Entwicklungshilfe

Jedem Kind ein Laptop

Das Internet ermöglicht Zugang zu Wissen und Kommunikation. Ein Privileg, das vielen Menschen in Entwicklungsländern nicht zuteil wird. Vor allem Kinder sind benachteiligt. Das Hilfsprojekt „One Laptop per Child“ (OLPC) will die digitale Kluft zwischen Arm und Reich überwinden.

Denker und Lenker der gemeinnützigen Initiative ist Nicholas Negroponte, Computerforscher, Technik-Guru und Professor am berühmten Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA. Seit 2005 treibt er die Entwicklung und Verteilung eines billigen, tragbaren Computers für Kinder voran. „Laptops sind ein Fenster zur Welt und ein Werkzeug zum Denken. Für Kinder sind sie ein wunderbares Mittel, um das Lernen zu lernen – durch unabhängige Interaktion und Forschung“, erklärt Negroponte auf der amerikanischen OLPC-Homepage.

Gut gebaut

Mit seinen 20 mal 25 Zentimetern ist der auf den Namen XO getaufte Mini-Laptop so groß wie ein DIN-A4-Block. Auf die Waage bringt er 1,5 Kilo. Die Entwickler haben – kindgerecht – auf ein robustes Äußeres geachtet: Regengüsse, Stöße und Stürze können dem Rechner nichts anhaben. Externe Geräte lassen sich bequem über drei USB-Ports anschließen. Außerdem verfügt der XO über eine Webcam mit 0,3 Megapixel, die ausreicht, um Videos fürs Internet zu drehen.

Innen geht es pfiffig weiter: Die Konstrukteure haben auf eine Festplatte verzichtet, Daten werden stattdessen auf einem Flashspeicher – den man auch in USB-Sticks oder MP3-Playern verwendet – gesichert. Kapazität: 1 Gigabyte. Der XO klinkt sich per W-Lan ins Netz ein. Der Clou: Kinder können sich untereinander in einem sogenannten Mesh-Netzwerk verknüpfen und per Funk Infos austauschen. Die beiden ausklappbaren Antennen am Monitor haben eine Reichweite von bis zu zwei Kilometern.

Die Oberfläche des Minirechners ist bewusst spartanisch gestaltet, nach den möglichen Activities müssen die Kinder so nicht lange suchen: Einfach das Symbol für Rechnen, Schreiben, Lesen, Zeichnen oder Musik machen anklicken und loslegen.

Kinder, die in Gegenden ohne sichere Stromversorgung wohnen, können ihren XO mit einem integrierten Dynamo per Hand aufladen. Der funktioniert ähnlich wie ein Jo-Jo: Eine Minute Strippeziehen bringt zehn Minuten Power für den Rechner.

Wissen ist Macht

Als Nicholas Negroponte 2005 beim Weltwirtschaftsforum in Davos sein XO-Projekt zum ersten Mal vorstellte, stieß er auf Unverständnis. Warum braucht ein Kind in der Dritten Welt, das noch nicht einmal genug zu essen und zu trinken hat, einen Laptop, wunderten sich viele. Für den Wissenschaftler Negroponte kein Widerspruch: „Wenn man das Wort Laptop durch das Wort Bildung ersetzen würde, käme keiner auf die Idee, das zu fragen“, sagte er in einem Interview. OLPC sei eine große Chance für arme Kinder, sich Zugang zu Wissen zu verschaffen und so ihre Lage zu verbessern. Negroponte hielt an seinem Plan fest und im November 2007 startete schließlich die Produktion des XO.

Ursprünglich sollte jedes Gerät nur 100 Dollar kosten, mit 188 Dollar wurde das Ziel allerdings verfehlt. Auch die Stückzahlen fielen nicht so hoch aus wie erhofft. Manche Länder hielten ihre Zusagen nicht ein, andere zeigten überhaupt kein Interesse. In Nigeria geriet OLPC gar in einen Urheberrechtsstreit: Das dort ansässige Hightech-Unternehmen Lancor beschuldigte die Organisation, eine von ihm entwickelte Software und ein Tastatur-Layout mit Sonderzeichen für unterschiedliche Landessprachen kopiert zu haben.

Streit gab es auch innerhalb der Hilfsorganisation: Im Januar 2008 stieg nach nur sechsmonatiger Mitgliedschaft Chiphersteller Intel aus der Kooperation aus. Man sei mit OLPC in eine „Sackgasse der Philosophien“ geraten, hieß es als Begründung. Hinter den Kulissen wird gemunkelt, dass Intel parallel den Verkauf seines eigenen Billigrechners „Classmate PC“ vorantrieb – auch in Ländern, die bereits Interesse am XO gezeigt hatten. Und tatsächlich: Fakt ist, dass vielen Unternehmen der Computerbranche das Non-Profit-Projekt OLPC ein Dorn im Auge ist, denn der Markt für Billig-PCs in den Entwicklungsländern ist riesig – keiner der IT-Riesen will auf sein Stück vom Kuchen verzichten.

Susanne TheisenFreie Journalistin in KölnSusanneTheisen@gmx.net

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