Klonen von Säugetieren

Dollys Zoo - das kopierte Leben

Es ist fast genau zehn Jahre her, als die Zeitschrift „Nature“ der Öffentlichkeit Dolly präsentierte. Dolly, das Schaf, dessen Bilder um die Welt gingen, dessen Gene es nicht nur einmal gab. Dessen Gencode nicht ausreichte, um ihm ein normales „schaflanges“ Leben zu bescheren. Heute gibt es viele „Dollys“. Ob im Pferdestall, im Katzen- oder Hundekörbchen, haben alle eines gemein: Sie sind ein Klon, ein genetisches Ebenbild eines Vorfahren.

In Filmen und Büchern ist das Klonen seit Jahrzehnten üblich. Schon in Aldous Huxleys „Schöne neue Welt“ waren Genkopien unterwegs.

Als Klonen (griechisch bedeutet „Klon“ Zweig, Schössling) wird die natürliche oder künstliche Entwicklung genetisch identischer Zellen oder ganzer Organismen bezeichnet. Aus der Schule weiß man noch, dass sich Einzeller, zum Beispiel das Pantoffeltierchen, und auch Bakterien vegetativ vermehren.

Wer einen Garten hat, kämpft vergeblich gegen Girsch. Und schafft es nie, das Unkraut zu beseitigen, da auch die kleinsten Pflanzenteile noch in der Lage sind, ihre Zellen derartig zu „verdoppeln“ und zu differenzieren, dass, wenn die Gärtnerhand nicht eingreift, das gesamte Erdreich bald mit Wurzelgeflecht durchzogen ist, das letztendlich von einer einzigen Pflanze, also quasi einem einzigen Genom abstammt.

Aus einem mach zwei gleiche

Klonen ist an sich nichts Sensationelles. Kennt man es doch bereits vom „Doppelten Lottchen“. „Eineiige Zwillinge“ entstehen, wenn von denjenigen Tochterzellen, die während der ersten Teilungen der befruchteten Eizelle gebildet wurden, wenigstens zwei einen eigenen Fötus hervorbringen. So etwas ist noch bei den ersten acht gebildeten Tochterzellen möglich. Diese Zellen bezeichnet man als totipotent (omnipotent). Das bedeutet, dass sie aus sich selbst heraus jede mögliche Körperzelle generieren können, zum Beispiel Leber-, Knochen-, Blut-, Haut-, Nervenzellen oder mehr. Die weiteren beim Entstehen des Fötus gebildeten Zellen haben diese Fähigkeit nicht mehr. Sie können sich zwar spezialisieren aber nicht mehr „totipotent“ auswachsen.

Nur ist das im Fall der eineiigen Zwillinge eine Art „Zufallswurf“, während es sich bei dem Klonen um einen gesteuerten Vorgang handelt, bei dem Genmaterial gezielt ausgetauscht wird.

Heute bezeichnen Wissenschaftler als Klonen die Produktion identischer Lebewesen mithilfe biotechnischer Methoden.

Beim Klonen nach dem „Dolly“-Verfahren wird der Zellkern einer adulten Zelle entnommen. Zeitgleich entkernen die Wissenschaftler eine andere Eizelle und setzen den Zellkern und damit das Erbgut der adulten Zelle ein.

Dabei geschieht Folgendes: Die normale sexuelle Befruchtung, die der haploide Chromosomensatz der Eizelle, der ja eigentlich sein haploides Pendant aus der Samenzelle benötigt, um zum befruchteten (also diploiden) Zellkern (Zygote) und später zum Embryo zu werden, wird umgangen. Dabei werden alle Möglichkeiten der Kombination beziehungsweise gerade dieses „Zufallsroulette“ im Vorfeld ausgeschaltet.

Das Erbmaterial der neuen Eizelle ist also genau dasselbe wie bei dem adulten Lebewesen. Das klingt recht einfach und logisch.

Nun wird die weitere Zellteilung stimuliert. Nach ein bis zwei Zellteilungen – meistens wartet man, bis man ein Achtzellstadium hat – wird dieser „Zellhaufen“ in die durch Östrogengaben vorbereitete Gebärmutterschleimhaut eingebracht. Die erfolgte „Einnistung“ ist mit der bei einem natürlichen Befruchtungsvorgang vergleichbar.

