Onkologie

Neue Therapiestandards für Non-Hodgkin-Lymphome

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Patienten, die an einem indolenten Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) leiden, haben begründete Hoffnung auf eine erhebliche Verbesserung der progressionsfreien und allgemeinen Überlebensrate durch eine Erhaltungstherapie mit Rituximab. Zudem lässt sich mit Rituximab die Therapie von aggressiven Lymphomen deutlich verbessern. Dies geht aus zwei Studien hervor, die auf der 47. Jahrestagung der American Society of Hematology (ASH) 2005 in Orlando präsentiert wurden.

Mit diesen Ergebnissen haben die deutschen Lymphomzentren ihren internationalen Führungsanspruch eindrucksvoll unterstrichen. Die Verfügbarkeit der neuen Therapien ist jedoch weitgehend der Willkür der GKV-Gremien überlassen. Bei Lymphomen unterscheidet man grundsätzlich zwischen den langsam wachsenden, „indolenten“ Tumoren und den schnell wachsenden, aggressiven Formen. Der monoklonale Antikörper Rituximab hat bereits in mehreren Studien seine Wirksamkeit in der Bekämpfung von indolenten und aggressiven Lymphomen gezeigt.

Bei indolenten NHL

Neue Daten wurden nun von der internationalen EORTC Intergroup-Studie an 465 Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem indolenten NHL bekannt. Sie erhielten randomisiert entweder alle drei Wochen die Standard-Chemotherapie mit Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin und Prednison (CHOP) oder Rituximab plus CHOP als Einleitungstherapie. Patienten mit vollständiger oder teilweiser Remission nach dieser Behandlung wurden daraufhin zur Erhaltungstherapie mit Rituximab oder zur Beobachtung ohne weitere Therapie randomisiert.

Die Erhaltungstherapie wurde über zwei Jahre alle drei Monate als Einzelinfusion (375 mg/m2) appliziert. Das progressionsfreie Überleben verlängerte sich dabei unter der Erhaltungstherapie mit Rituximab im Mittel um drei Jahre (52 Monate im Vergleich zur Beobachtungsgruppe mit nur 15 Monaten, p = 0,0001), wie Abbildung 1 verdeutlicht. Weiterhin konnte bei Patienten, die eine Kombination aus Rituximab und CHOP in der Einleitungsphase erhalten hatten, ein deutlich höheres progressionsfreies Überleben festgestellt werden als bei Patienten, die in dieser Phase nur CHOP erhalten hatten (p = 0,001). Zudem konnte die Überlebensrate der Patienten unter der Rituximab Erhaltungstherapie signifikant verlängert werden (p = 0,011). Prof. Wolfgang Hiddemann, Tumorzentrum der Universitäten München, Universitätsklinikum Großhadern, fasste diese Ergebnisse als Studienleiter vor der Fachpresse Mitte Januar in Frankfurt folgendermaßen zusammen: „Rituximab ist in allen Phasen der Therapie follikulärer Lymphome, das heißt sowohl in der Phase der Remissionsinduktion als auch in der Phase der Remissionserhaltung, wirksam und hat die Prognose der betroffenen Patienten wesentlich verbessert.“

Beim aggressivem NHL

Bei den aggressiven Formen des NHL (diffus großzellige Lymphome = DLBC) kann zurzeit mit einer ersten, häufig sehr intensiven Behandlung eine Heilung erreicht werden. Teil dieser Behandlung ist stets eine für das Knochenmark letale Bestrahlung mit anschließender Verpflanzung von Spendermaterial neben der klassischen Chemotherapie nach dem CHOP-Schema.

Bei älteren Patienten (zwischen 61 und 80 Jahren) wurde bereits gezeigt, dass eine Verkürzung der Therapieintervalle des CHOP-Schemas von drei auf zwei Wochen (CHOP-14) eine ähnliche Verbesserung wie die Hinzunahme von Rituximab zum dreiwöchigen CHOP-21 darstellt. In der aktuellen RICOVER-60-Studie wurde nun der Ansatz verfolgt, ob bei älteren Patienten die Kombination aus dem „dosisdichten” CHOP-14-Therapieansatz und der zusätzlichen Gabe von Rituximab die Therapieergebnisse weiter verbessert werden könnte.

