Gastkommentar

Warnschuss

Der Bundesrat hat beim Verfahren zum Arzneimittelversorgungs- Wirtschaftlichkeitsgesetz angedeutet, dass er sich in künftigen Gesetzgebungsverfahren stärker eingebunden sehen will.

Hartwig Broll
Gesundheitspolitischer Fachjournalist in Berlin

Es war wohl kaum mehr als ein Warnschuss, den der Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundesrates gegen die sich andeutende Gesetzgebungsroutine der Koalition abgefeuert hat. In seiner Sitzung am 22. Februar hatte der Ausschuss dem Bundesratsplenum empfohlen, beim Arzneimittelversorgungs- Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG) den Vermittlungsausschuss anzurufen – und dies mit einer Mehrheit, die bei einer nach Ländergrößen gewichteten Plenumsabstimmung für eine Anrufung des Vermittlungsausschusses auch ausgereicht hätte.

Wenn diese Entscheidung des Ausschusses auch kaum dazu führen dürfte, dass das Bundesratsplenum das erste Kostendämpfungsgesetz im Gesundheitswesen unter Bundeskanzlerin Angela Merkel verzögern wird – mehr war bei diesem nicht zustimmungspflichtigen Gesetz ohnehin nicht drin –, so ist der Vorgang dennoch signifikant. Denn die Bundesländer sind in das Gesetzgebungsverfahren zum AVWG überhaupt nicht eingebunden worden. Der Ausschuss hat ein vernehmliches Zeichen gesetzt, sich zumindest zukünftig um die Interessen-, aber eben auch die Gemütslage der Länder zu kümmern – zumal, wenn es sich, wie etwa bei der angekündigten Finanzreform der GKV, um zustimmungspflichtige Regelungsbereiche handeln sollte.

Ganz grundsätzlich ist das Verhältnis zwischen der Bundesregierung und der Länderkammer in Zeiten einer Großen Koalition nicht unspannend. Dies dürfte weniger für die ersten Gesetzgebungsvorhaben der Koalition gelten, wird sich doch zunächst die Parteiräson dahingehend durchsetzen, der neuen Bundesregierung Reformwillen und auch entsprechende Handlungsfähigkeit zu attestieren. Es ist kaum vorstellbar, dass auch bei den – vor allem in der öffentlichen Wahrnehmung – konfliktbeladeneren Themen, wie sie etwa im Haushaltsbegleitgesetz 2006 geregelt werden sollen, die lokalen Granden der Union wie der Sozialdemokratie der Kanzlerin in die Parade fahren werden. Wie sollten der neben der Kanzlerin immer so väterlich bemüht wirkende Edmund Stoiber, wie der um innerkoalitionäre Harmonie ringende brandenburgische Ministerpräsiden Matthias Platzeck die eigene Kanzlerin derartig vorführen? Oder gar der bis zur Selbstverleugnung loyale Hesse Roland Koch?

Dennoch sollte man sich durch den Anfang der Legislaturperiode – Ende Februar beging die Große Koalition jenes ominöse Datum der ersten einhundert Tage – nicht täuschen lassen. Parteidisziplin hin, Loyalität her, die Länder haben eben ganz spezifische Interessen, vor allem, wenn es um finanziell relevante Regelungsbereiche geht. Der Bundesrat wird in dieser Legislaturperiode sicherlich nicht zur eigentlichen Opposition mutieren. Aber ein gewichtiges Wort mitsprechen wird er allemal wollen. Der dem Anfang der Kanzlerschaft Angela Merkels innewohnende Zauber wird hinter den massiven Länderinteressen sicherlich schon bald verblassen.

Wie bald, das wird dann eben auch daran liegen, wie man mit den Ländern bei zukünftigen Gesetzgebungsverfahren umgehen wird. Es ist in der Politik eben nicht alles nur Interessenvertretung, viel zu oft geht es auch um Befindlichkeiten bis hin zu persönlichen Eitelkeiten, die im täglichen Politikbetrieb befriedigt sein wollen.

Abzuwarten bleibt, wer die Stimme der Bundesländer insbesondere im Bereich der Gesundheitspolitik zu einem nicht zu überhörenden Chor zusammenfassen wird. Im Gesundheitsausschuss des Bundesrates erwiesen sich diesmal insbesondere Baden- Württemberg, aber auch Sachsen-Anhalt als die treibenden Kräfte. Aber dieses Binnenverhältnis kann sich jederzeit auch ändern, gerade wenn man bedenkt, dass beide Führer der angedeuteten Fronde unmittelbar vor Landtagswahlen stehen.

Gastkommentare entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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