Rampenlicht statt Stall

Ein Schaf, das Furore machte und dessen erste Wolle nach der Schur zu einem Höchstpreis zugunsten einer britischen Mucoviscidose-Stiftung veräußert wurde, führte ein Leben ganz zum Zwecke der Wissenschaft. Am Rande: Ein Pullover mit Schafsmotiv aus Dollywolle ist im britischen Wissenschaftsmuseum zu bestaunen.

277 Zellklone hatten die „Väter“ von Dolly, Wissenschaftler des Röslin-Instituts bei Edinburgh, produziert. Nur eine reifte in dem Leihmutterschaf heran. Das Lamm namens Dolly erblickte am 5. Juli 1996 das Licht der Welt. Noch in aller Verschwiegenheit, denn selbst die Forscher glaubten nicht ganz an den Erfolg, dass aus einer Euterzelle (das war das elterliche Genom von Dolly) ein völlig gesundes Lebewesen entstehen konnte. Bis sie es selbst sahen. Die Euterzelle führte übrigens auch direkt zum Namen: Das Lamm wurde von seinen Wissenschaftsvätern nach der amerikanischen Country-Sängerin Dolly Parton benannt, die für ihre üppige Oberweite berühmt war.

Das Leben des Klonstars

Sieben Monate lang lebte Dolly in aller Stille und Verborgenheit ein schlichtes Schafsleben. In dieser Zeit, in denen Dolly nur seinen Schöpfern, den Institutsmitarbeitern, bekannt war, durfte es sich wie ein normales, glückliches Schaf verhalten.

Dann wurde es der Presse vorgestellt und alles änderte sich. Ende Februar 1997 wurde es dann der Öffentlichkeit präsentiert – als erste genetische Kopie eines Säugetieres (Nature 358,1997,810). Das war Futter für die Medien, für Spekulationen und Diskussionen weltweit – nicht nur wissenschaftlicher, sondern auch ethischer und theologischer Natur.

Mit dieser Bekanntmachung war „ein Dogma gefallen“, wie Heiner Niemann vom Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft in Mariensee bei Hannover es der Zeitung „Welt“ gegenüber ausdrückte. Auch Eckard Wolf vom Genzentrum der Ludwig-Maximilian-Universität in München erinnerte sich: „Das kann gar nicht sein!“, soll seine erste Reaktion gelautet haben.

Kaum hatten die Forscher in „Nature“, berichtet, wurde Dolly zum Fotomodell des Jahres – führte ab diesem Zeitpunkt aber ein nicht mehr so tiergerechtes Leben. Das Schaf stand aus „Quarantänegründen“ nicht in einem gemütlichen Stall mit Stroh, sondern in einem Betonblock, wurde ständig überwacht und erhielt seine eigene nur für es zusammengestellte Nahrung.

Einige Monate später wurde Dolly auf natürliche Weise gedeckt. Der Zuchtbock (ein walisischer Bergbock) leistete ganze Arbeit, schon im April 1998 wurde Tochter Bonnie geboren. Bereits im März 1999 kamen Drillinge zur Welt – alle auf natürliche Weise gezeugt und geboren. Die vierfache Mutter erfreute sich in der Zeit danach bester Gesundheit, bis sie im Januar 2002 den ersten Arthritisschub bekam. Die Wissenschaftler waren sich nicht einig, ob diese vorgezogene Alterserscheinung eine Folge des Klonens war. Es wurde viel diskutiert und in Frage gestellt.

Bereits ein Jahr später, am 14. Februar 2003 litt das Tier an einer sehr schweren Lungenentzündung, die wahrscheinlich cancerogener Genese war. Dolly starb. Wieder spekulierte man, ob es aufgrund von Fehlern beim Klonvorgang zu den plötzlichen Erkrankungen gekommen sei.

Auf eine andere Art „lebt“ Dolly trotzdem weiter: konserviert im Royal Museum in Edinburgh.

Ein Zoo entsteht

Nach diesem gigantischen, damals noch einzigartigen Klonerfolg ließen natürlich weltweit die Genfoscher nicht locker. In den großen Instituten liefen die Vorbereitungen auf Hochtouren – um weitere genetische Zwillinge künstlich zu erzeugen. Diesmal sollte es nicht mit einem Schaf, sondern mit anderen Säugetierarten geschehen.