In die weltweit größte Studie dieser Art wurden 828 Patienten mit unbehandeltem aggressivem NHL aufgenommen. Etwa die Hälfte der Patienten erhielt sechs Zyklen (6 x CHOP-14), die andere Hälfte acht Zyklen CHOP (8 x CHOP-14), die alle 14 Tage verabreicht wurden. In jeder Untergruppe wurde die Hälfte der Patienten zusätzlich mit acht Zyklen Rituximab behandelt. Dabei konnte gezeigt werden, dass die Ergebnisse mit achtmal Rituximab und sechs Zyklen CHOP-Therapie in den Bereichen der Zeit bis zum Therapieversagen (p = 0,000025) und dem Überleben (p = 0,088) überzeugend waren. Abbildung 2 zeigt die Ergebnisse im historischen Vergleich.

Prof. Michael G. Pfreundschuh vom Universitätsklinikum Homburg/Saar, Leiter der RICOVER- 60-Studie, fand dabei heraus, dass sechs Zyklen Chemotherapie in Kombination mit acht Zyklen Rituximab ausreichen und die von vielen bisher als Standard betrachteten acht Zyklen Chemotherapie nicht nötig sind, wenn die CHOP-14 Therapie mit acht Zyklen Rituximab kombiniert wird. Diese Verkürzung der Chemotherapiedauer ist gerade bei älteren Patienten von großer praktischer Bedeutung. Insgesamt sterben mittlerweile durch die Kombination von dosisdichter CHOP-14-Chemotherapie und Rituximab heute nur noch halb so viele Patienten an ihrem aggressiven NHL wie vor wenigen Jahren unter dem alten CHOP-21-Standard, der mehr als 25 Jahre lang als einzige Therapiealternative galt, so Prof. Pfreundschuh.

In einer neuen Studie wird geprüft, ob der neue Therapiestandard nicht auch ohne die aggressive Primärtherapie zu gleich guten Ergebnissen führen könnte.

Gefährliche Verknappung der Therapieressourcen

Eine gefährliche Schere zwischen dem medizinisch Möglichen und dem Finanzierbaren im Bereich der GKV öffne sich besonders im Bereich der Patientenversorgung in der Onkologie, wie Anita Waldmann, Bonn, die Vorsitzende der Deutschen Leukämieund Lymphomhilfe e. V. (DLH) erläuterte. Seit Gründung der DLH weist diese Interessenvertretung der onkologischen Patienten darauf hin, wie viele Kranke durch die immer wiederkehrenden Versuche der Rationierung innovativer Medikamente zu leiden haben. So gäbe es beispielsweise schon jetzt Situationen, in denen Leukämieund Lymphompatienten darum kämpfen müssten, eine studienkonforme Behandlung zu erhalten. Ein Gebrauch neuer Pharmaka werde in vielen Fällen verwehrt, weil noch keine Zulassung den vorliegenden Studien gefolgt sei – ein Umstand, der in einem aktuellen Urteil des Bundsverfassungsgerichtes vom Dezember 2005 im Gegensatz zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes als nicht verfassungskonform bezeichnet wird. Auch Anita Waldmann räumt ein, dass vorderhand die meisten neuen Präparate kostspielig seien. Doch, wie sich bei der Erhaltungstherapie mit Rituximab bei Patienten mit aggressivem NHL gezeigt habe, erspare diese in allen spezialisierten Zentren in Zusammenarbeit mit niedergelassenen Onkologen angebotene Behandlung den Patienten längere und ebenfalls kostspielige Klinikaufenthalte. Prof. Hiddemann zeigte dies an einem Beispiel aus seinen Studien beim indolenten NHL: Unter Rituximab seien durch die erzielbare Verlängerung der rezidivfreien Phase in zehn Jahren statt durchschnittlich sechs bis zehn nur noch drei Klinikaufenthalte erforderlich. Das spare Kosten, erhöhe die Qualität der Behandlung und sollte bald durch Reform der getrennten Budgets für die Klinik und die ambulante Versorgung auch für die GKV keine Probleme mehr machen.

Till Uwe Keil

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