Editorial

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Liebe Leserinnen und Leser,

kein naturwissenschaftliches Thema wird in der Öffentlichkeit so kritisch verfolgt wie das der Gentechnologie. Seit 1977 die erste Klonierung eines menschlichen Gens gelang, ist die Diskussion um das „Für und Wider“ dieser von manchen Kritikern als Scheideweg zwischen „Gut und Böse“ gebrandmarkten Forschung nie wieder verstummt.

Für Laien sind Genforschung und -technologie auch heute – zehn Jahre nach dem aufsehenerregenden Experiment um das erste geklonte Schaf namens „Dolly“ – ein von Widersprüchen und unversöhnlichen Kontroversen geprägter Bereich. Unterschiedliche Interessenslagen – sie reichen von stark drängenden Profiteuren der Industrie über entscheidungsunfreudige Politiker bis zu mancher umweltpolitisch krampfhaft um Selbsterhalt kämpfenden Organisation – produzieren eine Meinungsvielfalt, die sachliche Abwägungen immer schwerer macht.

In europäischen Nachbarländern gefasste Moratorien stehen heute konträr zu den Hoffnungen bisher unheilbar kranker Menschen auf neue Therapieformen, die früher undenkbar schienen. Diese Spannbreite der Ambitionen macht selbst einem von der Politik eingesetzten Gremium wie dem deutschen Ethikrat eine Entscheidungsfindung nicht leicht.

Der Weg in die Zukunft einer bedachten, von Menschen nach Wissen und Gewissen genutzten Technologie scheint weit, wird aber im Ausland aufgrund geringerer Restriktionen viel freier und sorgloser angestrebt. Im Zeitalter der Globalisierung ist das eine Erkenntnis, die wachrütteln muss. Dürrenmatts „Physiker“ lassen auch auf diesem Gebiet grüßen: Es geht natürlich darum, unkontrollierten „Wildwuchs“ zu verhindern, der sich ohne ethische Auseinandersetzung allein an den Kriterien des schlichten „Machbaren“ orientiert. Doch was tun?

Sicherlich ist die Forderung von sachkundigen Wissenschaftlern opportun, das Dickicht aus subjektiv übersteigerten Stammtischparolen durch vermehrte Aufklärung in weniger emotionale Bahnen zu lenken. Eine Gesellschaft, die nach wie vor etwaige Gefahren grüner, gelb-roter oder grau-weißer Gentechnologie im Diskurs munter zum politischen Eintopf verrührt, kann der Lage gar nicht gerecht werden.

Mit Schauerbildern einer dem Untergang geweihten Welt von Monstern, Seuchen und anderen Katastrophen ist dem Thema ganz sicher nicht beizukommen. Vielmehr geht es um den wissenschaftlich und ethisch richtigen Kurs zur Nutzung von Erkenntnissen und Möglichkeiten, deren Fortschritt kontrolliert ablaufen muss. Aufklärung und Versachlichung sind – auch eine Dekade nach „Dolly“ – dafür sicherlich eine wichtige Voraussetzung.

Ihr

Egbert Maibach-Nagelzm-Chefredakteur

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