Die Fallen des grauen Kapitalmarkts

Wenn die Alarmglocke schrillt…

Die Renditen dümpeln immer noch in den niedrigen Bereichen. Kein Wunder, dass viele Sparer nach lukrativen Alternativen zu den üblichen Zinsanlagen suchen. Clevere Finanzjongleure finden bei ihnen zunehmend Gehör für ihre großspurigen Versprechen. Oft aber bleiben die Anleger enttäuscht und ohne Geld zurück.

Der graue Kapitalmarkt brummt. Die niedrigen Zinsen für Spareinlagen und die Vergesslichkeit der Sparer was Finanzskandale in der Vergangenheit betrifft, schaffen ein fruchtbares Klima für risikoreiche Anlagen. In den vergangenen Jahren flossen und fließen immer noch die Euros reichlich in mehr oder weniger dubiose Anlagen. Namen wie Euro-Gruppe, Göttinger-Gruppe oder Wohnungsbaugesellschaft Leipzig-West füllen die Schlagzeilen ebenso wie die dramatischen Schicksale derer, die in die so genannten Schrottimmobilien investiert haben.

Anders als Banken und Sparkassen unterliegen die Geschäfte, die auf dem grauen Markt abgewickelt werden, nicht der Aufsicht durch die staatlichen Behörden. Deshalb kann es immer wieder Skandale geben. Diese Vorgänge beschäftigten auch die alte Bundesregierung. Sie hatte sich vorgenommen, das Wahlvolk vor den Tricks der dubiosen Geldmacher besser zu warnen. Jetzt verteilte das Verbraucherministerium das bereits im Vorjahr genehmigte Geld für die Aufklärungsaktionen auf die Verbraucherzentralen. In Vorträgen und auf Internetseiten wollen sie private Anleger über Risiken unseriöser Geldanlagen informieren, ihnen Vertriebswege transparent machen und die Finanzkenntnisse besser schulen. Sie setzen verstärkt auf Präventivmaßnahmen und hoffen, dass den kriminellen Anbietern so die Luft ausgeht. Ein schwieriges Unterfangen, denn auf diesem Markt bewegen sich Summen in der Größenordnung von 40 Milliarden Euro. Das Geld verschwindet unter anderem in dubiosen Immobiliengeschäften, hoch riskanten Inhaber- Schuldverschreibungen beziehungsweise Anleihen und Aktien sowie in kaum durchschaubaren atypischen stillen Beteiligungen.

Finanzexperten, wie der Leiter des Deutschen Instituts für Anlegerschutz (DIAS), Volker Pietsch, befürchten, dass in Zukunft im Zuge der Ost-Erweiterung der EU noch weit höhere Beträge in dunklen Kanälen verschwinden. Denn in den neuen und zukünftigen Mitgliedstaaten stehen die Berater schon Gewehr bei Fuß, um ihre Produkte an den Mann beziehungsweise die Frau zu bringen.

Verführung pur

Die Dunkelziffer dürfte tatsächlich immens sein. Denn kaum jemand gibt gern zu, auf zweifelhafte Vermittler hereingefallen zu sein. Abgesehen haben es die Akteure auf diesem Gebiet vor allem auf gut Betuchte. Allein ein Drittel der Geschädigten sind Ärzte; viele Naturwissenschaftler erliegen den Verlockungen dieser Branche. Die meisten von ihnen sind beruflich sehr eingespannt. Sie verfügen zwar über ein hohes Einkommen, finden aber keine Zeit, sich ausreichend um die Verwendung der Spargroschen zu kümmern. Anbieter, die mit hohen Renditen werben und sich dazu noch um die Abwicklung des Geschäfts kümmern wollen, haben dann oft leichtes Spiel.

Inzwischen haben die Vertriebsleute aber auch den Kleinanleger entdeckt. Unter dem Schlagwort Altersvorsorge verkaufen sie beispielsweise Wohnungen, für die sie hohe Mieten in Aussicht stellen, mit denen die benötigten Kredite getilgt werden sollen. Doch diese „Schrottimmobilien“ rechnen sich nicht. Zehntausende geleimter Anleger sitzen heute auf teuren Krediten, die sie nicht zurückzahlen können und ihre gesamten Ersparnisse sind weg. Die Gerichte werden mit den Klagen noch jahrelang beschäftigt sein.

