Neue Studie auf dem Tisch

Forschungsprojekt Amalgam: GAT (German Amalgam Trial)

Anfang April spukte mal wieder das Thema Amalgam durch alle Medien. Diesmal ausgelöst durch eine aktuell von der Technischen Universität München vorgestellte Untersuchung. Da sicher viele Zahnärzte von ihren Patienten dazu befragt werden, hier Aktuelles direkt aus der Feder des Studienleiters.

Das Forschungsprojekt wurde durch das Zentrum für naturheilkundliche Forschung (ZnF) der II. Med. Klinik und Poliklinik der Technischen Universität München (TUM) koordiniert und in Kooperation mit der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), dem Institut für Toxikologie, Helmholtz- Forschungszentrum, der Toxikologischen Abteilung aus dem Klinikum rechts der Isar (TUM), dem Institut für Pharmazeutische Biologie, Zentrum für Pharmaforschung (LMU) sowie der Internationalen Gesellschaft für Ganzheitliche Zahn-Medizin (GZM) e.V., Mannheim durchgeführt. Die Deutsche Amalgamstudie wurde vor dem Hintergrund eines Gerichtsverfahrens gegen die Firma Degussa durch den Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft im Jahre 1996 in Auftrag gegeben. Im Vordergrund der Beauftragung stand die Bearbeitung der in der Wissenschaft kontrovers diskutierten Fragen nach

a)dem Schädigungspotenzial von Amalgam,

b)den diagnostischen Möglichkeiten einer eventuellen Amalgamschädigung und

c)der Wahl einer geeigneten Therapie.

Zu a)Hinsichtlich des Schädigungspotenzials wurden klinische Symptomanalysen, toxikologische Messungen und experimentelle Zelluntersuchungen durchgeführt.

Klinische Beschwerden:Im Rahmen von Praxisstudien wurden zunächst 6 744 Patienten aus 34 bundesdeutschen Zahnarztpraxen mithilfe eines Fragebogens zu ihren Beschwerden befragt und ein ausführlicher Zahnstatus erhoben. Die Hauptauswertung von 4 787 unselektierten Patienten mit einem Alter von 21 bis 60 Jahren zeigte keine Unterschiede von Patienten mit Amalgamfüllungen und solchen ohne Amalgamfüllungen hinsichtlich der subjektiv genannten Beschwerden. Es gab keine signifikante Korrelation zwischen dem Auftreten beziehungsweise der Intensität bestimmter Symptome und der Anzahl der Amalgamfüllungen. Patienten, die zum Zweck der Amalgamentfernung in die Praxis kamen, wiesen mehr Beschwerden auf als Patienten, die aus anderen Gründen die Praxis aufsuchten [1].

In einer weiteren Längsschnittstudie wurden in zahnärztlichen Praxen von Mitgliedern der Internationalen Gesellschaft für ganzheitliche Zahn-Medizin e.V. 137 Patienten (68 Prozent Frauen, mittleres Alter 39 Jahre) mit Angaben zur Amalgamsanierung sowie zum Verlauf der Beschwerden vor, während und bis zu zwölf Monaten nach Sanierung ausgewertet. Die Patienten wiesen im Mittel 18,6 Amalgamfüllungsflächen auf. Die führenden Beschwerden waren allgemeine Mattigkeit (59 Prozent), rasche Ermüdung (44 Prozent), Kopfschmerzen (36 Prozent) und Stimmungsschwankungen (34 Prozent). Im Durchschnitt wurden vor Sanierung 23 Beschwerden angegeben. Die wissenschaftliche Auswertung einer Zufallsauswahl von 250 Fragebögen, die die Staatsanwaltschaft Frankfurt im Zuge der Ermittlungen für das „Degussa-Verfahren“ an die klagenden Personen ausgegeben hatten, zeigte bei den Betroffenen (65 Prozent Frauen, mittleres Alter 43 Jahre) als häufigste Beschwerden: Kopfschmerzen (60 Prozent aller Befragten), Konzentrationsschwäche (39 Prozent), Depressionen (38 Prozent), Müdigkeit und Sehstörungen mit einer Häufigkeit von jeweils 34 Prozent. Insgesamt wurden über 300 verschiedene Beschwerden in Zusammenhang mit den Amalgamfüllungen genannt. Das klinische Beschwerdebild entspricht keinem spezifischen Schädigungsmuster und kann zu keiner Diagnoseentität zusammengefasst werden.

Toxikologische Quecksilbermessungen: Die toxikologische Bewertung der Quecksilber- (Hg)-spiegel in Blut und Urin zeigten folgende Ergebnisse [3-5]:

■ Nur Messungen des anorganischen Quecksilbers im Blut und Urin zeigten einen hoch signifikanten Zusammenhang mit Amalgamfüllungen

 ■ Die gemessenen Werte der Amalgamträger waren noch weit unter dem kritischen Warnwert (Tabelle)

■ Das anorganische Quecksilber wird nach Entfernung von Zahnfüllungen innerhalb eines Jahres auf natürlichem Wege (ohne DMPS) aus dem Körper ausgeschieden.