Und es gelang. Im Juli 1998 veröffentlichte ein Team aus Hawaii eine Arbeit über 22 geklonte Mäuse, die putzmunter in ihren Käfigen herumsprangen. Die ersten Klonschweine grunzten erstmals im März 2000 im schottischen Forschungsinstitut PPL Therapeutics, das mit dem Edinburgher Institut eng zusammen arbeitete. Der Wurf bestand aus fünf gesunden Ferkeln. Die Wissenschaftler erhofften sich einen Durchbruch bei der Xenotransplantation. Wenige Wochen später erblickte auch eine geklonte Ziege das Licht der Welt, starb jedoch bereits 36 Stunden später an den Folgen einer unterentwickelten Lunge.

In China wurde kurz darauf eine weitere Ziege der Öffentlichkeit präsentiert. Sie allerdings entstand nicht nach der inzwischen überall angewendeten „Dolly-Methode“, sondern ihre Väter hatten sie aus den noch nicht vollständig differenzierten Zellen eines 40 Tage alten Fötus entstehen lassen.

2002 berichteten Wissenschaftler aus Texas von ihrem ersten Katzen-Erfolg. Sie hatten insgesamt 87 Klone in die Uteri von acht Katzenmüttern eingesetzt. Ein Kätzchen entstand.

Nun ging es Schlag auf Schlag. Einen Monat später berichteten französische Forscher über die Geburt von Kaninchen. Diese Rasse gilt als künstlich äußerst schwer reproduzierbar. Ein genauer Zeitplan für die Einpflanzungsphase führte hier zum Erfolg. Aber das waren allein die Anfänge.

Inzwischen gibt es einen regelrechten Klon-Zoo, zu dem auch Maultiere, Hunde und sogar Pferde gehören, wie das Gendoppel des berühmten Rennpferdes E.T. beweist. Auf „Snuppy“, einen afghanischen Windhund, den ersten Klonhund folgten „Snuwolf“ und „Snuwolfy“. Diese Wölfe sind heute bereits eineinhalb Jahre alt und leben in Seoul, Südkorea. Und immer ist die Methode dieselbe geblieben.

Rennpferde – wie vom Band

Die Südkoreaner benutzen diese Methode, um vom Aussterben bedrohte Tiere zu retten, denn in ihrem Land wurden seit 20 Jahren keine Wölfe mehr gesichtet. Nun hoffen sie, einen Weg gefunden zu haben, Wölfe wieder ansiedeln zu können.

Anfangs wurde natürlich experimentiert, welche Tierarten sich am besten eignen. Aber kaum waren die ersten Erfolge zu verzeichnen, suchten die Wissenschaftler nach weiteren Aufgaben. Bald hielt die Technologie der Klonforschung Einzug in anwendungsorientierte Bereiche. „Genetische Modifikationen in Tieren unterzubringen gilt heute als Hauptaufgabe“, sagt Eckard Wolf aus München. „Allein im Bereich der Landwirtschaft werden sich viele Produkte über das Klonen verbessern lassen!“ Die Münchner Arbeitsgruppe arbeitet wie ein Team in den USA daran, Rinder mit einer BSE-Resistenz zu „er“-schaffen. Dazu werden Rinderembryonen geklont, in denen gentechnisch die Produktion der sogenannten Prionen ausgeschaltet werden. Eine fehlerhafte Version dieser Eiweiße gilt als BSE-Auslöser, so schreibt Welt-online am 24. 4. 07. Einen anderen Ansatz haben Wissenschaftler in den USA. Sie züchten Ferkel mit einem gesünderen Fettsäuremuster. Diese Tiere tragen ein zusätzliches Gen in sich. Das vom Gen fat-1 produzierte Enzym wandelt Bauchspeck in gesündere Omega-3-Fettsäuren um. So könnte man langfristig Schweine züchten, die dem Menschen und seiner Waage wesentlich angenehmer bekommen, ohne dass er auf das Schweineschnitzel verzichten muss.

