Koalitionsentwurf in der Kritik

Kollektive Absage

„Das Konzept taugt nichts.“ In ungewohnter Eintracht lehnen Ärzte, Kassen, Gewerkschaftler, Pharmahersteller und Unternehmer den Kompromiss zur Gesundheitsreform ab. Den geballten Unmut bekam auch Staatssekretär Klaus Theo Schröder zu spüren – mit seinen Ausführungen „made in BMG“ konnte er auf der Handelsblattkonferenz am 30. und 31. August in Bonn nicht punkten.

Wie ein Schuljunge, der sich gegen seinen Willen für seine Missetaten entschuldigen muss, stellte Staatssekretär Schröder den Reformentwurf aus seinem Hause vor. Über die Bekundung hinaus, der „allergrößte Teil“ der Reform werde Anfang 2007 in Kraft treten, der Fonds dagegen „später, möglicherweise in gestufter Form“, erfuhren die Konferenzteilnehmer allerdings wenig Neues. Wer sich anhand der Unterlagen schlau machen wollte, stieß auf ein Glossar mit den wichtigsten Begriffen zur Reform – statt des Vortrags hatte Schröder die „Eckpunkte von A-Z“ beigelegt.

Als er dann noch kritischen Fragen auswich, machten einige Gäste ihrem Ärger mit deftigen Bemerkungen Luft.

Dass der BMG-Entwurf auf zentrale Fragen keine Antwort gibt, monierte auch Prof. Wolfram F. Richter, der eigentliche „Vater des Gesundheitsfonds.“ Der Dortmunder Ökonom hatte das Fondsmodell entwickelt, um in der Kontroverse um Bürgerversicherung und Prämie einen Weg aus dem Dilemma aufzuzeigen und die Reform anzustoßen. „Wie aber sieht die Rollenverteilung zwischen GKV und PKV in dieser Reform aus?“ Dieser Punkt, gab Richter zu bedenken, sei wie die Abgrenzung von Grundund Zusatzversicherung, bislang nicht geklärt.

Trotz dieser Ungereimtheiten ist Richter indes überzeugt: „Es gibt keine Alternative zur Fondsidee!“ Das Modell stelle knifflige Fragen, wie Bürgerkasse oder Prämie, nämlich bewusst ans Ende und erlaube der Politik ungeachtet ihrer konträren Standpunkte, überhaupt erst einmal eine Reform in Gang zu bringen.

Enttäuschte Hoffnung, vertane Chancen

Der Fonds stellt eine Projektionsfläche dar, die sich später je nach Belieben Richtung Bürgerversicherung oder niederländisches Modell umswitchen lässt – diesen Kerngedanken hob Prof. Bert Rürup, Vorsitzender des Sachverständigenrats, ebenfalls hervor. Unterm Strich verbuchte er den Reformkompromiss jedoch unter „enttäuschte Hoffnung und vertane Chancen.“ Besonders die Finanzierungsseite und die Entkopplung der Gesundheits- und Arbeitskosten blieben seiner Ansicht nach auf der Strecke. Habe die Koalition auf der Ausgabenseite vieles richtig gemacht, bliebe das strukturelle Einnahmeproblem – für ihn der eigentliche Grund, warum man diese Reform angepackt hatte – weiter komplett außen vor. „Der Fonds muss aus politischen Gründen kommen“, bilanzierte Rürup. „Aber die Halbwertzeit dieser Reform ist sehr überschaubar!“

Dieter Hebel von der Gmünder Ersatzkasse begrüßte die Entscheidung der Regierung, in der GKV keine Leistungseinschnitte vorzunehmen. Ohnehin habe die PKV die Reform überhaupt erst notwendig gemacht. „Ohne die PKV säßen wir jetzt nicht hier und diskutierten. Bei der Frage der Entsolidarisierung ist das Urproblem die PKV.“ Es sei schließlich so: Die GKV versichere alle Kinder bis 25 Jahre, dann wechselten die qualifizierten, gesunden und gut verdienenden in die PKV, der Rest bliebe in der GKV zurück.

Ganz anders die Einschätzung von Volker Leienbach, Direktor der PKV. Leienbach: „Das Papier beschreibt einen Paradigmenwechsel, und zwar weg von Freiheit und Selbstverwaltung, hin zu mehr Zentralismus und Staat.“ Speziell den Fonds wertete Leienbach als Instrument, mit dessen Hilfe der Staat künftig deutlich stärker durchgreifen, sprich, die Selbstverwaltung aushebeln kann. Den Vorschlag, die Altersrückstellungen künftig portabel zu gestalten, wehrte er als nicht gesetzlich und nicht machbar ab: „Individuelle Altersrückstellungen gibt es in der PKV nicht!“ In Anspielung auf Hebels Ankündigung, 2007 in den Ruhestand zu gehen, konterte Leienbach: „Wenn der Entwurf so durchkommt, gehen wir nächstes Jahr beide in Rente!“ ck

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.