Zelluntersuchungen: Untersuchungen des „low dose“-Effektes von Amalgam auf verschiedene Zelltypen zeigten keine deutlich zellschädigende Wirkung. Die zelluläre Stress-Reaktion war in vitro durch eine verminderte Anpassungsfähigkeit der Zellen nach Amalgam-Exposition charakterisiert.

Zu b)Hinsichtlich der Diagnostik „subtoxische Amalgamschädigung“ wurden verschiedene gängige Methoden zur Diagnose einer Amalgambelastung in einer Fall-Kontroll- Studie auf ihre Aussagekraft hin überprüft:

■ ein in komplementärmedizinischen Kreisen eingesetztes Diagnoseverfahren (Prognos ®-Messgerät), welches auf Messung der elektrischen Hautwiderstände beruht

 ■ chemische Messung von Quecksilber in Speichel und Blut sowie im Sammelurin vor und nach Mobilisation mit dem Medikament Dimaval®

■ der Lymphozyten-Transformations-Test (= immunologischer Sensibilisierungstest). Die Studie zeigte, dass keine der untersuchten diagnostischen Testmethoden in der Lage war, zwischen gesunden Probanden und subjektiv amalgamgeschädigten Probanden zuverlässig zu differenzieren [2].

Die toxikologischen Methoden vermögen jedoch zumindest zwischen Amalgamträgern und amalgamfreien Probanden zu unterscheiden. Die Diagnose bezüglich Amalgambelastung aufgrund der Prognos- Testung zeigte bei wiederholter und verblindeter Testung keine über den Zufall hinausgehende Übereinstimmung.

Zu c)Therapiemöglichkeiten: Die im Rahmen einer Längsschnittstudie in Zahnarztpraxen beobachteten Patienten mit Amalgamentfernung profitierten über mehrere Nachkontrollen bis zu einem Jahr nach Sanierung im Sinne einer deutlichen Beschwerdereduktion (von 23 Beschwerden im Mittel auf 16).

In Form einer kontrollierten, klinischen Studie wurde schließlich bei Patienten mit subjektivem Verdacht auf Amalgamunverträglichkeit ein Vergleich von drei Therapiestrategien wie folgt untersucht:

A) Amalgamentfernung

B) Amalgamentfernung in Kombination mit einer biologischen Ausleitungstherapie mit Verabreichung von hohen Dosen an Vitaminen und Spurenelementen

C) Strukturiertes Gesundheitstraining ohne Entfernung von Amalgam [6].

Über 3,5 Jahre wurden etwa 1 200 interessierte Personen befragt und zahnärztlich, klinisch-toxikologisch, internistisch und psychologisch voruntersucht, um die festgelegte Fallzahl von 90 Studienpatienten zu erreichen.

Als Hauptergebnis zeigte sich, dass zwischen den drei Gruppen kein statistisch signifikanter Unterschied im Ausmaß der Beschwerdebesserung nachweisbar war. Der gewichtete Summenscore der Hauptbeschwerden reduzierte sich nach zwölf Monaten im Vergleich zur Ausgangsuntersuchung in den beiden Gruppen mit Amalgamentfernung (A und B) um durchschnittlich 3,5 Punkte, während bei den Patienten nach Gesundheitstraining (ohne Amalgamentfernung, Gruppe C) ein Rückgang um durchschnittlich 2,5 Punkte zu beobachten war. Auch zeigten sich bezüglich des Anstiegs der Lebensqualität und der Verminderung der psychischen Belastung keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den drei Gruppen. Die nach zwölf Monaten beobachteten Verbesserungen hielten bis zum Ende der Studie nach 18 Monaten an. Die zusätzliche biologische Ausleitungstherapie zeigte keine statistisch bedeutsamen Auffälligkeiten.

Fazit: In der Wahl des geeigneten Therapievorgehens stehen bei längerfristigen subjektiv auf Amalgam zurückgeführten unspezifischen Beschwerden die Nutzung allgemeiner Gesundheitsfördermaßnahmen und Anti-Stressprogramme im Vordergrund. Nach weiterführendem Ausschluss aller möglichen klinischen und psychologischen Ursachen ist jedoch bei persistierenden Beschwerden die Amalgamentfernung nach wie vor eine Erfolg versprechende Option.

PD Dr. med. Dieter MelchartLeiter Zentrum für naturheilkundliche Forschung(ZnF) der II. Med. Klinik und Poliklinikder Technischen Universität MünchenKaiserstraße 980801 Münchendieter.melchart@lrz.tu-muenchen.de

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Blut- und Urin-Hg-Werte mit/ohne Amalgam

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Amalgam

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kritische

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mit (B)

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ng/mL

ohne (C)

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ng/mL

p-Wert

\n

B vs. C

Werte

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ng/mL

\n

\n

Zellen

\n

gesamt-Hg

\n

anorgan-HG

\n

1,19

\n

0,35

0,96

\n

0,08

0,500

\n

< 0,001

20,0

\n

Plasma

\n

gesamt-Hg

\n

anorgan-HG

0,51

\n

0,36

\n

0,16

\n

0,08

< 0,001

\n

< 0,001

20,0

\n

Urin

\n

gesamt-Hg

0,73

\n

0,16

< 0,001

50,0

\n

Medianwerte, n = 27, kein DMPS

\n

Clin. Tox., Tab. 3

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