Rasseviehzüchter sehen im Klonen noch einen anderen Ansatz. Sie versprechen sich mit dieser Methode den Erhalt eines wertvollen genetischen Potentials. Gleichsam könnte ein Gendouble eine Art Versicherung für die Erstausgabe im Stall darstellen. Sollte dem wertvollen Zuchtbullen, der für manchen Züchter die Existenz sichert, erkranken, so gäbe es immer noch die Zweitausgabe als „Versicherung“. Auch bei Springund Rennpferden ist diese Methode durchaus denkbar. Der erste Hengst dieser Art heißt E.T. Crypzootech Stallion, ist ein Genzwilling des Hannoveraner Wallachs „E.T.“, einem der erfolgreichsten Springpferde.

Allerdings spielt hier nicht nur die genetische, sondern auch die Trainingskomponente eine entscheidende Rolle dabei, ob das Klontier dieselben Erfolge einfährt wie die Erstausgabe. Außerdem werden gute Spring- und Rennpferde in ihrer Jugend kastriert, weil das für ihre sportliche Leistung besser ist. Steht ihr Jockey aber später auf dem Siegertreppchen, ist es nicht mehr möglich, sie zum Züchten zu verwenden.

So soll auch das E.T.-Double nicht in Wettkämpfen starten, sondern seine Besitzer wollen ihn zu Zuchtzwecken verwenden. Geld ist derzeit mit dieser Vervielfältigungs-Idee jedoch nicht zu machen. Eine kalifornische Biotechnikfirma klonte 2004 für 50 000 US-Dollar ein Kätzchen auf Bestellung seines Herrchens. Zwei Jahre später stellte die Firma ihren Betrieb ein: Das Klonen von den Lieblingshaustieren sei schließlich doch nicht rentabel gewesen, meldete die Welt.

Das Problem sind – so sehen es die Forscher, die inzwischen auf zehn Jahre Erfahrung zurückblicken – die immer noch recht geringe Erfolgsquote sowie die nicht selten auftretenden problematischen Begleiterscheinungen wie die Arthritis von Schafmodell Dolly.

Ein anderes Experiment hatte gezeigt, dass beispielsweise Klonmäuse zur Fettleibigkeit neigen und eine geringere Lebenserwartung haben. Sie haben auch zum Teil veränderte Leptinwerte und zu viel Insulin im Blut, ein Warnzeichen für Diabetes mellitus. Allerdings waren nur die geklonten Tiere selbst betroffen, sie gaben diese Veränderungen nicht an ihre Nachkommen weiter. Trotz allem ist ein Erfolg nach zehn Jahren Biotechnologie abzusehen.

Die wohl interessanteste Forschung ist derzeit die Kombination von Klonen mit der Herstellung transgener Tiere. Dadurch lassen sich gezielt Tiere erzeugen, die in jeder Körperzelle mit einem gewünschten Gen ausgestattet sind, oder denen gezielt ein Gen entfernt wurde. So klonten Dr. Valerie Zakhartchenko, München, und ihre Kollegen Kaninchen und Rinder, die einen Antikörper gegen Melanomzellen im Serum bilden können. Der aus dem Serum isolierte Antikörper ist tatsächlich in der Lage, Melanomzellen gezielt zu zerstören.

In den USA können bald Milch- und Fleischprodukte von geklonten Tieren auf den Markt kommen. Die zuständige Behörde FDA (Food and Drug Association) hat Ende 2006 erklärt, geklonte Zuchttiere seien unbedenklich für den menschlichen Verzehr. Allerdings liegen in den Regalen der USSupermärkte trotz allem noch lange keine Klonsteaks und -Spare-Rips.

Offiziellen Angaben zufolge wurden in den Vereinigten Staaten bislang erst 600 Rinder und 200 Schweine zu Verzehrszwecken geklont. Weltweit sind 3 500 Klon-Rinder und 1 000 -Schweine bekannt.

Die Menge aus den USA reicht gerade für die Fleischvorräte in der Küche eines Luxus-Liners, bevor dieser zu einer zweiwöchigen Mittelmeer- oder Karibik-Kreuztour aufbricht.

Wenn Dolly gewusst hätte, wie es nach ihr weiterging. Und was uns noch alles bevorsteht ... und eventuell unseren genetischen Zwillingen!

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