Außerordentlicher Ärztetag 2006 in Berlin

Dialogkultur statt Kommandomedizin

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Der Außerordentliche Deutsche Ärztetag in Berlin am 24.Oktober 2006 hat der Bundesregierung vorgeworfen, mit der geplanten Gesundheitsreform die Strukturen ärztlicher Versorgung zu zerschlagen und das Vertrauen der Patienten in die Medizin nachhaltig zu zerstören. In einer Resolution forderten die 250 Delegierten des Sonderärztetages die Koalition auf, „den Reset-Knopf zu drücken“ und Mut zum Neuanfang in der Gesundheitspolitik aufzubringen.

Wie schlecht es ist, wenn die Politik die Ruderer ihrer schwerfälligen Reform-Galeere über Bord wirft, das brachte der Außerordentliche Ärztetag im Oktober 2006 aufs Tapet. „Stoppen Sie diese Reform aus Verantwortung für unser Gesundheitswesen!“, appellierten die Ärztevertreter an Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel.

„Gemeinsam erreichen wir mehr“, eine im BMG beliebte Mahnung, machte sich die Ärzteschaft jetzt ihrerseits zur Waffe. Denn bis jetzt blieb die Selbstverwaltung bei den Beratungen weitestgehend außen vor, weil die Koalition den Sachverstand der Beteiligten für entbehrlich hält. Ein fataler Fehler mahnte Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK): „Ich möchte hier nur einige Punkte nennen, über die man durchaus diskutieren könnte, etwa über die Verbreiterung der Einnahmebasis der GKV nach der tatsächlichen Leistungsfähigkeit des Versicherten, die sozialverträgliche Erweiterung der Eigenbeteiligungsformen oder auch die kostenfreie Familienversicherung nur noch für erziehende Elternteile.“ Man müsse auch diskutieren, ob es nicht sinnvoll sei, auch innerhalb der GKV ein System der Alterungsrückstellungen durch einen Gesundheitssoli sowie einen demografiebezogenen Ausgleichsfaktor über die Krankenversicherung der Rentner einzuführen. Vor allem ist die Politik selbst gefordert, den Missbrauch der GKV durch Ausweitung versicherungsfremder Leistungen sowie durch die sogenannten Verschiebebahnhöfe zu beenden, umriss Hoppe die brachliegenden Felder, auf denen die Politiker gar nicht oder zumindest nicht in die richtige Richtung aktiv waren: „Das alles sind Projekte, die Sie gemeinsam mit uns entwickeln können. Da haben Sie uns, da haben Sie alle im Gesundheitswesen Beschäftigten und die Kranken an Ihrer Seite. Wir sind bereit, uns einzubringen, konstruktiv und vor allem sachgerecht, damit wir die Probleme offen und ehrlich diskutieren und dann auch gemeinsam handeln können. In einem Bundesgesundheitsrat könnten wir sachgerecht und transparent politische Entscheidungen im vorpolitischen Raum vorbereiten, Prioritäten unter sozialen, ethischen, ärztlichen sowie medizinisch-gesundheitswissenschaftlichen Kriterien entwickeln und dann mit allen betroffenen Gruppen öffentlich diskutieren.“

Auf den Punkt brachte Hoppe das Anliegen der Mediziner, als er betonte, die Menschen wollten eine gute Medizin haben, gute Ärzte und am medizinischen Fortschritt teilhaben können. „Deshalb auch brauchen wir ärztliche Fortbildung und Qualitätssicherung nach medizinischen Notwendigkeiten und nicht nach staatlichen Begehrlichkeiten. Wir sind keine Staatsmediziner und wir sind auch keine Rationierungsassistenten!“, unterstrich er die Bedeutung der Therapiefreiheit für die Niedergelassenen wie für die Kollegen in der Klinik und rügte die Pläne: „In Zukunft aber wird der Staat allein und nach Haushaltslage den Beitragssatz ausrufen und ein sogenannter Spitzenverband Bund die Verantwortung für Mangelversorgung in einem ruinösen Preiswettbewerb an uns Ärztinnen und Ärzte abgeben.“ Seine Warnung vor der zentral organisierten Staatsmedizin fand ebenso Gehör bei den Vertretern wie seine Empörung über das „perfide Täuschungsmanöver mit einer vermeintlich festgeschriebenen Euro-Gebührenerhöhung für die Vertragsärzte“, die sich als fortgeschriebene Budgets mit dem Beigeschmack einer politischen Intrige entpuppte.

Die staatlichen Eingriffe sowohl in den Wettbewerb zwischen GKV und PKV als auch in die Zuständigkeiten von Kassen und KVen, würden die Patienten belasten, erklärten die Ärzte-Vertreter unisono. Die flächendeckende Versorgung werde nachhaltig zerstört.

Unterstützung erfuhren die Ärzte-Vertreter für ihre Sache am Folgetag durch eine von BZÄK und KZBV, vom Apothekerverband ABDA, der Krankenhausgesellschaft und GKV-Verbänden mitunterzeichnete Resolution, die im Wesentlichen die Forderungen des Deutschen Ärztetages widerspiegelt.

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