Einer, der im guten Glauben Wohneigentum in den neuen Bundesländern gekauft hat, ist der Schauspieler Horst Janson. Eigentlich hatte er sich schon aus der Öffentlichkeit auf sein Segelboot zurückgezogen. Doch nun muss er sich wieder um Engagements bemühen, um seine Verluste auszugleichen. Wie alle anderen Betroffenen verlor auch er viel Geld, weil er den Versprechungen eines Beraters geglaubt hat. Heute redet er in Talkshows offen über sein Pech und mahnt jeden, sich gründlich über Investitionsmöglichkeiten zu informieren, bevor er seine Unterschrift unter einen Kaufvertrag setzt.

Problematisch wird eine Anlage in Immobilien dann, wenn sie entweder völlig überteuert ist oder komplett auf Pump finanziert wird. Denn Kredit und Tilgung müssen bedient werden, egal, ob die Wohnung vermietet ist oder nicht. Die Verbraucherschützer wissen, dass sich in vielen Fällen die Wohnungen gar nicht vermieten lassen, weil entweder der Zustand zu schlecht oder die Miete zu hoch ist. Zu der ausgefallenen Miete kommen dann noch die Ausgaben für die Renovierung. Die meisten Anleger halten diese finanzielle Belastung nicht lange durch. Ein Ausstieg aber aus der Immobilienanlage ist entweder nur mit großen Verlusten oder gar nicht möglich: Aufgrund der häufig schlechten Qualität lassen sich die Objekte kaum verkaufen. Klappt es doch, verlangt die Bank bei einem vorzeitigen Ausstieg aus dem Kreditvertrag eine saftige Vorfälligkeitsentschädigung für die vorzeitige Ablösung des Kredits. Bis dahin hat der Besitzer schon längst die oftmals hohen Aufschläge auf den Kaufpreis gezahlt, aus denen sich die Vermittler bedienen. Sie können bis zu 50 Prozent der Kaufsumme und mehr betragen.

Spreu im Weizen

Um Immobilien geht es auch bei den Geschäften der Wohnungsbaugesellschaft Leipzig West AG. Gegenstand des Unternehmens sind der Erwerb, die Verwaltung und der Verkauf von Grundstücken und Gebäuden. Um diese Geschäfte zu finanzieren, hatten die Initiatoren Inhaberschuldverschreibungen mit unterschiedlichen Laufzeiten und verlockenden Renditeversprechen von sechs Prozent und mehr ausgegeben, bei derzeit realistischen vier Prozent auf dem kontrollierten Finanzmarkt. Wer sich auf diese Angebote einlässt, muss wissen, dass die Sicherheit für diese Papiere allein in der Bonität des Emittenten liegt, also der Leipzig West AG. Und diese Firma ist hoch verschuldet. Das DIAS veröffentlicht auf seiner Internetseite eine Beurteilung der Lage. Danach hoffen die Anleger seit Dezember 2005 auf die Rückzahlung fälliger Inhaberschuldverschreibungen. Auch für die Tranche in Höhe von zehn Millionen Euro, die am 21. April 2006 fällig war, warten tausende Anleger auf ihr Geld. Durchhaltebriefe sollen die insgesamt rund 30 000 Anleger bei Laune halten. Volker Pietsch hat aufgrund der sich zuspitzenden Situation für die Anlegergelder der Leipzig West AG Alarmstufe Rot ausgegeben. Die Bilanz wies Ende 2004 eine Verschuldung in Höhe von 253,9 Millionen Euro auf. 215,2 Millionen Euro davon stammten aus Anleihen.

Werden die alten Schulden mit der Ausgabe von neuen Anleihen – sie entsprechen den Inhaberschuldverschreibungen – zurückgezahlt, entsteht mit der Zeit ein Schneeballsystem. Dieses Gebäude stürzt dann zusammen, wenn der Geldnachschub ausbleibt, das heißt, wenn die Anleger keine Anleihen mehr zeichnen. Diejenigen, die zuletzt auf die Versprechen hereingefallen sind, haben dann das Nachsehen. Derzeit tummeln sich nach Ansicht der Verbraucherschützer zirka 100 schwarze Schafe auf dem Anleihenmarkt. (Eine Liste mit Namen finden Interessenten auf der Internetseite des DIAS, siehe Kasten.) Selbstverständlich gibt es auch gute Firmen, die Investitionswilligen lukrative Möglichkeiten für die Geldanlage bieten. Doch die Spreu vom Weizen zu trennen, fällt Laien sehr schwer.

