und verschiedenen KZV-Bezirken tätig sein kann, ohne vorab die Zustimmung der betreffenden KZVen einzuholen, kann man weder eine flächendeckende Versorgung gewährleisten noch generell im Sinne des Patienten planen und handeln“, warnte auch der KZBV-Vorsitzende Dr. Jürgen Fedderwitz. Im Gegenteil: Diese Regelung hätte den Patientenschutz eher ausgehöhlt. Genauso die Absicht, in Zukunft „übergeordnete Berufsausübungsgemeinschaften“ ohne Einfluss von KZBV und KZVen zuzulassen. „Eine solche Regelung hätte Praxisketten begünstigt“, so Fedderwitz. Zu konkret war die Gefahr, dass dadurch die freiberuflichen Praxen aus der Versorgung verdrängt werden. „Das Horrorszenario wären Verhältnisse wie in Übersee, wo die Praxen zum Teil wie Supermärkte aufgezogen sind.“ Weitkamp ergänzt: „Eine unbegrenzte Ausweitung der Berufsausübung an verschiedenen Orten und in unterschiedlichen Kooperationsmöglichkeiten stellt grundsätzlich das System der vertragszahnärztlichen Versorgung durch den Freiberufler infrage.“

Grund für die Zahnärzte, auf Änderungen im VÄG zu drängen: Immer wieder wiesen sie in der Politik auf die negativen Folgen des Gesetzes für Patienten und Praxen hin. In vielen Punkten augenscheinlich mit Erfolg. Für den Behandler wie auch für den Patienten: Pendelt der Zahnarzt von einer Praxis in die andere, arbeitet statt in überschaubaren Räumen in einem Massenbetrieb, fehlt dem Patienten der direkte Ansprechpartner für seine Belange. Für ihn wäre ungewiss, wer ihn beim kommenden Termin behandelt, und er wüsste auch nicht, wie er seinen Zahnarzt im Notfall erreicht. Wohnortnahe Versorgung und Hauszahnarzt ade. Das Arzt-Patienten-Verhältnis würde immens leiden, das Vertrauen bekäme einen Knacks.

So nicht zu steuern

Heftig kritisiert wurde seitens der Zahnärzteschaft außerdem, dass die KZBV und die KZVen keinen Einfluss mehr auf Steuerung und Planung von Versorgung und Verteilung haben sollten.

„Wenn Vertragszahnärzte in mehreren KZVBezirken gleichzeitig arbeiten können, ist die budgetierte Gesamtvergütung über Verträge und Honorarverteilungsmaßstäbe ohne die Hoheit von KZBV und KZVen absolut nicht mehr zu steuern“, urteilt Fedderwitz. Die Bestimmungen zielten schlicht ins Leere, weil man einfach nicht mehr hätte feststellen können, in welchem Umfang ein Zahnarzt wann und wo gearbeitet hat. Bedarfsplanung und Wirtschaftlichkeitsprüfung unter diesen Bedingungen? Unmöglich. Budgetverzerrungen wären unvermeidlich gewesen. Dass die Steuerung des Leistungsvolumens derart ausgehebelt werden sollte, war umso unverständlicher, als an anderer Stelle des Entwurfs gerade die planungsrechtliche Verantwortung der KZBV hervorgehoben wurde. Ebenso abzulehnen war die Eintreibung der Praxisgebühr durch die KZBV. Das hätte nicht wie gefordert weniger Bürokratie, sondern mehr gebracht und zudem zusätzliche Kosten verursacht.

Natürlich stimmt der Entwurf teilweise durchaus positiv. In dem Punkt, dass Zahnärzte künftig als Angestellte und in Teilzeit arbeiten können, zum Beispiel. Frauen bringen dann viel besser Karriere und Kinder unter einen Hut. Sehr positiv ist ebenfalls, dass das Gesetz die Vergütungsabschläge im Osten streichen will. Fazit: Insgesamt konnten die Zahnärzte viele Forderungen mit Erfolg durchsetzen. Eines aber muss die Politik wissen: Wer die Freiberuflichkeit dergestalt untergräbt, schwächt die Praxen und damit auch den Patienten.

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