Gastkommentar

Mangelnde Sorgfalt kann schaden

Die Entscheidung des Bundespräsidenten, zwei Gesetze der Regierungskoalition nicht zu unterschreiben, hat den Sinn dafür geschärft, dass ähnliche Schwierigkeiten auch beim GKV-WSG auftreten könnten, würde es handwerklich nicht ausreichend gut gemacht.

Dr. Rudi Mews
Parlamentskorrespondent
in Berlin

Kurz vor Weihnachten hat Bundeskanzlerin Angela Merkel Bundespräsident Horst Köhler einen Besuch abgestattet. Im Gespräch der beiden ging es nicht zuletzt um zwei Gesetze der großen Koalition, die das Staatsoberhaupt wegen verfassungsrechtlicher Bedenken nicht unterschrieben und damit deren Ausfertigung verhindert hatte. Dafür war Köhler – zumindest bei Teilen der Regierungsparteien CDU/CSU und SPD – „in Ungnade gefallen“. Die Formulierung allein macht schon deutlich, wie widersinnig es ist, wenn einzelne Abgeordnete oder gar Minister den Präsidenten dafür kritisieren, dass er sein Amt ordnungsgemäß führt und nach pflichtgemäßer Prüfung der Verfassungskonformität eines jeden Gesetzes zwei davon durchfallen lässt.

Die Entscheidung hat Köhler natürlich nicht allein gefällt, sondern mithilfe seiner Juristen im Präsidialamt. Aber die Verantwortung trägt er letzten Endes allein mit seinem Namenszug. Diesen zu verweigern, ist sein gutes Recht, wenn seine Bedenken größer sind als die der Legislative und Exekutive bei der Ausfertigung eines Gesetzes. Politisch korrekt könnte man sagen, die Parlamentarier hätten sich nicht ausreichend Zeit für eine ähnliche Sorgfalt genommen wie der Präsident. Populär könnte man es einfach als Schlamperei bezeichnen.

Der Vorgang hat einstweilen zwar nur am Rande mit dem GKV-Wettbewerbs-Förderungsgesetz (GKV-WSG) zu tun, könnte es aber auch betreffen. Denn auch dem GKVWSG gegenüber gibt es an einigen Punkten ernst zu nehmende verfassungsrechtliche Bedenken. Deren Prüfung erscheint jedoch als unbequem, weil sie den Fortgang der Legislative verzögern kann. Der Einigungsdruck, den die Gesundheitsreform auf die Fraktionen der beiden Regierungsparteien ausübt, ist erheblich. Bei ihrem Regierungsantritt hatten sie die selbst gestellte Aufgabe als das größte Reformvorhaben der gesamten Legislaturperiode ausgegeben. Jetzt sieht es eher so aus, als ob das hochmögende Oeuvre Zug um Zug geschreddert würde – nicht zuletzt durch die Länderfürsten. Unter Druck kann aber ein weiteres Mal eine verfassungsrechtliche Schlamperei passieren. Und dafür hat Köhler mit seiner Entscheidung erheblich das Bewusstsein geschärft.

Überdies ist gut zu wissen, einen politisch denkenden Bundespräsidenten zu haben, der im konkreten Fall selbst den Mut aufbringt, eine Entscheidung zu fällen, statt sie den Verfassungsrichtern zu überlassen. Sie brauchen mitunter Monate oder gar Jahre für eine Entscheidung. In dieser Zeit kann ein nicht stimmiges Gesetz erheblichen Schaden anrichten. Die Botschaft Köhlers scheint außerdem im Bundestag angekommen zu sein, und zwar nicht nur bei der Opposition. Pars pro toto seien hier nur die ernsten Mahnungen des stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Wolfgang Bosbach genannt. Sie beziehen sich direkt auf die Arbeit am GKV-WSG.

Bosbach hat die Parlamentarier, die mit der Gesetzgebung befasst sind, aufgefordert, sauber zu arbeiten und sich mit den relevanten verfassungsrechtlichen Fragen frühzeitiger auseinanderzusetzen, nämlich bevor es der Bundespräsident täte. Er selbst, Bosbach, habe bei einigen Regelungen der Gesundheitsreform grundsätzliche Bedenken; beispielsweise könnten die geplanten Änderungen im Bereich der privaten Krankenversicherung „verfassungsrechtlich fraglich“ sein. Bosbach ist im Zivilberuf Rechtsanwalt. Seine Warnungen sind ernst zu nehmen. Und erst recht sein noch deutlicherer Hinweis, er habe das Gefühl, im Bundesgesundheitsministerium werde dies nicht ernst genug genommen.

Gastkommentare entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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