Seriöse Unternehmen schlüsseln in ihrem Emissionsprospekt genau auf, wie sie nach Abzug von Leerständen, Instandhaltungsund Verwaltungskosten die anvisierten Zinszahlungen für die Anleihen leisten und das Kapital der Anleger wieder erstatten können. Eine weitere sehr beliebte Variante des Geldeinsammelns auf dem grauen Kapitalmarkt ist die atypische stille Gesellschaft. Dabei beteiligen sich Anleger an einem Unternehmen, verfügen über keinerlei Mitspracherecht, tragen aber das Verlustrisiko, wenn die Gewinne ausbleiben. Ein Beispiel dafür ist die Euro- Gruppe in Würzburg. Deren Pleite betrifft bundesweit rund 40 000 Anleger. Laut Vertrag müssen im Insolvenzfall die Einlagen der Anleger vorrangig den Gläubigern zur Verfügung stehen. Erst wenn diese befriedigt sind, dürfen die Anleger mit der Rückzahlung ihrer Einlagen rechnen. Noch ist nicht geklärt, ob sie nicht sogar Geld bis zur Höhe ihrer vertraglich vereinbarten Einlage nachschießen müssen. Möglicherweise meldet sich auch noch das Finanzamt mit Nachforderungen, wenn es für diese Investition Steuervergünstigungen gewährt hatte. Den Investoren bleibt jetzt nur noch der Gang zu einem versierten Anwalt.

Vielleicht haben auch sie sich beim ersten Kontakt mit einem Vertreter der so genannten Erwerbermodelle von der Frage „Zahlen Sie auch zuviel Steuern?“ einlullen lassen. Hält der Berater dann auch gleich die Lösung für das Steuerproblem bereit, ist der Anleger schon halb verführt.

Statt den blumigen Versprechen Glauben zu schenken, besprechen besonnene Anleger das Angebot erst einmal mit ihrem Steuerberater oder Anwalt. Die prüfen die Konditionen und das Kleingedruckte. Erst, wenn wirklich Klarheit über Risiken und Chancen besteht, ist der Vertrag unterschriftsreif. Seriöse Anbieter haben dafür Verständnis und drängen nicht zur Eile.

Leider beweisen viele Anleger, die sich in diesen Dingen nicht so gut auskennen, nur wenig Standvermögen gegenüber einem selbstbewusst auftretenden Finanzberater, obwohl dessen Kenntnisse oft nur wenig weiter reichen als die des Kunden. Selbst Akademiker, die auf ihrem Gebiet als hoch qualifizierte Spezialisten arbeiten, verfügen in Sachen Geldanlage oft über große Wissenslücken. Skrupellose Berater nutzen diesen Mangel gnadenlos aus. Volker Pietsch sieht hierin einen Hauptgrund dafür, dass dubiose Geschäftemacher in Deutschland immer noch so viele Opfer finden: „Die meisten Deutschen sind schlicht überfordert, hinsichtlich ihrer notwendigen Altersvorsorge eine eigenständige Entscheidung zu treffen. Die Opfer von Anlagebetrügern kommen aus allen Bevölkerungsschichten.“ Die Geldgier spielt dabei eine eher untergeordnete Rolle. Damit zumindest die zukünftigen Anleger aufgeklärter mit ihrer finanziellen Situation umgehen können, fordert Pietsch zusätzlich zur Arbeit der Verbraucherschützer ein Fach Wirtschaft, das an den allgemeinbildenden Schulen unterrichtet werden soll. Darüber hinaus fordern Experten, dass das Berufsbild des Finanzberaters endlich geregelt wird. Im Grunde kann sich bislang jeder Dilettant als Finanzberater selbständig machen. Ein Gewerbeschein genügt.

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